In der Spezialisierung liegt die Kraft
Die Zeiten, in denen Fitnesscenter primär von Bodybuildern mit furchteinflößend modellierten Muskelpaketen besucht wurden, sind längst vorbei. Kraft- und Ausdauertraining in den Studios zählt in Österreich mittlerweile, nach Laufen und Radfahren, zu den beliebtesten Sportarten der Österreicher - Tendenz steigend.
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Nach einer Erhebung des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung (IFT) sind Fitness- und Wellnesstrainings (Kurse wie etwa Yoga und Pilates) sogar das einzig wachsende Sportsegment. Ausschlaggebend ist dafür neben einem steigenden Gesundheitsbewusstsein und der Wetterunabhängigkeit vor allem die Verbreiterung des Angebots, wie IFT-Leiter Peter Zemann gegenüber ORF.at erklärt.
„Vor allem das zunehmende Angebot der Billigketten, die gerade in den Ballungszentren neue Studios eröffnet haben, ist ein wesentlicher Grund für den Zuwachs“, so Zemann. Schon lange würde der Fitnesstrend „herbeigeschrieben“, tatsächlich manifestiert habe er sich aber erst in den letzten Jahren.
„Fitness ist auch ein Lifestyle-Thema“
Auch Gerhard Span, Obmann des Wirtschaftskammer-Fachverbands bestätigt die Tendenz, die vor allem in den letzten fünf Jahren stark zu beobachten sei. Insgesamt seien bereits 8,5 Prozent der heimischen Bevölkerung Mitglieder in einem Fitnessbetrieb. Den größten Zuwachs an Fitnessstudiomitgliedern gebe es bei Menschen im Alter 50 plus und bei den Jüngeren. „Fitness ist auch ein Lifestyle-Thema“, erklärt Span - der soziale Faktor beim Fitnessstudiobesuch dürfe nicht unterschätzt werden. Generell sei durch das breitere Angebot kein klassischer Besucher mehr auszumachen, es seien alle Bevölkerungs- und Einkommensschichten sehr gut vertreten, und auch das Geschlechterverhältnis sei quasi ausgeglichen.

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Auch wenn Krafttraining in Mode ist - längst trainieren nicht mehr nur Bodybuilder
Gesamtumsatz der Branche bleibt gleich
Auffällig dabei: Zwar steigt die Zahl der Fitnessstudios genauso wie auch jene der Mitglieder - nicht aber der Gesamtumsatz der Branche. Das liegt nicht unbedingt daran, dass das Marktpotenzial ausgeschöpft ist, sondern vielmehr daran, dass in den vergangenen Jahren vermehrt Billiganbieter auf den Markt drängen.
Insgesamt macht die Branche mit 896 gewerblich angemeldeten Fitnessbetrieben 450 Mio. Euro Umsatz pro Jahr bei 700.000 fixen Mitgliedern, die dort trainieren. In den vergangenen fünf Jahren habe es einen Zuwachs von fast 100.000 Mitgliedern gegeben. Durchschnittlich beträgt der Monatspreis rund 50 Euro.
Enorme Unterschiede bei Angeboten
Die Spanne reicht von 19,90 bis zu 130 Euro im Monat. Bevor man sich zu einer Mitgliedschaft entschließt, lohnt es sich also durchaus, die Angebote zu vergleichen und die eigenen Bedürfnisse zu analysieren. Denn in Sachen Ausstattung und Angebot unterscheiden sich die Studios enorm. Gerade bei günstigen Ketten wird oft die Strategie übernommen, die sich auch bei Billigfliegern längst durchgesetzt hat: eine völlig auf das Wesentliche heruntergebrochene Ausstattung und aufzahlungspflichtige Extras - dazu zählt manchmal schon das Duschen. Im Premiumsegment wird hingegen mit Rundumpaketen geworben, von der individuellen Trainingsbetreuung unter ärztlicher Kontrolle bis zu Wellnessangeboten wie Saunabereich und Massagen.

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Auch Gruppenkurse erfreuen sich größter Beliebtheit
Zahl der inaktiven Mitglieder rückläufig
Für Ernst Minar, Eigentümer der Premiumkette John Harris, ist der Boom der Branche, den er in den letzten zehn Jahren verstärkt beobachtet, Resultat eines gestiegenen Körperbewusstseins. Das lasse sich auch etwa daran beobachten, dass die Zahl jener Mitglieder, die sich einschreiben, dann aber selten bis gar nie auftauchen, in den letzten zwei bis drei Jahren kontinuierlich zurückgegangen sei.
Die rund 20.000 John-Harris-Kunden trainierten im Schnitt zwei- bis dreimal die Woche und besuchten auch im Sommer das Fitnessstudio, so Minar. Besonders nachgefragt würden dabei nicht nur Kraft- und Konditionstrainings, sondern vor allem auch Kursangebote und die Wellnesseinrichtungen der Studios. Die Billiganbieter sieht er nicht als Konkurrenz - zu unterschiedlich seien sowohl Preisstruktur als auch die bei John Harris gebotenen Leistungen, etwa die ständig verfügbare Betreuung durch geschulte Trainer und computergesteuerte Zirkeltrainings.
Billigketten locken vor allem jüngeres Publikum an
Auf derartige Zusatzangebote verzichtet die Billigkette Fitinn ganz bewusst - und lockt damit vor allem ein jüngeres Publikum an. Das Konzept - Kardio- und Krafttraining „ohne viel Schnickschnack“ - sei vor allem für jüngere Menschen interessant, erklärt Unternehmenssprecher Michael Stangl gegenüber ORF.at. „Etwa die Hälfte unserer Mitglieder sind zwischen 18 und 27 Jahre alt. Etwa ein Drittel ist weiblich“, so Stangl.
Auch er beobachtet bei den rund 100.000 Mitgliedern der 26 Studios österreichweit ein kontinuierliches Trainingsverhalten rund zweimal die Woche - mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Seine Kunden nutzen das Angebot als „Ersatz, Vorbereitung und Ergänzung für Outdoor-Sport“ oder für das regelmäßige Training. „Grundausdauer und ein sportlicher, gesunder Körper gehören mittlerweile einfach dazu,“ ist Stangl überzeugt.
Die Spezialisierung auf genau definierte Zielgruppen
Dass Fitnesstrainings immer attraktiver werden, liegt für WKO-Fachgruppenobmann Span auch daran, dass immer mehr Spezialstudios mit Zuschnitt auf eine genau definierte Zielgruppe entstehen. Ein Unternehmen, das mit dieser Strategie auf dem österreichischen Markt längst etabliert ist, ist die Schweizer Kette Kieser Training, die im Jahr 2000 das erste Studio in Wien eröffnete; landesweit sind derzeit rund 22.300 Mitglieder eingeschrieben.
Die klare Ausrichtung von Kieser Training liegt auf gesundheitsorientiertem Krafttraining, das „auf präventiver und therapeutischer Ebene verfolgt wird“, wie das Unternehmen gegenüber ORF.at erklärt. Auch wenn sich das Angebot an alle Altersklassen richtet, ist das durchschnittliche Alter der Mitglieder von 52 doch deutlich älter als bei den meisten anderen Ketten. Spezifisches Ausdauertraining wird bei Kieser Training nicht angeboten. „Wir konzentrieren uns auf Krafttraining und sind auf diesem Gebiet die Spezialisten. Laufen empfehlen wir draußen an der frischen Luft – jedoch mit einem zeitlichen Abstand zum Krafttraining, um dessen Effekt – den Muskelaufbau – nicht aufzuheben.“ Viele der Trainingsmaschinen bei Kieser sind Eigenentwicklungen.
Fitness für Frauen und Studios als Nahversorger
Die Diversifikation der Studios und die Konzentration auf ein ganz bestimmtes Publikum ermöglicht es jedoch auch kleinen Unternehmen - vor allem im städtischen Bereich -, sich zu positionieren. Dazu gehören Ketten, die Frauen als Zielgruppe haben, wie Mrs. Sporty, das sich ausschließlich an Frauen richtet und neben dem Training explizit auch Ernährungsberatung und Diätcoaching anbietet, und das junge Unternehmen Circle Gym, das sich mit bisher 700 Mitgliedern als Fitness-„Nahversorger“ beschreibt. In kleinen Studios können die Kunden von 6.00 bis 24.00 Uhr mittels Zugangschips ein Zirkeltraining absolvieren und während der Beratungszeiten auch die Hilfe von Trainern in Anspruch nehmen.
Auch wenn der Andrang in den Studios vor allem in der kalten Jahreszeit, nach den Feiertagen und vor der Badesaison noch immer am größten ist - die Fitnessbranche ist laut Span „mittlerweile eine wirkliche Ganzjahresbranche geworden“, in der das Wachstumspotenzial noch längst nicht ausgereizt ist.
Sophia Felbermair, ORF.at
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