Nur nicht geschmacklos sein
Die Zeit der Riesenlogos ist vorbei, Käufer von Luxusartikeln üben sich nach außen hin zunehmend in Bescheidenheit. Das glauben zumindest US-Experten zu beobachten. Schwelende politische Debatten über soziale Ungerechtigkeit hätten unter anderem dazu geführt, dass betuchte Konsumenten den erstandenen Luxus nicht mehr so offensiv zur Schau stellen wollen.
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„Es sieht etwas billig aus“, zitierte die „Washington Post" eine Einkäuferin auf der New Yorker Fifth Avenue, die die Raffinesse an den ausgestellten Stücken vermisst. Die Vorliebe für „unauffällige Stücke ohne Logo“ teilten immer mehr wohlhabende Kunden, schrieb die US-Zeitung. Laut (namentlich nicht genannten) Experten bevorzugten die „einzigartige, schwer zu findende Stücke“ anstatt solcher, deren Marke man bereits aus Metern Entfernung erkennt.
Reichtum soll nicht mehr so auffällig sein
Aber nicht nur das. Offenbar stellt man Reichtum auch nicht mehr ganz so gerne öffentlich zur Schau wie früher einmal. „Schuld“ daran sei die schwelende politische Debatte über soziale Ungerechtigkeit, die Luxus auf dem Präsentierteller geschmacklos aussehen lassen könnte, wenn schon das Preisschild des Portemonnaies vierstellig ist.
„Wir sehen klar, dass die Leute ihren Reichtum nicht ganz so auffällig zeigen wollen“, sagt Sarah Qinlan, leitende Marketingexpertin bei MasterCard Advisors. Diese neue Einstellung lasse nun einige der „Titanen des Luxuseinzelhandels“ mit ihren 5.000-Euro-Handtaschen und Hunderte Euro teuren Seidenschals schwere Zeiten durchleben, so die Zeitung – sie nennt namentlich Louis Vuitton, Gucci und Prada, die „Ikonen des globalen Reichtums“.
Johann Rupert, Geschäftsführer des Konzerns Richemont, zu dem Luxusmarken wie Cartier gehören, gestand kürzlich: „Das ist wirklich etwas, was mich in der Nacht wach hält.“ Menschen mit Geld würden das nicht mehr zeigen wollen. „Wenn die Eltern des besten Freundes deines Kinds arbeitslos werden, willst du nicht ein Auto oder sonst irgendwas Auffälliges kaufen“, so Rupert.
Rückgänge bei Gucci und Prada
Die neue Attitüde bereitet vorwiegend jenen Luxushäusern, die traditionell auf auffallende Logopolitik setzen, Sorgen. Manche sind ohnehin bereits mit einem schwierigen Marktumfeld konfrontiert: Guccis Umsätze gingen auch im ersten Quartal des Jahres weiter zurück. Die Erlöse der italienischen Edelmodenmarke fielen im ersten Quartal auf vergleichbarer Basis um fast acht Prozent.
Geschrumpft ist auch der Quartalsgewinn von Prada - nämlich um deutliche 44 Prozent. Die Gründe lägen in Asien und in gestiegenen Kosten, hieß es. Von derartigen Problemen ist man im Hause LVMH (das unter anderen die Marke Louis Vuitton beherbergt) weit entfernt - aber auch dort wurde das Wachstum beim Verkauf von Mode- und Lederartikeln gebremst, so die „Washington Post“.
„Yuppie-Schuldgefühl“?
Dabei ist der Markt für Luxusgüter eigentlich gewachsen, wie Daten von Euromonitor zeigen. „Heutzutage geht es wirklich darum, Luxus zu verstehen“, so ein Luxushandel-Consultant von Valentino. Seit es der US-Wirtschaft wieder besser gehe, sei der Wohlstand der Reichen gewachsen, während mittlere und niedrigere Einkommen gleich blieben. Charles Lawry, Wissenschaftler der Pace University aus dem Bereich Luxusmarketing erklärt es so: Nachdem Konsumenten Änderungen bei ihrem eigenen und bei fremden Einkommen erkannten, begannen sie ein bisschen ein „Yuppie-Schuldgefühl“ zu bekommen, wenn es um die Logos geht.
Geschmack in China schneller verändert
Wachstumsgarant ist offenbar auch China keiner mehr: Eine langsamer wachsende Wirtschaft und Korruptionsskandale haben die Nachfrage nach Luxusgütern etwas gebremst. Aber Experten werten auch hier ein darüber hinausgehendes Umdenken: Neue Wohlhabende stünden nicht mehr auf protzige Louis-Vuitton-Taschen und Gucci-Sonnenbrillen. Der Geschmack habe sich ungewöhnlich schnell verändert, so die US-Zeitung. Und dazu trügen auch Soziale Medien bei. Die Zeitspanne, in der ein Produkt von „Must-have“ zu „langweilig“ wird, wird durch das permanente Teilen auf Instagram, Pinterest und Co. immer kürzer.
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