Keine Leistungsverbesserung der Schüler
Eine durchwachsene Bilanz zieht der einigen Medien vorliegende Evaluierungsbericht zur Neuen Mittelschule (NMS). In den ersten Jahrgängen wurden zwar verbesserter Unterricht und ein Rückgang an Gewalt in der Schule verzeichnet, diese verbesserte Lernumwelt habe aber nicht durchgehend zu besseren Leistungen der Schüler und einer höheren Bildungsgerechtigkeit geführt, heißt es im Bericht.
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„Die veränderte und verbesserte Schul- und Lernumwelt wirkt sich jedoch nicht durchgehend und nicht konsistent in verbesserten Leistungen bzw. Zuwächsen im fachlichen und im überfachlichen Bereich aus. Insgesamt gibt es keine belastbaren Hinweise, dass das Niveau der NMS im Durchschnitt über jenem vergleichbarer Hauptschulen liegt. Vielmehr bestehen Zweifel, ob dieses an allen Standorten tatsächlich erreicht wird“, heißt es im von dem Erziehungswissenschaftler Ferdinand Eder von der Universität Salzburg und Kollegen erstellten Bericht.
„Nur teilweise“ mehr Chancengleichheit
Sehr wohl Leistungsverbesserungen wurden nur im ersten NMS-Jahrgang bzw. jenen „Modellklassen“ registriert, in denen das NMS-Konzept intensiver umgesetzt wurde. Auch die gesellschaftspolitischen Ziele wurden nur bedingt erreicht: „Erwartete Begleitfolgen der NMS hinsichtlich Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit treten nur teilweise ein“, heißt es. „Die Wirkung der bekannten Ungleichheitsfaktoren - Geschlecht, familiäre Herkunft, unterschiedliches Leistungspotenzial der Schülerinnen und Schüler - unterscheidet sich nicht substanziell von jener in der Hauptschule. Für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund könnte es hingegen ein kleiner Vorteil sein, eine NMS zu besuchen.“
Anlaufschwierigkeiten wirken sich aus
Der Bericht liefert auch Erklärungen, warum die Ziele nur teilweise erreicht wurden: Einerseits beziehe sich die Evaluierung nur auf die Anfangsjahrgänge der NMS. In diesen seien die Lehrer zwar stark engagiert gewesen, allerdings habe es noch einen „Mangel an wissenschaftlich abgesichertem Wissen und an praktikablen Konzepten gegeben“. Deshalb sei das NMS-Konzept an mehr als der Hälfte der Standorte nur unzureichend umgesetzt worden. „Aus den Analysen gibt es Hinweise, dass in den Modell- und Plusklassen, wo eine intensivere Umsetzung erfolgt ist, die Ergebnisse insgesamt etwas günstiger liegen.“
„Konkurrenz zu etablierten Schulformen“
Die fehlende Zielerreichung führen die Autoren auch darauf zurück, dass die NMS „nicht als Ersatz, sondern in Konkurrenz zu etablierten Schulformen eingeführt und (dass) - wie sich zeigt - sozial selektiv ausgewählt wurde. Der Anspruch, eine sozial und mit Blick auf Bildungsvoraussetzungen ausgewogen durchmischte Schülerschaft anzuziehen, konnte unter diesen Bedingungen - von einzelnen Standorten abgesehen - nicht eingelöst werden.“
Daten der Bildungsdokumentation zeigen einen „geringfügigen Zuwachs“ der NMS-Absolventen (gegenüber Hauptschulabgängern) beim Übertritt in Oberstufengymnasien - „eine Verringerung der Zugangsfrequenz zur Unterstufe der AHS zugunsten der NMS ließ sich nicht feststellen“. Das bedeutet im Endeffekt, dass die NMS als nicht attraktiver als die Hauptschule empfunden wurde.
FPÖ hält Heinisch-Hosek für rücktrittsreif
Für FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz ist mit dem NMS-Evaluierungsbericht „das Vorzeigeprojekt sozialistischer Bildungsreformwut mit Bomben und Granaten durchgefallen“. Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) ist nach Ansicht von Rosenkranz rücktrittsreif.
Jetzt seien die Spitzen des Staates gefordert, klare Worte und Entscheidungen zu finden, meinte Rosenkranz Dienstagabend in einer Aussendung. „Selbst der Bundespräsident kann sich angesichts des Desasters in der Bildungspolitik nicht mehr verschweigen.“ Und Bundeskanzler Werner Faymann solle sich „besser heute als morgen“ ernste Gedanken über die Besetzung des Bildungsministeriums machen. „Was unseren Kindern derzeit unter dem Titel Bildungsreform seitens der SPÖ angetan wird, wiegt schwerer als jeder Hypo-Skandal. Und die ÖVP trägt ihr Scherflein dazu bei“, sagte der FPÖ-Bildungssprecher.
Auf frühere Evaluierung verzichtet
Eine Evaluierung war eigentlich schon geplant gewesen, bevor der Schulversuch nach vier Jahren ins Regelschulwesen übernommen wurde. Darauf wurde aber verzichtet. Durchgeführt wurde diese wissenschaftliche Evaluierung nun von einem Konsortium mehrerer Universitäten unter der Leitung des bereits emeritierten Erziehungswissenschaftlers Ferdinand Eder von der Universität Salzburg. Auch die Uni Wien und das Bundesinstitut für Bildungsforschung (BIFIE) waren beteiligt.
Dabei wurden die Leistungen und die überfachlichen Kompetenzen der ersten beiden NMS-Generationen analysiert. Das BIFIE sollte die organisatorischen Rahmenbedingungen schaffen, nahm aber nicht an der Datenauswertung und der Erarbeitung der inhaltlichen Ergebnisse teil.
Der Evaluierungsprozess war komplex. Es seien nicht zufällig gezogene „Versuchsschulen“ zu bewerten gewesen, sondern nominierte Schulen oder solche, die sich aus unterschiedlichen Gründen zur Teilnahme entschlossen haben, erklärte Eder schon zu Beginn des Prozesses vor rund einem Jahr. Dadurch seien auch manche Bundesländer stärker repräsentiert als andere, was „Verzerrungen gegenüber der Gesamtheit der Standorte“ ergebe.
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