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Ein Besuch, zwei Interpretationen

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wollen über die Linie in der Griechenland-Frage nicht öffentlich streiten. Nach dem Besuch des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras zogen sie am Dienstag nach dem Ministerrat zwar unterschiedliche Schlüsse, gingen aber nicht auf das Hickhack ein, das einander ihre Parteisekretäre am Vortag geliefert hatten.

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Am Montag hatte ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel in einer Aussendung geschrieben, Faymanns Suche nach internationaler Anerkennung werde „immer peinlicher“. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos nannte im Gegenzug die ÖVP eine „Partei der Banken und Millionäre“.

Faymann kommentierte die ÖVP-Kritik am Dienstag kurz. Das „liegt unter meiner Wahrnehmungsschwelle“, sagte er. Auch Mitterlehner wollte all das „nicht überbewerten“. „Politik ist offensichtlich ein hartes Geschäft“, dass er als Schutzpatron von Banken und Millionären dargestellt werde, „ist halt so“. „Ich fühle mich nicht so“, so der Vizekanzler.

Die Sache mit der „neuen Freundschaft“

In der Sache ist die Regierungsspitze kurz vor dem EU-Gipfel am Donnerstag nicht völlig einig, auch Mitterlehner konnte sich einen Seitenhieb auf die Tsipras-Visite nicht verkneifen. „Ich weiß nicht, wie eine neue Freundschaft zu interpretieren ist“, sagte er in Richtung Tsipras, der in Faymann einen „neuen Freund“ gefunden haben will, wie er sagte. Er schaue sich vielmehr die Inhalte an, „die der neue griechische Regierungschef derzeit landauf, landab vorträgt“. Und die hätten ihn noch nicht überzeugt.

„Bedauerlicherweise machen neue Kleider noch keine neue Politik“, so Mitterlehner. Er sieht „keinen Ansatz für Reformen“, im Gegenteil, Tsipras greife etwa bei Pensionen, Mindestlohn und öffentlichem Dienst zu alten Rezepten, die Griechenland in die Misere getrieben hätten. In „bestimmten sozialen Fragen“ sei Rücksicht geboten, generell aber müsse die EU gegenüber Griechenland den „klaren Weg“, die „Schäuble-Merkel-Linie“ - das Festhalten an den vereinbarten Programmen - fortsetzen, sagte der Vizekanzler.

Faymann pocht auf Rechtsstaatlichkeit

Auch Faymann betonte, man müsse mit Griechenland „bei voller Einhaltung der Verpflichtungen“ sprechen. Doch bei Tsipras sieht er im Gegensatz zu Mitterlehner einen „grundsätzlich richtigen Ansatz“. Darunter versteht Faymann etwa Tsipras’ Aussagen zu Steuerbetrug. Man dürfe „nicht zuschauen“, dass das Geld an der breiten Bevölkerung vorbei zur „Oberschicht“ geschleust werde, meinte der Kanzler. Griechenland müsse hier das Hauptaugenmerk auf Rechtsstaatlichkeit legen. Grundsätzlich sei es nun an der EU, in Gespräche mit Griechenland einzutreten und Wege in der Schuldenfrage zu finden.

Karas wettert gegen Tsipras-Vorstellungen

Auch die österreichischen EU-Abgeordneten sind durch die Parteigrenzen uneins über die Tsipras-Forderungen nach Schuldenerleichterungen. Während Sozialdemokraten und Grüne Verständnis zeigten, sieht ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas die Gefahr eines griechischen Euro-Austritts, „wenn das Crashszenario fortgesetzt wird“.

Griechenland müsse im Juni 3,5 Milliarden Euro an Staatsanleihen und bereits im März 1,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen, während die Steuereinnahmen zurückgehen, sagte Karas. Daher dränge die Zeit für eine Lösung. Kurzzeitkredite aus dem Euro-Rettungsfonds ESM würden dem ESM-Statut widersprechen. Auch über eine Streckung der Laufzeiten der Hilfskredite sei dieses Problem nicht lösbar. Auch dass Tsipras bei seinem Besuch bei Faymann den Kampf gegen Steuerbetrug und Korruption hervorgehoben habe, „löst kurzfristig die Probleme nicht“, sagte Karas, der darin vielmehr einen „Ablenkungsversuch“ sieht. Es liege nunmehr an Griechenland, konkrete Vorschläge zu machen.

Leichtfried: Tsipras allenfalls Linkspopulist

SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried wies Kritik aus den Reihen der ÖVP an dem Treffen zwischen Faymann und Tsipras zurück. Tsipras sei kein Linksradikaler, sondern allenfalls ein Linkspopulist, sagte Leichtfried. Über gewisse Vorstellungen der griechischen Regierung müsse nunmehr verhandelt werden. Für Leichtfried zeichnet sich ab, dass es in Richtung einer Erstreckung der Fristen für die Haushaltskonsolidierung und Rückzahlung der Darlehen geht.

Die grüne Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Ulrike Lunacek, sieht mit der neuen griechischen Regierung die Chance, „aus dem Spardiktat herauszukommen“. Österreich sollte Griechenland nicht erst 2017 beim Austausch von Steuerdaten im Kampf gegen Steuerbetrug unterstützen, verlangte sie. Die SPÖ-Europaabgeordnete Karin Kadenbach begrüßte die Ansage von Tsipras’ Partei SYRIZA, das griechische Sozial- und Gesundheitssystem wieder in Ordnung zu bringen.

Vilimsky: Falsches Signal

FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky kritisierte es als „falsches Signal“ von Faymann, dass sich dieser mit Tsipras „fraternisiert“. Österreichische Steuerzahler würden mit Haftungen in Höhe von sechs Milliarden Euro in den Griechenland-Hilfen drinhängen. Griechenland müsse Flexibilität gegeben werden, aber auch ein Weg, um langfristig seine Schulden zurückzubezahlen. Auch ein Euro-Austritt Athens wäre ein möglicher Weg, sagte Vilimsky.

NEOS-Europaabgeordnete Angelika Mlinar sagte, die Haltung ihrer liberalen ALDE-Fraktion zur Reformen in Griechenland sei klar. Sie hoffe, dass sich die Lage wieder beruhige und sich Griechenland kooperativ verhalte.

Strache zeigt Verständnis für Tsipras

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ließ hingegen gewisses Verständnis für Tsipras durchblicken. Es sei die Aufgabe eines neuen Premiers, eine Tour durch Europa zu machen, um für seine Bevölkerung etwas herauszuholen, auch angesichts der Massenarbeitslosigkeit in Griechenland, sagte Strache am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Griechenland hätte allerdings von vornherein nie Mitglied der Euro-Zone werden dürfen.

Hätte Griechenland die Drachme, hätte es abwerten können, und es wäre nie zu dieser Entwicklung gekommen, meinte der FPÖ-Chef. Es gebe zwar Verträge, aber diese könne man immer noch verhandeln, so der FPÖ-Politiker. Es müsse in der Demokratie die Möglichkeit geben, Dinge der Vorgängerregierungen zu korrigieren. Die südlichen EU-Länder sollten auf Dauer den Euro verlassen, das wäre die Rettung des Euro, meinte Strache. „Wenn man so weitermacht, werden wir eine weitere Entwertung des Euro erleben, aber ich werde leider nicht gehört.“

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