„Fülle an wirklich tollen giftigen Tieren“
Spinnengift ist dazu da, Beute zu lähmen oder zu töten. Wissenschaftler der australischen Universität Queensland wollen sich diese Eigenschaft zunutze machen, indem sie mit dem Gift den Pfad blockieren, der bei Menschen für die Übermittlung von Schmerzen von den Nerven zum Gehirn zuständig ist. Die Ergebnisse sind vielversprechend.
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Für die Wirkung verantwortlich sind Peptide, das sind bestimmte Produkte des Eiweißabbaus. Die australischen Forscher haben das Gift von 205 lokalen und fremden Spinnenarten untersucht. Etwa 40 Prozent der Tiere enthielten zumindest ein Peptid, das den Schmerzkanal blockiert.
Hoffnung für chronisch Schmerzkranke
Ein Peptid einer Burma-Vogelspinnenart (Haplopelma doriae) dürfte sich besonders gut eignen, wie das „Wall Street Journal“ von den Ergebnissen der Studie berichtete. Es habe die richtige Struktur, Stabilität und das Potenzial dazu, ein Schmerzmedikament zu werden, heißt es in den im „British Journal of Pharmacology“ publizierten Ergebnissen. Sollte man daraus wirklich ein Schmerzmittel erzeugen können, wäre das vor allem für chronisch Schmerzkranke eine hervorragende Nachricht. Denn man hätte damit eine ganz neue Art von Schmerzmitteln geschaffen.
Der Bedarf danach ist groß. Rund 20 Prozent der Menschen in Europa leiden an chronischen Schmerzen. Traditionelle Schmerzmittel wie Morphin und weit verbreitete Medikamente wie Tramal haben einen Riesennachteil: Sie können abhängig machen.
Andere Wirkungsweise - keine Abhängigkeit
„Spinnengift wirkt anders als normale Schmerzmittel“, erklärt Jennifer Smith, Forschungsleiterin am Institut für molekulare Biowissenschaften an der Universität Queensland und Mitautorin der Studie. Der große Vorteil daran: Es macht nicht abhängig. Ein aus Spinnengift gewonnenes Schmerzmittel würde einen spezifischen Teil des Pfades blockieren, der Schmerzen zum Gehirn transportiert. Opiathaltige Schmerzmittel hingegen wirken viel umfassender, indem sie Opioidrezeptoren im Hirn, dem Rückenmark und anderen Organen ansprechen.

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Auch das Gift der Schwarzen Mamba könnte für Schmerzmittel taugen
Die Wissenschaftler wollen nun Tests an Tieren durchführen, um herauszufinden, ob sich die Peptide wirklich für die Herstellung von Schmerzmitteln eignen, und um Nebenwirkungen zu erforschen. Australien eigne sich hervorragend für diese Forschung. Einige der weltweit giftigsten Spinnen sind in dem Land beheimatet. „Wir haben eine Fülle an wirklich tollen giftigen Tieren: Was immer Sie wollen, wir haben es, mehr oder weniger. Australien ist das giftige Land“, scherzt die Wissenschaftlerin.
Unter Narkose gemolken
Ein Forscher sei durch Australien und in zahlreiche andere Länder gereist, um das Gift von Spinnen zu sammeln, die von Spinnenenthusiasten und Zoofachgeschäften gehalten und gehandelt werden. Die Herausforderungen seien dabei unterschiedlich groß gewesen.
Die Sydney-Trichternetzspinne etwa sei aufgrund ihrer Aggressivität sehr einfach zu melken gewesen, beschreibt Smith. „Die braucht man buchstäblich nur anzusehen, und das Gift beginnt von den Fangzähnen zu tropfen.“ Allerdings eigne sich das Gift dieser Spinne nicht für die Schmerzmittel. Andere Spinnen wiederum, etwa die Südamerikanische Vogelspinne in der Größe eines Speisetellers, musste narkotisiert und die Muskeln rund um die Giftdrüsen stimuliert werden, damit sie Gift produziert.
Nicht nur Spinnen
Und weil es vor giftigen Tieren in Australien offenbar nur so wimmelt, werden nicht nur Spinnen erforscht. Skorpione, Tausendfüßler und Raubwanzen werden von den australischen Wissenschaftlern ebenso unter die Lupe genommen. In Frankreich etwa arbeiten Forscher an einem Schmerzmedikament, das aus dem Gift der Schwarzen Mamba gewonnen wird, eine der giftigsten Schlangen der Welt.
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