Niedergang begann vor zwei Jahren
Die „MS Deutschland“ war jahrelang Drehort der ZDF-Fernsehserie „Das Traumschiff“. Mittlerweile handelt es sich aber eher um ein Alptraumschiff. Die Reederei ist insolvent, und auf dem Schiff lasten Schulden in Millionenhöhe. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird bei der am Freitag beginnenden Gläubigerversammlung über die Zukunft beraten. Die Chancen auf den Weiterbetrieb stehen schlecht.
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Zu Jahresbeginn hat das Amtsgericht Eutin (Schleswig-Holstein) das Insolvenzverfahren über die Vermögen der MS Deutschland Beteiligungsgesellschaft mbH und der Reederei Peter Deilmann GmbH, für die das Schiff mit deutscher Flagge fährt, eröffnet. Die aktuellen Verbindlichkeiten werden mit rund 60 Millionen Euro für die Beteiligungsgesellschaft und rund zwei Millionen Euro für die Reederei beziffert. Am Freitag kommt es nun im Amtsgericht zur ersten Gläubigerversammlung beider Gesellschaften. Zwei Drittel der Geldgeber sind Privatanleger, auch eine Pensionskasse ist dabei.
Alle Reisen wurden bereits abgesagt
Vieles deutet darauf hin, dass das Kreuzfahrtschiff nicht mehr gerettet werden kann - bereits Ende Jänner wurden alle geplanten Reisen für das heurige Jahr abgesagt. „Leider haben wir keinen Investor gefunden, der uns in der Kürze der Zeit ausreichende Finanzierungsnachweise für ihre teilweise attraktiven Angebote liefern konnte, um die Durchführung der Reisen und des nötigen Werftaufenthalts zu garantieren“, so Insolvenzverwalter Reinhold Schmid-Sperber in einer Pressemitteilung.
Im Vorfeld der Gläubigerversammlung war in verschiedenen deutschen Medien zu lesen, dass die Gläubiger nicht mehr gewillt seien, neues Geld lockerzumachen. „Banken könnten deshalb auf das Abwracken dringen, um wenigstens den Schrottwert von geschätzten drei bis fünf Millionen Euro zu sichern“, sagte Daniel Bauer, Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) in einer Presseaussendung Anfang Februar.
Jahrelanger Filmdrehort
Die „MS Deutschland“ ist das einzige Hochseekreuzfahrtschiff, das unter deutscher Flagge fährt. In Kiel wurde das Schiff von der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG 1996 gebaut. 1998 lief es vom Stapel. Das Schiff ist 175 Meter lang und kann bis zu 480 Passagiere aufnehmen. Ab 1999 diente es auch als Drehort für die ZDF-Serie „Das Traumschiff“. Im November 2014 kündigte das ZDF aufgrund der Insolvenz der Betreibergesellschaft und der dadurch abgesagten Reisen die Zusammenarbeit auf.
Niemand will die Schulden übernehmen
Ein Käufer für die „MS Deutschland“ hat sich bisher nicht gefunden. Ein angeblicher Deal mit US-Investoren platzte laut deutschen Medien Ende Jänner. Zuvor wurden Japaner, Scheichs und Reiseveranstalter als Käufer gehandelt. Angebliche Angebote reichten von einem Euro bis 50 Millionen. „Die Käufer weigerten sich aber stets, die Schulden zu übernehmen“, sagte Schmid-Sperber.
Derzeit liegt der weiße Ozeanriese in Gibraltar vor Anker. Die 48 Mitarbeiter der Reederei wurden bereits gekündigt. „Die Reederei konnte die Gehälter nicht mehr bezahlen“, sagte Schmid-Sperber. Die 50-köpfige Stammbesetzung wird vorerst noch weiterbeschäftigt, um bis zur endgültigen Entscheidung den Betrieb sicherzustellen. Doch auch dort tickt die Uhr. Laut Bauer kostet der bloße Betrieb pro Tag 17.000 Euro. „Zum Abwracken müsste das Schiff eventuell sogar geschleppt werden. Es sei denn, für den fälligen großen TÜV finden sich zwei Millionen Euro“, sagte Bauer, der als Ergebnis der Gläubigerversammlung auch eine Versteigerung für ein mögliches Szenario hält. „Diese dürfte etwa zwölf Millionen Euro bringen“, so Bauer.
Nicht auf dem neuesten Stand der Technik
Trotz der Einnahmen durch Kreuzfahrten und für die Filmaufnahmen durch das ZDF entpuppte sich die „MS Deutschland“ in den letzten Jahren als Flopp, auch wenn sie noch im Oktober 2012 mit einem Verkehrswert von 100 Millionen US-Dollar bewertet wurde. Damals brachten die Eigentümer für insgesamt 60 Millionen Euro eine Schiffsanleihe unter die Anleger. Diese galt anfangs als sicheres und lukratives Investment.
Doch vor zwei Jahren erlitt das Schiff einen Bilanzverlust in Höhe von fünf Millionen Euro. Den Grund dafür sehen Experten darin, dass das mittlerweile 17 Jahre alte Schiff zu alt und zu teuer sei und auch nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik.
480 Passagiere finden Platz, die neuen Riesenkreuzfahrtschiffe können dagegen 3.000 bis 4.000 Gäste transportieren. „Es gelang nicht mehr, so viele Neukunden wie erhofft zu gewinnen. Dadurch ging es mit den Umsätzen rapide bergab“, zitierte der „Kölner-Stadt-Anzeiger“ Experten Ende des Vorjahres. Die Ratingagentur Scope stufte Anfang 2014 die Anleihe dramatisch herunter: von einst „A“ (gute Bonität) auf „BBB-“. Das ist eine Stufe vor „Ramsch“. Mit den Umsatzrückgängen war der Insolvenzantrag Ende 2014 die logische Folge.
Das „Traumschiff“ freilich pflügt weiter durch die hohe See: Nachfolgerin der „MS Deutschland“ ist das Kreuzfahrtschiff „MS Amadea“.
Franz Hollauf, ORF.at
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