Kein Kommentar aus dem Kreml
Mindestens 220 russische Soldaten sollen bei den Kämpfen in der Ukraine bisher getötet worden sein. Diese Zahl weist ein Bericht mit dem Titel „Putin - der Krieg“ aus. Er fußt auf Recherchen des in Moskau erschossenen Oppositionellen Boris Nemzow. Die genannte Zahl der getöteten Soldaten widerspricht Angaben der Regierung, wonach keine aktiven russischen Soldaten in die Kämpfe verwickelt seien.
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Auch zu den Kosten des russischen Einsatzes im Nachbarland nennt der Bericht eine Zahl: Die Unterstützung des Aufstands soll bisher mehr als eine Milliarde Dollar (890 Mio. Euro) gekostet haben. Der Bericht über die Ostukraine war das letzte Projekt, an dem Nemzow vor seiner Ermordung im Februar gearbeitet hatte. Er sammelte dafür Informationen aus „offenen und anonymen Quellen in Moskau“ und befragte Familien von den in der Ukraine getöteten russischen Soldaten, wie es bei der Präsentation der Berichts hieß.
„Vollständige Beweise“ für Militärpräsenz
Parteifreunde und mehrere oppositionelle Journalisten halfen nach seinem Tod, den 65-seitigen Bericht fertigzustellen. Er befasst sich mit der Rolle des Kreml und des russischen Staatschefs Wladimir Putin im Ukraine-Konflikt und liefert den Herausgebern zufolge „vollständige Beweise“ für die Präsenz des russischen Militärs in der Ukraine. Enthalten seien unter anderem Aussagen von „Schlüsselzeugen“, sagte einer der Autoren, der Oppositionelle Ilja Jaschin (Russische Demokratische Partei Jabloko), in Moskau.

Reuters/Maxim Zmeyev
Der Oppositionelle Jaschin bei der Präsentation des neuen Berichts
„Massenhaft“ russische Soldaten
Den Angaben zufolge drangen erstmals im August vergangenen Jahres „massenhaft“ russische Soldaten über die Grenze in die Ukraine ein. Damals sei den Aufständischen eine Gegenoffensive gegen die ukrainischen Regierungstruppen in der Nähe des Dorfes Ilowaisk und südlich von Donezk gelungen, sagte Jaschin.
Im Jänner und Februar seien abermals russische Soldaten geschickt worden, um den ukrainischen Präsident Petro Poroschenko zu Verhandlungen in Minsk und zur Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens mit den Rebellen zu zwingen. Und als die Separatisten Mitte Februar die Stadt Debalzewe zurückeroberten, habe es ebenfalls russische Unterstützung gegeben.

Reuters/Sergei Karpukhin
Nemzow recherchierte zur Rolle des Kreml in der Ukraine-Krise
Abschließend heißt es in dem Bericht: „Alle entscheidenden militärischen Siege“ der prorussischen Separatisten in der Ostukraine seien „von regulären russischen Truppen gewährleistet“ worden. Die russische Regierung wollte sich zu den Aussagen nicht äußern: Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte laut russischen Nachrichtenagenturen, er habe den Bericht nicht gelesen. „Deswegen habe ich auch nichts dazu zu sagen.“
Teilweise Schmerzensgeld gezahlt
Dem Oppositionsbericht zufolge wurden allein in der Schlacht um Ilowaisk und in der Umgebung im vergangenen Sommer mindestens 150 russische Soldaten getötet. Ihre Angehörigen hätten je drei Millionen Rubel (rund 50.000 Euro) Schmerzensgeld erhalten. Die Zahlung sei an die Bedingung geknüpft gewesen, dass sie nicht öffentlich über den Tod ihrer Familienmitglieder sprechen.
Bei den Kämpfen um Debalzewe Anfang des Jahres seien mindestens 70 Russen umgekommen. Deren Angehörige hätten allerdings kein Geld bekommen. In den meisten Fällen würden die russischen Soldaten formal zum Austritt aus der Armee gezwungen, ehe sie in die Ostukraine reisten, heißt es in dem Bericht. Russische Kämpfer erhielten dort umgerechnet bis zu 1.600 Euro Sold im Monat.
Nahe den Kreml-Mauern ermordet
Nemzow war vor zweieinhalb Monaten vor den Mauern des Kreml erschossen worden. Die Ermordung des 55-jährigen Regierungsgegners, der monatelang Hinweisen auf eine russische Militärintervention in der Ukraine nachgegangen war und Putins Ukraine-Politik aufs Schärfste verurteilt hatte, löste weltweit Bestürzung aus. Die Ermittler nahmen vier Tschetschenen und einen Inguschen fest und beschuldigten die Gruppe, Nemzow ermordet zu haben. Die Angeklagten weisen die Vorwürfe nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten zurück. Der mutmaßliche Auftraggeber ist noch auf der Flucht.
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