Kritik an Günther Jauch
Echt oder gefälscht? Die Debatte über das in der ARD-Sendung „Günther Jauch“ gezeigte Video von 2013, in dem der damalige Wirtschaftsprofessor und heutige griechische Finanzminister Gianis Varoufakis den Deutschen den Mittelfinger gezeigt haben soll, bekommt durch den deutschen ZDF-Satiriker Jan Böhmermann neues Feuer. Und Varoufakis fühlt sich bestätigt.
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Böhmermann zeigte in der Sendung „Neo Magazin Royale“ des ZDF vermeintliche Beweise, dass sein Team und er für das Mittelfinger-Video verantwortlich seien. Er scheute keinen technischen Aufwand, um zu zeigen, wie die Aufnahme gefälscht worden sein soll. Damit landete der junge Satiriker inmitten der in Deutschland erregten Debatte einen Coup, gilt doch Jauchs Sendung als wichtigste Talkshow in Deutschland. Medien und Soziale Netzwerke beschäftigen sich nur noch mit der Frage: War es ein Fake, ein gefakter Fake oder doch echt?

Screenshot youtube.com
ZDF-Satiriker Böhmermann mischt die „#Varoufake“-Debatte auf
Varoufakis bezeichnete das Video gleich nach der Ausstrahlung bei Jauch als gefälscht. Er zeigte sich empört, dass ihm so eine Geste überhaupt zugetraut werde. Umso erfreuter gab er sich nun über die Böhmermann-Aktion in „Neo Magazin Royale“ des ZDF. Er gratulierte dem Comedian. Humor, Satire und Selbstironie seien großartige Mittel gegen blinden Nationalismus, richtete er via Twitter aus: „Wir Politiker brauchen Sie dringend.“ Zudem forderte er eine Entschuldigung von Jauch, weil der ein manipuliertes Video genutzt habe, um eine versöhnliche griechische Stimme zum Schweigen zu bringen, so der griechische Finanzminister.
Nachschlag von Böhmermann
Böhmermann selbst schaltete sich am Donnerstag mit einem weiteren Video in die Debatte ein. Dabei witzelte er einmal mehr haarscharf an der Grenze zwischen Eingeständnis der Fälschungsfälschung und Behauptung der Echtheit seiner Fälschung entlang. Auf jeden Fall unterstrich er seine Medienkritik: „Niemals“ würde er die „ernsthaft geführte“ und „notwendige Debatte über einen zwei Jahre alten, aus dem Zusammenhang gerissenen Stinkefinger derart skrupellos der Lächerlichkeit preisgeben wollen.“ Die „Neo Magazin Royale“-Redaktion habe die umstrittene Varoufakis-Sequenz manipuliert, weil Material für einen Spott-Song über den griechischen Finanzminister gefehlt habe, argumentierte Böhmermann.
Ob echt oder gefälscht - der Böhmermann-Beitrag ist ein technisches Lehrstück: Einmal wird die Sequenz mit gestrecktem Mittelfinger gezeigt, dann wieder mit ausgestreckter Hand und schließlich sogar als i-Tüpfelchen mit ausgestrecktem Zeigefinger. Die versammelte Redaktionsmannschaft spielt dabei mit sichtlichem Genuss an Bildbearbeitungsprogrammen herum und lässt offen, ob sich der Genuss auf das Fälschen des Videos oder das Fälschen des Fälschens des Videos bezieht.
Warnhinweis „Vorsicht Satire“
Der Sender veränderte nach eigener Darstellung die Szene in Zusammenarbeit mit Organisatoren der kroatischen Veranstaltung, an der die verfänglichen Aufnahmen Varoufakis’ im Mai 2013 entstanden. Feixend wird darauf hingewiesen, dass die damalige Veranstaltung den Titel „Subversive Festival“ trug. Noch am Mittwochabend begann in Sozialen Netzwerken eine hitzige Diskussion über die Echtheit der Fälschungsbehauptung Böhmermanns. Auf Twitter entstand unter „#Varoufake“ eine heftige Debatte darüber, welche Szene denn nun Fälschung und welche Original ist.
All jene, die immer noch verwirrt sind, sollten einen Blick auf Böhmermanns bisheriges Schaffen werfen: Da wären etwa vermeintliche Zitate des Fußballers Lukas Podolski („Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel“), die andere Medien ungeprüft übernahmen, Böhmermanns Auftritt als Schweingegrippekranker - ebenfalls von vielen Sendern als echt übernommen -, ein erfundener türkischer Karnevalsverein, der prompt Entsprechung im wirklichen Leben fand, und die Zeitungskolumne „Gott fragt - Böhmermann antwortet“. Eine Debatte, ob Gott in dem Fall echt war, gab es damals nicht.
Das ZDF nahm am Donnerstag knapp Stellung zu der Verwirrung: „Wir erwägen künftig bei allen @neomagazin-Ausstrahlungen im TV und im ZDF den Warnhinweis ‚Vorsicht Satire!‘ zu platzieren.“ Und Böhmermanns Satire-Team twitterte am Donnerstag: „+++ EIL +++ Das @NeoMagazin Royale ist eine Satiresendung! +++ #varoufake +++ Wer hätte das gedacht?“ Wenig später stellte auch das ZDF eindeutig klar, dass es sich bei dem Böhmermann-Video um Satire handelt.
Aus Zusammenhang gerissen
Abseits der Diskussion über die mögliche Fälschung des Videos muss sich der Moderator Jauch aber auch Kritik gefallen lassen, dass das gezeigte Varoufakis-Video aus dem Kontext gerissen worden sei. Der damalige Wirtschaftsprofessor bezog sich in seinen Ausführungen nicht auf die heutige Situation, sondern auf das Frühjahr 2010 und seine Haltung, Griechenland hätte damals Staatsbankrott erklären sollen. Ähnlich argumentiert auch Böhmermann: „Liebe Redaktion von Günther Jauch, Gianis Varoufakis hat unrecht. Ihr habt das Video nicht gefälscht. Ihr habt einfach nur das Video aus dem Zusammenhang gerissen und ’nen griechischen Politiker am Stinkefinger durchs Studio gezogen. (...) Das habt ihr gemacht - und der Rest ist von uns.“
Dass es den Mittelfinger in dem Video doch gegeben haben dürfte, ist auch in der von Varoufakis getwitterten ungeschnittenen Aufnahme zu sehen. Er präsentierte es als das „unmanipulierte“ Video. Nach etwa 40 Minuten taucht der Mittelfinger im Bild auf. Und selbst der Kameramann des Videos gab vor einigen Tagen an, dass die bei Jauch gezeigte Sequenz mit dem Mittelfinger echt sei.
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