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Kampf um mehr Gewicht

Die arabischen Israelis machen knapp 21 Prozent der Bevölkerung aus. Ihre Stimmen könnten den Ausgang der Wahl am 17. März entscheidend beeinflussen. Doch viele von ihnen lehnen es ab, zu wählen. Ein aussichtsreicher neuer Parteien-Zusammenschluss soll dies ändern.

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Hassan Dschabarin hat ein breites Grinsen im Gesicht. „Islamisten, Kommunisten, Säkulare und Juden, alle in einer Partei“, sagt er. „Anderswo bringen sie einander um!“ Der Anwalt und Menschenrechtsaktivist hat als Vermittler dazu beigetragen, dass sich Ende Jänner die vier arabischen Parteien Israels erstmals zusammenschlossen: Die Balad-Partei, die Vereinigte Arabische Liste, die Taal-Partei und die jüdisch-arabische Partei Hadasch bilden nun eine gemeinsame Liste. Mit ihr treten sie bei der Wahl am 17. März an.

Auslöser für den Zusammenschluss war die Sorge, die Parteien könnten es im Alleingang nicht schaffen, die von zwei auf 3,25 Prozent angehobene Sperrklausel bei den Parlamentswahlen zu überwinden.

Wahlbeteiligung sinkt ständig

In Israel leben rund 1,7 Millionen Araber, die knapp 21 Prozent der Bevölkerung von 8,2 Millionen Israelis ausmachen. Sie könnten den Ausgang jeder Wahl beeinflussen. Doch viele arabische Israelis entscheiden sich dagegen, ihre Stimme abzugeben. Ihre Wahlbeteiligung hat seit den späten 1990er Jahren und der Zeit des zweiten Palästinenseraufstands Intifada, der im Jahre 2000 begann, stetig abgenommen. Bei den letzten Wahlen 2013 lag sie bei nur noch 56 Prozent.

„Das heutige Israel ist ein Apartheid-System. An der Wahl teilzunehmen würde bedeuten, dieses System zu legitimieren“, sagt Ahmed Chalifeh von Abna al-Balad (Söhne des Landes), einer Bewegung, die zum Boykott der Wahlen im März aufruft - trotz der neuen Liste.

15 Mandate als Ziel

Die arabisch-israelischen Politiker akzeptieren das Argument nicht. „Die Frage ist doch: Wollen wir uns selbst isolieren? Oder kämpfen wir gemeinsam für stärkere Präsenz in der israelischen Öffentlichkeit?“, entgegnet Aiman Auda, der die neue Liste anführt.

Er und seine Kollegen hoffen, den Boykott durch ihren Zusammenschluss beenden zu können. Im aktuellen Parlament haben sie zusammen zwölf von insgesamt 120 Sitzen. Im März wollen sie nun 15 Mandate gewinnen. Ihr Ziel: die Opposition in Israel anführen. Es könnte ihnen gelingen. Jüngste Umfragen sehen sie als drittstärkste Fraktion hinter der Mitte-links-Opposition - dem Zionistischen Lager - und der Likud-Partei von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Viele Gegensätze unter einem Hut

Ob die arabischen Parteien auch Teil der Regierung werden könnten? „Auf keinen Fall werden wir Teil einer Koalition“, sagte Auda in der Wahlkampfzentrale in Nazareth. „Keine Regierung wäre reif genug dafür, uns als Partner anzuerkennen.“

Obwohl die vier Parteien gemeinsame Interessen und den Einsatz für die palästinensische Sache teilen, trennt sie auch eine Menge. Moderate Abgeordnete stehen nun gemeinsam mit Islamisten auf einer Liste.

Ein gemeinsames Ziel

„Natürlich gibt es innerhalb der Liste große Differenzen“, erklärt die streitbare Abgeordnete Hanan Soabi, die auf Platz sieben der Liste steht und wegen stark propalästinensischer Äußerungen für viele rechtsorientierte Israelis eine Hassfigur darstellt. „Aber die sind für unsere Arbeit im Parlament gar nicht relevant.“ Für die Opposition gibt es schließlich keinen Fraktionszwang. Die Liste will sich in der Knesset vor allem für ein Ende der Besatzung und die Rechte der Palästinenser einsetzen - und darauf können sich alle arabischen Parteien einigen.

Soabi wünscht sich, dass die Vereinte Liste die Apathie unter den arabischen Israelis beenden kann. Die Aussicht auf eine starke Vertretung in der Knesset soll sie dazu animieren, zu wählen. Dementsprechend lautet der Slogan des Zusammenschlusses „Der Wille des Volkes“.

„Ignorant, aber glücklich“

Gegenüber der Wahlkampfzentrale in der Innenstadt von Nazareth blickt Lin Schomar mit Argwohn auf die Wahlplakate. Die 37-Jährige ist ausgebildete Juristin und zweifache Mutter. Sie besitzt das Cafe Mama, das sich anfühlt wie ein kleines Stück Europa: An den Wänden hängen Familienfotos, in einer Vitrine werden Kuchen und Torten präsentiert, aus den Lautsprechern dringt westliche Musik - mitten in diesem arabisch geprägten Teil Israels.

Viele Jahre lang habe sie gar nicht gewählt, sagt die arabische Israelin. „Dieses Jahr werde ich meine Stimme der Arabischen Liste geben.“ Dass sich die Situation für die arabischen Israelis verändert, glaubt sie aber nicht. „Ich habe keine Erwartungen. Ich glaube nicht mehr an Politiker“, sagt Schomar. „Ich habe entschieden, ignorant, aber dafür glücklich zu sein.“

Eva Schulz, dpa

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