Warnung vor hohen „Kosten“ für Moskau
Im Ukraine-Konflikt hat US-Präsident Barack Obama am Dienstagabend einen dringenden Appell an Russland gerichtet und gleichzeitig vor einem Scheitern der jüngsten Friedensinitiative gewarnt. Berichte über eine Einigung auf einen Waffenstillstand wurden rasch wieder dementiert.
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Das Weiße Haus berichtete, Obama habe vor dem Vierergipfel zum Ukraine-Konflikt am Mittwoch in der weißrussischen Hauptstadt Minsk - daran nehmen der russische Präsident Wladimir Putin, sein ukrainischer Amtskollege Petro Poroschenko, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Francois Hollande teil - mit Putin telefoniert.
Dabei habe er betont, dass für die Vereinigten Staaten die Souveränität der Ukraine unantastbar sei. Obama habe dem russischen Präsidenten auch geraten, bei den Friedensgesprächen die Chance zu ergreifen. Wenn Moskau weiter „aggressiv“ handle, „die Entsendung von Truppen, Waffen und finanziellen Mitteln inklusive“, so würden „die Kosten für Russland steigen“.
Dutzende Tote bei Raketenangriff
Tatsächlich war es im Vorfeld des Minsker Gipfels am Montag und Dienstag zu schweren Kämpfen gekommen, bei denen binnen 24 Stunden mehr als 30 Menschen starben, die meisten davon bei einem Raketenangriff auf die Stadt Kramatorsk. Dort seien nach dem Einschlag mehrerer Raketen russischer Bauart mindestens 15 Menschen ums Leben gekommen und über 60 verletzt worden, hieß es.
Nach Armeeangaben wurden die Raketen aus Gorliwka im Bezirk Donezk abgefeuert. Die Rebellen wiesen die Verantwortung dafür zurück und sprachen von einer „Provokation“. Kramatorsk wurde im Juni von den Regierungstruppen zurückerobert und steht eigentlich fest unter Kontrolle der ukrainischen Armee. Die Frontlinie, an der in den vergangenen Wochen die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen erneut eskalierten, verläuft rund 50 Kilometer weiter östlich.
Ein Zentrum der Gefechte ist seit Wochen außerdem die Stadt Debalzewe. Am Dienstag teilten die Rebellen mit, sie stünden unmittelbar davor, die Regierungstruppen in dem Ort von allen Seiten einzuschließen. Debalzewe ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. In der von den Rebellen belagerten Stadt wurden mehrere Menschen durch Artilleriebeschuss getötet.
Angst vor Landkorridor auf die Krim
Die ukrainische Armee eroberte hingegen bei einer Offensive um die Hafenstadt Mariupol nach eigenen Angaben drei Dörfer, zwei weitere waren demnach umkämpft. Nach Angaben des nationalen Sicherheitsrats durchbrachen ukrainische Soldaten die Linien der Separatisten. Mariupol liegt zwischen der russischen Grenze und der von Russland im März annektierten Halbinsel Krim.
In der Hafenstadt waren unlängst bei einem Raketenangriff mehr als 30 Menschen getötet worden. Der Westen macht dafür Separatisten verantwortlich und befürchtet, dass die Aufständischen einen Sturm auf die Stadt starten könnten. Sollte Mariupol fallen, könnte ein Landkorridor zwischen der Stadt und der Krim entstehen. Die EU und die NATO werfen Russland vor, die Separatisten militärisch zu unterstützen. Russland weist das zurück.
Moskau lässt Soldaten aufmarschieren
Dafür demonstrierte Moskau einen Tag vor dem Krisengipfel in Minsk einmal mehr militärische Stärke. Die Nachrichtenagentur Interfax meldete am Dienstag, rund 2.000 Spähtruppsoldaten hätten ein Manöver in Südrussland begonnen. Es sei für einen Monat angesetzt. Russlands südlicher Militärbezirk grenzt an die Ukraine. Auch auf der von Russland annektierten Krim hätten mehr als 600 Soldaten eine Militärübung gestartet, meldete die Nachrichtenagentur RIA Nowosti unter Berufung auf die Schwarzmeerflotte.
Scheitert der Gipfel am Mittwoch, muss sich Russland auf weitere Sanktionen einstellen. Eine Ausweitung der entsprechenden Liste wurde von den EU-Außenministern bereits am Montag beschlossen. Die neuen Maßnahmen sollen aber erst in einer Woche in Kraft treten.
Diskussion über Waffenlieferungen
Ebenso dürfte bei einem Scheitern des Gipfels eine neue Diskussion über Waffenlieferungen an die Ukraine drohen. Die Debatte wird im Westen kontrovers geführt. Große Teile der EU - allen voran Deutschland und Frankreich - lehnen Waffenlieferungen an Kiew ab. Die baltischen Staaten und die Regierung in Kiew halten hingegen an der Option fest. US-Präsident Barack Obama sprach sich am Montag nach einem Treffen mit Merkel zwar vorerst gegen eine Aufrüstung Kiews aus. Zu einem späteren Zeitpunkt wollte er diese aber nicht ausschließen.
Russlands Sicherheitsratschef Nikolai Patruschew warnte die USA mit Nachdruck vor Waffenlieferungen an die Ukraine. Die Versorgung der prowestlichen Führung mit Kriegsgerät wäre „eine weitere Bestätigung“ dafür, dass die USA ein „unmittelbarer Teilnehmer des Konflikts“ seien, sagte er. Eine Eskalation sei dann wahrscheinlich.
Bereits zuvor hatte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow die vom Westen angedrohten neuen Sanktionen und Waffenlieferungen im Ukraine-Konflikt als weiteren Versuch einer Destabilisierung verurteilt. „Russland ist ein Land, das wirklich an der Lösung der Krise interessiert ist“, sagte der Kreml-Sprecher. „Alle anderen Pläne einer Verschärfung der Sanktionen, einer Isolation (Russlands), einer Lieferung von Waffen und so weiter - das alles sind leider Schritte einer Destabilisierung der Lage in der Ukraine“, so der Kreml-Sprecher.
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