Wahrscheinlicher nächster Finanzminister
Israels politische Landschaft hat sich vor der am Dienstag stattfindenden vorgezogenen Parlamentswahl in den letzten Wochen klar sortiert: Auf der einen Seite steht der rechtskonservative Regierungschef Benjamin Netanjahu, seine Likud-Partei und deren Verbündete - auf der anderen Seite der sozialdemokratische Herausforderer Jizchak Herzog und sein Mitte-links-Bündnis HaMahane haZioni (Das Zionistische Lager).
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Zahlreiche kleine und gar nicht so kleine Parteien haben sich bereits einer der beiden Seiten angeschlossen - etwa HaBeit haJehudi (Das jüdische Haus) von Naftali Bennett dem Likud und Jair Lapids Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft) dem Zionistischen Lager. Manche Kleinstparteien bleiben im Wahlkampf auf dem Zaun sitzen und halten sich für die Regierungsbildung alle Optionen offen - ihnen kommt aber aber mit ihren voraussichtlichen Mandaten kein entscheidendes Gewicht zu.
Fast alle Trümpfe
All dies führt dazu, dass ein „Newcomer“ vermutlich die meisten Trümpfe nach dem Dienstag in der Hand halten wird: Der sozialkonservative Mosche Kachlon mit seiner vor wenigen Monaten neu gegründeten Partei Kulanu (Wir alle) dürfte allen Umfragen zufolge zum alleinigen Königsmacher werden - entsprechend heftig wurde er in den letzten Wochen bereits umworben.
Kachlon seinerseits hütete sich natürlich, einer Seite klar den Vorzug zu geben und betonte: Er werde jener Koalition, die seine politische Agenda am meisten umsetze, den Vorzug geben. Kachlons Kulanu werden in Umfragen mindestens acht Mandate gegeben - diese fehlen sowohl dem von Netanjahu geführten Rechts- wie auch dem von Herzog geführten Mitte-links-Lager. Sowohl Netanjahu als auch Herzog hätten ihm bereits das Finanzministerium angeboten - er habe sich aber nicht festgelegt, versichert Kachlon.
Kampf gegen soziale Kluft
Kachlons bisheriges Programm besteht aus einem Punkt, und zwar der Verringerung der in Israel krassen sozialen Unterschiede. Die Senkung der hohen Lebenshaltungskosten will er insbesondere durch den Kampf gegen Monopolbildungen erreichen. Dabei genießt Kachlon hohe Glaubwürdigkeit aus seiner Zeit als Minister für Medien und Nachrichtenwesen ab 2009.
Ihm gelang es, den Mobilfunkmarkt, der bis dahin von drei Anbietern beherrscht worden war, für den Wettbewerb zu öffnen. Diese Deregulierung brachte den Verbrauchern spürbare Preissenkungen. Kulanu verspricht, diese Erfolgsstrategie auch bei den galoppierenden Mieten und Immobilienpreisen anzuwenden.
Comeback nach Politauszeit
Kachlon war seit 2003 Parlamentsabgeordneter für den gemäßigten Flügel von Netanjahus Likud-Partei. Ab 2011 übernahm er zusätzlich das Amt des Sozialministers und kämpfte gegen hohe Bankgebühren und Stromkosten. Völlig überraschend kündigte das mittlerweile höchst beliebte Kabinettsmitglied dann im Herbst 2012 an, eine politische Auszeit zu nehmen. Als sich zwei Jahre später stark vorgezogene Parlamentswahlen abzeichneten, verließ Kachlon den Likud und suchte Mitstreiter für sein sozialkonservatives Projekt.
Seine soziale Orientierung erklärt sich auch aus seiner Biografie als orientalischer Jude: Die Eltern wanderten aus Libyen nach Israel ein. Am 19. November 1960 in der Küstenstadt Chadera geboren, wuchs Kachlon mit sechs Geschwistern unter ärmlichen Verhältnissen auf. Nach achtjährigem Wehrdienst im Artilleriekorps studierte er Politologie und danach noch Jus - eine gute Grundlage für eine politische Laufbahn.
Doch trotz seines rundum positiven Images wurde seine Parlamentskarriere dadurch gebremst, dass er kein mitreißender Redner ist, wie Kommentatoren anmerken.
Wenig Profil bei israelisch-palästinensischem Konflikt
Weitgehend profillos blieb Kachlon außerdem lange Zeit beim zweiten großen Dauerthema in Israel. Zur Sicherheitspolitik und zum Konflikt mit den Palästinensern hat er sich erst im Dezember vorsichtig geäußert. Im Gespräch mit jungen Parteiaktivisten bekannte er in Tel Aviv: „Ich bin ein Likud-Produkt, und meine Weltsicht ist zentristisch, mit leichter Rechtstendenz. Aber der wahre Likudnik weiß, wie man Land für Frieden hergibt.“
Äußerte sich Kachlon als Regierungsmitglied noch eher unnachgiebig, wenn es um Siedlungsausbau oder mögliche Kompromisse im Nahost-Konflikt ging, scheint er seine zweijährige Denkpause für eine Selbstprüfung in diesen Fragen genutzt zu haben. Dafür spricht auch, dass er Michael Oren auf den sicheren vierten Platz seiner Liste holte.
Für Zweistaatenlösung
Oren, der von 2009 bis 2013 unter Netanjahu als Botschafter in Washington diente, ist heute einer der versiertesten Kritiker des derzeitigen Regierungskurses im Nahost-Konflikt. Er tritt offensiv für die Bildung eines unabhängigen Palästinenserstaates neben Israel ein. Auch Kachlon erklärt inzwischen die Zweistaatenlösung zum erstrebenswerten Ziel. Deshalb scheint trotz seiner langen Likud-Vergangenheit völlig offen, wen er nach einem erwartbar knappen Wahlausgang zum neuen „König von Israel“ krönen will.
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