„Keine Kontrolle mehr“
Eine Hackerattacke von mutmaßlichen Mitgliedern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den Sendebetrieb der nationalen französischen Sendergruppe TV5 Monde stundenlang zum Erliegen gebracht und deren Websites gekapert. „Wir sind nicht mehr imstande, irgendeinen unserer Kanäle auszustrahlen“, sagte Senderchef Yves Bigot in der Nacht auf Donnerstag.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Auch die Internetpräsenz der Sendergruppe wurde vollständig von den Hackern gekapert. Auf der Facebook-Seite von TV5 Monde wurden etwa angebliche Ausweise und Lebensläufe von Familienmitgliedern von französischen Militärangehörigen veröffentlicht, die an Einsätzen gegen den IS beteiligt seien. Nur nach und nach und mit mehreren Rückschlägen gelang es dem Sender, die Hoheit über die eigenen Websites und Kanäle zurückzuerlangen.
Cyberangriff am späten Abend
Der Hackerangriff habe am Mittwochabend gegen 22.00 Uhr begonnen, sagte Bigot. Seitdem hätten die Kanäle von TV5 Monde nicht mehr ausgestrahlt werden können. Auch im Internet habe man „keine Kontrolle mehr“ über die eigenen Domains. Gegen 1.00 Uhr konnte TV5 Monde den Sendebetrieb zum Teil wieder aufnehmen. Über ihre Facebook-Seite erlangte die Sendergruppe schon gegen Mitternacht die Kontrolle zurück, die Senderwebsite funktionierte jedoch bis in den Freitag hinein nicht.
„Soldaten Frankreichs, haltet Euch vom Islamischen Staat fern!“, hatten die Hacker zuvor auf der Facebook-Seite des Senders gewarnt. „Ihr habt die Chance, das Leben Eurer Familie zu retten, nutzt sie.“ Weiter hieß es: „Im Namen Allahs, des Allergütigsten, des sehr Barmherzigen, führt das Cyberkalifat weiter seinen Cyberdschihad gegen die Feinde des Islamischen Staates.“ Das „Cyberkalifat“ suche derzeit nach den „Familien der Militärs, die sich an die Amerikaner verkauft haben“.
Attentate als „Geschenke“ gepriesen
Die Hacker warfen dem französischen Staatschef Francois Hollande vor, mit der Beteiligung an dem Militäreinsatz der US-geführten Koalition der „schmierigen Ungläubigen“ gegen den IS im Irak und in Syrien einen „unverzeihlichen Fehler“ gemacht zu haben. „Darum haben die Franzosen die Geschenke bei ‚Charlie Hebdo‘ und Hyper Cacher erhalten“, hieß es. Mit dieser Botschaft nahmen die Attentäter direkt Bezug auf die Terroranschläge von Paris im Jänner.
Im Jänner hatten islamistische Attentäter bei einer Anschlagserie in Paris 17 Menschen getötet. Die Brüder Cherif und Said Kouachi erschossen im Zuge ihres Angriffs auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ zwölf Menschen, der Islamist Amedy Coulibaly wird für die tödlichen Schüsse auf eine Polizistin in Montrouge südlich der Hauptstadt und die blutige Geiselnahme in dem jüdischen Supermarkt Hyper Cacher mit vier Toten verantwortlich gemacht. Coulibaly bezeichnete sich selbst als Mitglied des IS.
Zeitpunkt der Attacke bewusst gewählt
Der Hackerangriff kam nur wenige Tage nach Inkrafttreten der verschärften Sicherheitsgesetze nach den Anschlägen in Frankreich: Mitte März war erstmals nach der Verabschiedung des neuen Anti-Terror-Gesetzes der Zugang zu Websites wegen terrorverherrlichender Inhalte blockiert worden. Gesperrt wurde der Zugang zu fünf Websites, darunter der Internetauftritt des Al-Hayat Media Center, das Propaganda für den IS gemacht hatte.
Die in Paris ansässige TV5 Monde ist eine französischsprachige Sendergruppe, die weltweit in mehr als 200 Ländern sendet. Am Tag des Hackerangriffs hatte sie einen neuen Themenkanal gestartet, in dem es um die französische Lebensart geht und der unter anderem im Nahen Osten und in Nordafrika ausgestrahlt wird. An der Zeremonie zum Sendestart hatte auch der französische Außenminister Laurent Fabius teilgenommen.
Staatsspitze besucht Senderzentrale
Premierminister Manuel Valls verurteilte die Attacke als „inakzeptable Verletzung der Informations- und Meinungsfreiheit“. Er sprach der Redaktion des Senders seine „volle Unterstützung“ aus. Donnerstagfrüh besuchten auch Fabius, Innenminister Bernard Cazeneuve und Kulturministerin Fleur Pellerin den Sitz von TV5Monde in Paris, um dem Sender ihre Unterstützung auszudrücken. Cazeneuve sagte, es seien Ermittlungen zu dem Hackerangriff eingeleitet worden. Er betonte die Entschlossenheit der Regierung im Umgang mit „Terroristen“.
Links: