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Kopf-an-Kopf-Rennen der Koalitionspartner

Am Sonntag sind 4,5 Mio. Finnen aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. In den Umfragen hat sich schon im Vorfeld ein klarer Verlust der Nationalen Sammlungspartei von Regierungschef Alexander Stubb abgezeichnet. Mit seiner Forderung nach einem NATO-Beitritt dürfte er selbst treue Wähler vergraulen. Die Spannungen mit Russland waren aber auch in anderer Form Wahlkampfthema.

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Erst vor einem Jahr wurde Stubb Vorsitzender der konservativen Sammlungspartei Kokoomus - genug Zeit, um viele Finnen vor den Kopf zu stoßen. Zuletzt lehnte sich Stubb weit aus dem Fenster, als er angesichts der Ukraine-Krise einen Beitritt Finnlands zur NATO forderte und sich mit unernsten Auftritten in TV-Shows exponierte.

Spaßvogel verstört die Finnen

„Stubb hat das Image eines ‚broileri‘, also einer Art gesichtslosen Huhns aus der Massenproduktion von Eliteschulen. Die Finnen mögen es nicht, wenn so jemand dann auch noch als Spaßvogel im Fernsehen auftritt“, erklärt der Politologe Juri Mykkänen im Gespräch mit der APA einen Grund für die niedrigen Popularitätswerte Stubbs. Die NATO-Frage sei im Übrigen in Finnland kein echtes Thema und werde von den Medien hochgespielt.

Sehr wohl eine Rolle im Wahlkampf spielte die Haltung der Regierung gegen den als wachsende Bedrohung wahrgenommenen Nachbarn Russland. Und ausgerechnet vor der Wahl musste die Regierung nun eingestehen, dass offenbar vertrauliche Dokumente über die EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland unbeabsichtigt an die Öffentlichkeit gelangten. Wie und von wem die Dokumente geleakt wurden, liegt völlig im Dunklen.

Krise wirft Schatten auf die Wahl

Und auch innenpolitisch schaffte sich Stubb im Wahlkampf mächtige Feinde - nämlich als er das finnische System der Konsenspolitik zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern frontal angriff. Zweimal in den vergangenen beiden Jahrzehnten hätten die Gewerkschaften konservativ geführte Regierungen gestürzt, als sie sich zu sehr in die Enge getrieben fühlten, sagt Mykkänen. Bisher habe sich dieses Konsenssystem, das der österreichischen Sozialpartnerschaft ähnlich sei, in Krisenzeiten als effektiv erwiesen, erklärt der Politologe.

Die Wirtschaftskrise ist in Finnland das dominierende Thema. Seit dem Beginn der Finanzkrise 2008 und dem Verkauf der Handysparte von Nokia an Microsoft kommt die Wirtschaft des Landes nicht mehr recht auf Touren. Daher setzt sich Stubbs für ein rigides Sparpaket ein - was sein Herausforderer, Juha Sipilä von der wertkonservativen Zentrumspartei, etwas anders sieht. Der Selfmade-Millionär mit seiner zurückhaltenden Art ist zum Hoffnungsträger für viele Finnen geworden. Laut Umfragen könnte seine Partei zwischen 23 und 25 Prozent bekommen.

Partei Die Finnen ist das große Fragezeichen

Von einer absoluten Mehrheit ist die Zentrumspartei, die bei der letzten Wahl 2011 böse abgestraft wurde, aber weit entfernt. Sipilä wird daher Koalitionspartner brauchen. Die beiden Parteien der gegenwärtigen Regierung, die Sammlungspartei und die Sozialdemokraten, könnten auf jeweils 17 Prozent kommen und böten sich damit als Partner an. Doch auch die EU-skeptische Partei Die Finnen könnte infrage kommen. Als Partner ausschließen will der Pragmatiker Sipilä keine Partei.

Das Abschneiden der Partei Die Finnen bleibt das große Fragezeichen bei dieser Wahl. 2011 noch mit 19 Prozent überraschend zur drittstärksten Partei aufgestiegen, liegen die Rechtspopulisten in Umfragen bei 16 Prozent. Aber noch fast 40 Prozent der Finnen sind unentschlossen. Der Chef der früher unter dem Namen „Wahre Finnen“ bekannten Partei, Timo Soini, ist zumindest zuversichtlich. Für seine Partei sei es wichtig, nun „den nächsten Schritt“ von einer der führenden Oppositionsparteien in die Regierung zu machen, sagte er gegenüber Reuters.

Anti-EU-Wahlkampf als Erfolgsrezept?

Der leidenschaftliche EU-Gegner will mit der Forderung nach einem Austritt Griechenlands aus dem Euro punkten. „Der Grexit ist notwendig,“ sagte Soini in einem Interview. Wenn Griechenland im Euro bleibe, würde das weitere Hilfszahlungen bedingen und das „Pyramidenspiel“ mit dem Geld der EU-Staaten würde weitergehen. Innerparteilich sitzt der über die Parteigrenzen hinweg beliebte, manchmal etwas verschroben wirkende 52-Jährige, fest im Sattel. Auch den ultrarechten Flügel der Partei hat er unter Kontrolle. Der wegen rassistischer Postings im Internet gerichtlich verurteilte Jussi Halla-aho wurde erst vor Kurzem aus der Partei ausgeschlossen.

Die Dritten im Bunde beim Koalitionspoker sind die Sozialisten mit Finanzminister Antti Rinne an der Spitze. Er hat den Ruf eines beinharten Verhandlers, der im Zweifel auch nicht davor zurückschreckt, Streiks zu organisieren, um die Anliegen der Arbeitnehmer durchzusetzen. Besonderer Dorn im Auge waren Rinne die Massenkündigungen bei finnischen Großkonzernen wie Stora Enso (Papier), Metso (Forstmaschinen) und Kemira (Düngemittel), die er beschuldigte, Hunderte Menschen auf die Straße zu setzen, um damit den Profit um Millionenbeträge zu steigern. Angesichts der steigenden Arbeitslosenzahlen könnte das das richtige Rezept für die nächste Regierungsbeteiligung sein.

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