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Ohne Schweiß kein Preis

Bauchwegtrainer, Wärmegürtel, Vibrationsstangen - es gibt kaum einen Haushalt, in dem nicht eines dieser „todsicheren“ Fitnessgeräte in der Ecke verstaubt. Doch obwohl schon Generationen von Männern und Frauen vergeblich auf Sixpack und Co. warteten, tut das dem Boom keinen Abbruch. Im Gegenteil, dank neuer Finanzierungsmöglichkeiten werden die Versprechen immer absurder.

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Schlanke Hüften, breite Schultern, und das alles ohne viel Zeitaufwand und Schweiß - diesen Traum haben schon viele Männer und Frauen geträumt. Spätestens seit Maschinen einen immer größeren Teil der anfallenden Arbeit übernahmen, musste sich der Mensch nach neuen körperlichen Betätigungsfeldern umsehen, um fit zu bleiben. Doch wenn Maschinen schon den Alltag erleichtern, warum dann nicht auch den beschwerlichen Weg zur Traumfigur? Eine Denkweise, die sich bis heute hartnäckig hält.

Mann mit Fitnessgerät

Corbis/Kirn Vintage Stock

Vor 150 Jahren war Training eine elitäre Angelegenheit

Teure Geräte für die noble Gesellschaft

Die ersten Fitnessgeräte wurden Mitte des 19. Jahrhunderts vom schwedischen Arzt Gustav Zander entwickelt, 1877 ging er damit in Serienproduktion. Die betuchten Damen und Herren, die sich ein Training auf den teuren Apparaturen leisten konnten, waren entsprechend elegant mit Anzug bzw. Kleid und Korsett bekleidet. Ins Schwitzen kam man auf den Geräten sowieso nicht, übernahmen doch Seilzüge und geschickt verteilte Gewichte die meiste Arbeit.

Für die wachsende Zahl an berufstätigen Frauen wurden in den 1920er und 1930er Jahren Geräte angeboten, die den kompletten Körper im Sitzen trainierten. So baute John Harvey Kellogg, Miterfinder der berühmten Frühstücksflocken, Ende des 19. Jahrhunderts ein Gerät, das einem Pferderücken samt Sattel ähnelte. Angepriesen wurde diese Erfindung mit dem großen Versprechen - ähnlich wie beim Reiten - Gesäß, Beine und Rücken gleichzeitig zu trainieren. Doch da das Gerät nicht zu sehr schaukeln durfte, war der Effekt nicht mehr als eine gute Massage.

Zanders Reitmaschine

Holger.Ellgaard unter cc by-sa

Um die Jahrhundertwende waren Reitmaschinen der letzte Schrei - diese von Zander sprach mit Damensattel besonders Frauen an

Mit dem Schütteleffekt zur schlanken Figur

Doch Schaukeln war Kellogg bald zu wenig. Der bekennende Gesundheitsfanatiker mit zum Teil sehr unorthodoxe Ansichten über gesunden Lebensstil, nutzte die Fortschritte auf dem Gebiet der Elektrizität und stellte 1900 den ersten strombetriebenen Vibrationsstuhl vor, der nicht nur den Darm reinigen, sondern auch Rückenbeschwerden und Kopfweh lindern sollte. Leider war der Stuhl so unbequem, dass ihn niemand wirklich benutzen wollte. Doch der Vibrationseffekt sollte ein paar Jahrzehnte später die Fitnessbranche revolutionieren.

Mann mit Fitnessgerät

Corbis/Underwood

Auch Männer erhofften sich durch das Rüttelband eine schmalere Taille

Vor allem Frauen wurden mit der Aussicht geködert, durch Vibrationsbänder die überschüssige Kilos quasi „wegschütteln“ zu können. In den 1950er und 1960er Jahren schossen die Figurstudios mit den „Rüttelbändern“ wie Pilze aus dem Boden. Eine Fortsetzung fand dieser Trend in diversen Vibrationsplatten die heute in einer Qualitäts- und Preisspanne von 150 Euro bis 10.000 Euro angeboten werden.

Die Crux mit den leeren Versprechungen

Den eigentlichen Durchbruch erlebten die Figurgeräte für den Hausgebrauch aber mit dem Beginn der Aerobic-Ära in den 1970er Jahren. Während sich Jane Fonda via VHS-Kassette in jedes Wohnzimmer turnte, erlebte das Geschäft mit Fitness-„Wunderwaffen“ über TV-Shoppingkanäle einen Höhenflug, der bis heute anhält. Und die Industrie wusste genau, wo sie bei ihren Kunden und Kundinnen ansetzen musste. „Während Männer vor allem zu Hanteln greifen, werden Frauen von Bauchwegprodukten angesprochen“, weiß Personaltrainer und Sportexperte Max Mittermayr.

Frau mit Fitnessgerät

Fotolia/ehrenberg-bilder

Zusammenklappbar und leicht zu verstauen - das ist das hervorstechenste Merkmal des Bauchmuskeltrainers

Und auch hier gilt: Je weniger man für den Erfolg tun muss, desto besser verkaufte sich das Produkt. Da saßen Frauen und Männer mit Elektrostimulations- und Wärmegürtel um Bauch und Bizeps entspannt auf der Couch und schwärmten von phänomenalen Muskelzuwächsen. Eine Darstellung, die so leider nicht stimmt, erklärt Mittermayr. „Könnte Wärme den Bauch wegschmelzen lassen, dann gäbe es keine dicken Saunageher mehr“, bringt es der Sportexperte auf den Punkt.

Internet als Ideenbörse

Doch trotz hartnäckig ausbleibender Erfolge sind Trainingsgeräte nach wie vor der absolute Verkaufsschlager. Und über das Internet bieten sich immer neue Absatzmärkte. Sogar für Geräte, die noch gar nicht auf dem Markt sind. Auf Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter und Indiegogo, wo Entwickler ihre Ideen vorstellen, um Geld von privaten Investoren zu lukrieren, erzielen Fitnesstools regelmäßig Rekordsummen. So konnten die Erfinder von Monkii Bar, einem Trainingsgerät, das nur aus zwei Holzgriffen und einem dünnen Seil besteht, statt der angepeilten 25.000 Dollar innerhalb kürzester Zeit 110.000 Dollar auf Kickstarter erzielen.

Anleitung von professionellem Trainer

„Alle diese Geräte sind zusammenklappbar und lassen sich leicht verstauen“, erklärt der Personaltrainer Mittermayr. So fallen sie auch nicht weiter auf, wenn sie monatelang unberührt in der Ecke liegen. Wer tatsächlich ernsthaft mit den Geräten arbeiten will, dem rät Mittermayr, am Anfang einen Trainer hinzuzuziehen. Die beigelegten Anleitungen seien für Anfänger oft nicht einfach umzusetzen und die Verletzungsgefahr daher groß. Erst bei richtiger Anleitung sei dann „auch der Trainingseffekt da“. Aber dann wird es vermutlich doch wieder anstrengend.

Gabi Greiner, ORF.at

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