Problematische IWF-Raten
Die Frage, ob Griechenland die Forderungen seiner Gläubiger begleichen kann, ist zu einem fixen Begleiter der Verhandlungen zwischen Athen und den Geldgebern geworden. Bisher konnte Griechenland zwar noch jede anstehende Rückzahlung fristgerecht begleichen. Doch mit jeder neuen Zahlungsfrist und jeder weiteren Verhandlungsrunde tickt die Pleiteuhr für Athen schneller.
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Allein im Juni muss Athen Forderungen in der Höhe von rund 6,8 Mrd. Euro nachkommen. Den weitaus größeren Teil stellen dabei Rückzahlungen an Staatsanleihen dar – Geld, das sich Griechenland vor allem von inländischen Banken und der EZB ausborgte. Dass Athen diese Zahlungen über immerhin 5,2 Mrd. Euro begleichen wird, gilt als relativ sicher. Denn für die Rückzahlung der alten Anleihen kann Athen üblicherweise einfach neue aufnehmen.
Zahlen oder nicht zahlen
Nicht ganz so einfach gestaltet sich die Zahlung der Kreditraten an den Internationalen Währungsfonds (IWF). Bereits am 5. Juni steht die nächste Zahlung an. Rund 310 Mio. Euro muss Athen überweisen. Im gesamten Juni sind sogar 1,6 Mrd. Euro an den IWF fällig. Und tatsächlich bestehen zumindest Zweifel, ob die Griechen diesmal noch ihren Verpflichtungen nachkommen können.
So sagte Finanzminister Gianis Varoufakis in einem Interview mit dem Nachrichtensender CNN, Griechenland könne den IWF-Kredit nicht mehr ohne weitere Hilfen der Gläubiger bedienen. Am Sonntag versicherte Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis hingegen, zumindest die am 5. Juni fällige IWF-Rückzahlung in Höhe von rund 310 Mio. Euro fristgerecht zu überweisen.
30 Tage Nachfrist
Was passiert, falls Athen tatsächlich eine IWF-Zahlung auslässt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Mit einer unmittelbaren Staatspleite müsste Athen aber wohl nicht rechnen. Denn folgt der Währungsfonds seinen eigenen Regeln, dann muss er Griechenland erst einmal eine 30-tägige Nachfrist einräumen. Griechenland wäre nicht das erste Land, das beim IWF auf eine solche Frist zurückgreifen müsste.

IWF/Bloomberg/ORF.at
Bliebe zu klären, wie Athen innerhalb der 30 Tage an frisches Geld kommen könnte - eine Frage, die sich allerdings auch stellt, wenn Griechenland im Juni fristgerecht zahlt. Denn über kurz oder lang wird dem Mittelmeer-Land das Geld ausgehen. Als vernünftigste - und womöglich auch einzige - Lösung gilt beiden Verhandlungsseiten, dass Griechenland und seine Geldgeber im monatelangen Schuldenstreit eine Einigung erzielen.
Verwirrspiel um Kompromiss
Bei einem Verhandlungserfolg könnten insgesamt 7,2 Mrd. Euro von der Europäische Zentralbank (EZB), dem IWF und dem EU-Rettungsschirm nach Griechenland fließen. Dafür gebe es nach Angaben der „Welt“ (Onlineausgabe) positive Signale. Der Zeitung zufolge haben sich die Gläubiger auf einen Kompromissvorschlag geeinigt. „Ich denke, dass wir Montagnacht eine Einigung auf einen gemeinsamen Entwurf erzielt haben“, hieß es aus europäischen Verhandlungskreisen.
Beim jüngsten Treffen auf höchster Ebene zwischen Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, IWF-Chefin Christine Lagarde und EZB-Chef Mario Draghi sei es vor allem darum gegangen, den IWF mit ins Boot zu holen. „Das ist gelungen“, schrieb die „Welt“. Auf jeden Fall würden die Verhandlungspartner Griechenlands mit einer Stimme sprechen, hieß es. Auch Reuters berichtete am Dienstag unter Berufung auf einen hochrangigen EU-Vertreter über eine Einigung der Geldgeber. Schönheitsfehler: Es ist unklar, ob Athen den Plan akzeptieren wird.
Dijsselbloem dämpft Optimismus
Doch der Vorsitzende der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem, dämpfte den Optimismus. Dass bis zum Freitag noch 300 Millionen Euro überwiesen würden, „ist praktisch und auch theoretisch ausgeschlossen“, sagte der niederländische Finanzminister am Dienstag in Den Haag in einem Interview mit dem niederländischen TV-Sender RTL. „Es werden Fortschritte gemacht, aber es ist wirklich noch nicht genug.“
Konzessionen der Geldgeber könne die griechische Regierung nicht erwarten. „Wir werden ihnen nicht auf halbem Weg entgegenkommen“, sagte Dijsselbloem. Athen müsse die Bedingungen erfüllen und Pläne für einen ausgeglichenen Haushalt und eine Erholung der Wirtschaft erfüllen.
Tsipras legt Lösungsvorschlag vor
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte Dienstagvormittag gesagt, er habe den internationalen Geldgebern einen Lösungsvorschlag übermittelt. Der Plan soll 40 Seiten umfassen. „Wir haben Zugeständnisse gemacht, denn für Kompromisse sind Zugeständnisse nötig“, sagte er und ergänzte: „Es ist ein realistischer Plan.“ Werde er angenommen, dürften die „Spaltungen in Europa“ überwunden werden. Die Entscheidung liege nun bei den politisch Verantwortlichen in Europa. Von dort hieß es allerdings, man sei derzeit noch nicht dort.
„Es gibt jetzt Signale aus Griechenland, dass sie zu seriösen Schritten bereit sind“, sagte Dijsselbloem. Die griechische Regierung müsse aber erkennen, dass sie „vielleicht mit zu vielen Versprechen“ die Wahlen gewonnen habe und das auch „ehrlich den Wählern“ mitteilen. Tsipras wird griechischen Regierungskreisen zufolge am Mittwoch EU-Juncker in Brüssel treffen.
Debatte über „Grexit“ wiederaufgeflammt
Besonders Merkel scheint entschlossen, einen Staatsbankrott Griechenlands abwenden zu wollen, weil das ihrer Meinung nach schlecht für Europa wäre. Auch der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warnte vor „gigantischen“ Folgen eines „Grexit“, denn die Wahrheit sei: „Wenn der erste Stein aus dem europäischen Haus herausbrechen würde, dass dann Europa in einem anderen Aggregatzustand wäre.“
Lagarde hingegen hatte zuvor ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Raum („Grexit“) nicht mehr ausgeschlossen. „Der Austritt Griechenlands ist eine Möglichkeit“, hatte sie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag-Ausgabe) gesagt. Ein „Grexit“ wäre nach ihren Worten „kein Spaziergang“, würde aber „wohl nicht das Ende des Euro“ bedeuten. Für den Verbleib Griechenlands in der Währungsunion sei der IWF nicht verantwortlich.
„Ohne den IWF wird es nicht gehen“, sagte indes Juncker der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag-Ausgabe). Auch ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion kommt für den Kommissionschef nicht infrage: „Diese Vorstellung, dass wir dann weniger Sorgen und Zwänge haben, wenn Griechenland den Euro abgibt, teile ich nicht“, so Juncker. Auch Dijsselbloem warnte vor einem „Grexit“: „Das ist nicht im Interesse Griechenlands und auch nicht Europas.“ Darüber werde oft zu leichtfertig geurteilt, warnte er.
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