Themenüberblick

Bessere Zahlungsmoral als Ziel

Im Kampf gegen die Schuldenkrise will die griechische Regierung mit einem neuen Gesetz zur Stärkung der Steuermoral die leere Staatskasse auffüllen. Das Parlament in Athen verabschiedete am Samstag einen entsprechenden Entwurf von Finanzminister Gianis Varoufakis, der deutlich geringere Strafen und lange Rückzahlungsmöglichkeiten bei Steuerrückständen vorsieht.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Regierung schätzt die Steuerrückstände auf 76 Milliarden Euro und damit auf 42 Prozent der Wirtschaftsleistung. Sie rechnet zugleich damit, dass sie nur knapp neun Milliarden davon eintreiben kann. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, eine „neue Kultur der Einhaltung der Steuervorschriften“ zu schaffen.

Teil des Reformpakets

Das Gesetz gehört zu einem Reformpaket, mit dem die neue Regierung unter Führung der Linkspartei SYRIZA die kriselnde Wirtschaft ankurbeln will. Vor wenigen Tagen hatte sie dazu auch ein Gesetz zur Armutsbekämpfung erlassen. Es sieht die Ausgabe von Lebensmittelmarken und eine kostenlose Stromversorgung für Bedürftige vor. Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte den Euro-Partnern auf dem EU-Gipfel in Brüssel Reformen zugesagt, um dringend benötigte Kredithilfen zu erhalten. Ohne diese droht Griechenland die Staatspleite.

Wieder etwas Hoffnung im Schuldendrama

Der Brüsseler „Minigipfel“ hatte zuvor nach der bitteren Konfrontation der vergangenen Wochen wieder etwas Hoffnung in der Griechenland-Krise gebracht. Athens Regierungschef Tsipras sagte eine „vollständige“ Reformliste für „die kommenden Tage“ zu. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel stellte klar, dass Griechenland auf erste Notkredite setzen kann, schon bevor alle Reformen durchs Parlament sind. Doch bleibt der Weg für Athen steinig - und bereits die Interpretation der Abmachung durch beide Seiten ließ Unterschiede erkennen.

Tsipras hatte um das Sondertreffen am Rande des EU-Gipfels gebeten, um mit den wichtigsten Akteuren auf höchster Ebene zu verhandeln. Am Tisch saßen neben Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem sowie die Präsidenten von Europäischer Zentralbank (EZB), Mario Draghi, dem EU-Rat, Donald Tusk, und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.

Wertvolle Zeit verloren

Dreieinhalb Stunden tagte die Runde, um dann zu erklären, an der Vereinbarung der Euro-Gruppe vom 20. Februar über die Verlängerung des bisherigen Programms werde „vollständig festgehalten“ - ein Eingeständnis, dass es einen ganzen Monat keine greifbaren Ergebnisse gab. Aber nun sei der Prozess „zurück in der Spur“, sagte Athens Regierungschef. „Griechenland wird Strukturreformen vorlegen und umsetzen.“

Wenige Stunden später bestätigte das griechische Finanzministerium, nun sofort mit den Gläubigerexperten von EZB, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) zusammenzuarbeiten. Sollte dann tatsächlich in den kommenden Tagen die Reformliste folgen, könnte die Euro-Gruppe schon Ende nächster Woche in Brüssel zu einem weiteren Dringlichkeitstreffen zusammenkommen, verlautete aus Kommissionskreisen.

Merkel: Keine Abschwächung

Die Chance Athens, in absehbarer Zeit an Geld aus dem verlängerten Hilfsprogramm zu kommen, ist damit größer geworden. Einige Reformen müssten in jedem Fall vorher rechtlich umgesetzt werden, sagte Merkel. Andere würden „auf einer Zeitachse vereinbart“ und müssten daher erst später durchs Parlament. Solche Meilensteine habe es auch in allen anderen Programmen gegeben.

An dem im Februar vereinbarten Prozedere ändere sich auch „kein Deut“, betonte die Kanzlerin. Erst wenn die Gläubiger-Troika die Tsipras-Liste und die Umsetzung der vorgezogenen Maßnahmen anerkennt und die Euro-Gruppe grünes Licht gibt, könne Geld fließen.

Athen muss Milliarden zurückzahlen

Athen braucht das Geld vor allem, um seine Gläubiger auszuzahlen. Am Freitag beglich der Staat fristgerecht Schulden von 348,5 Millionen Euro beim IWF. Weitere 1,6 Milliarden Euro brachte das Land für die Rückerstattung kurzfristiger Staatsanleihen auf. Auch weitere fällige Rückzahlungen seien am Freitag fristgemäß erfolgt. Doch stehen in den kommenden Wochen weitere Milliardensummen an.

Immerhin: Wenn Athen nun wirklich liefert, könnte der Verbleib im Euro vorerst gelingen. Aus dem verlängerten Programm könnten 1,8 Milliarden Euro an Krediten plus 1,9 Milliarden Euro an Zinsgewinnen überwiesen werden. Zusammen mit ausstehenden Hilfszahlungen des IWF stünden insgesamt 7,2 Milliarden Euro bereit.

Hilfe via Strukturfonds

Zusätzlich will die EU-Kommission Griechenland stärker unter die Arme greifen. Juncker sagte am Freitag, Brüssel werde Athen helfen, in diesem Jahr zwei Milliarden Euro aus ungenutzten Strukturfonds abzurufen. Dabei gehe es aber nicht darum, „die Kassen des Staates zu füllen“. Es gehe darum, die Möglichkeiten Athens zu stärken, Wachstum und sozialen Zusammenhalt zu schaffen.

Genau das hatte Tsipras seinen Wählern versprochen. Seine Gipfelbilanz fiel daher fast überschwänglich aus. Tsipras’ Regierung muss nun zeigen, wie ernst es ihr mit der Umsetzung von Reformen ist. Seinen nächsten Termin, um das wieder aufkeimende Vertrauen zu stärken, hat Tsipras am Montagabend bei einem Besuch bei Merkel in Berlin.

Juncker warnt vor Aus für Währungsunion

EU-Kommissionspräsident Juncker warnte unterdessen nach dem Gipfel vor einem Zusammenbruch der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU). Die WWU sei „nicht nur eine Union fester Wechselkurse. Das System, das wir erarbeitet haben, stützt sich auf feste Wechselkurse, und in der Vergangenheit sind solche Systeme oft zusammengebrochen.“

Juncker weiter: „Der EU darf nicht das Gleiche passieren. Ich glaube das auch nicht. Aber denen, die uns aus der Ferne zusehen, müssen wir nachweisen, dass das wirklich nicht eintritt.“ In Wahrheit müsse die WWU rascher vorankommen und vertieft werden.

Links: