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Schutz für alle „sensiblen Punkte“

Als Reaktion auf die Anschläge der vergangenen Woche und die weiterhin als sehr hoch eingeschätzte Terrorgefahr setzt Frankreich 10.000 Soldaten ein. Ein Einsatz dieser Größe im Inneren ist ein Novum.

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Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian gab die Entscheidung dafür am Montag nach Gesprächen des Sicherheitskabinetts auf Initiative von Staatspräsident Francois Hollande bekannt. Dieser habe die Streitkräfte angesichts des derzeitigen „Ausmaßes an Bedrohung“ um Unterstützung ersucht, sagte Le Drian.

Seinen Angaben nach werden die Soldaten „an sensiblen Punkten des Landes“ eingesetzt. In Frankreich ist - wie in Österreich auch - der Präsident der verfassungsgemäße Oberbefehlshaber der Armee. Zuvor hatte bereits Premierminister Manuel Valls angekündigt, wegen der unverändert kritischen Sicherheitslage bleibe die höchste Terrorwarnstufe aufrecht.

Besonderer Schutz für Synagogen

Zum Sicherheitskabinett gehören neben Valls auch die Ressortchefs Bernard Cazeneuve (Innen) und Christiane Taubira (Justiz). Valls hatte nach den Anschlägen bereits von neuen Maßnahmen gesprochen, mit denen auf die terroristische Bedrohung reagiert werden solle. Zunächst sollten Möglichkeiten für Abhörmaßnahmen verbessert werden. Islamistische Häftlinge sollten in den Gefängnissen isoliert werden. Zwei der Terroristen der Anschläge von Paris waren in ihrer Haftzeit in Kontakt.

Im Rahmen des Anti-Terror-Plans „Vigipirate“ waren bereits bisher Hunderte Soldaten als Unterstützung für Polizei und Gendarmerie, vor allem im Großraum Paris, im Einsatz. Besonderer Schutz gilt vor allem für jüdische Einrichtungen wie Schulen und Synagogen.

Vier Millionen auf den Straßen

Am Sonntag waren in Frankreich laut Angaben der Tageszeitung „Le Monde“ mehr als vier Millionen Menschen auf die Straßen gegangen, um ein Zeichen gegen den Terrorismus zu setzen. Allein in Paris gedachten bis zu 1,6 Millionen der Opfer der islamistischen Anschlagserie von voriger Woche. Laut der Zeitung waren die Kundgebungen die bisher größten in der Geschichte Frankreichs.

Dutzende Staats- und Regierungschefs aus aller Welt marschierten bei dem Demonstrationszug voran. An Hollandes rechter Seite ging Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita - am zweiten Jahrestag des Einsatzes französischer Truppen gegen den Terror in Mali. Auf der linken Seite begleitete ihn Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel. Österreich wurde beim Gedenkmarsch von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) vertreten.

Hochrangige Politiker beim Gedenkmarsch

Reuters/Philippe Wojazer

Angeführt wurde der Gedenkmarsch von der versammelten Politprominenz

„Charlie, Charlie“

Viele Demonstranten schwenkten französische Flaggen und sangen die Nationalhymne. Immer wieder wurde in Sprechchören „Charlie, Charlie“ gerufen, unzählige Demonstranten hielten Schilder mit der Aufschrift „Je suis Charlie“ in die Höhe. Mit diesem Bekenntnis demonstrieren zahllose Menschen in ganz Frankreich und weltweit seit Mittwoch für Toleranz, Demokratie und Meinungsfreiheit. Auch in Wien, Berlin, Madrid, London, Brüssel und vielen weiteren europäischen Großstädten solidarisierten sich am Sonntag Zehntausende Menschen mit den Anschlagsopfern.

Gesuchte könnte in Syrien sein

Drei islamistische Extremisten hatten zwischen Mittwoch und Freitag bei einer für Frankreich bisher beispiellosen Terrorwelle 17 Menschen getötet. Allein bei dem Angriff auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ am Mittwoch töteten sie zwölf Menschen. Am Freitag kamen sie selbst bei Polizeieinsätzen ums Leben. Nach der Frau eines Attentäters und weiteren Komplizen wird noch gefahndet. Die betreffende Frau namens Hayat Boumeddiene, die bisher auch als mögliche Mittäterin galt, soll nach Angaben der türkischen Regierung bereits Anfang Jänner in die Türkei und später nach Syrien gereist sein.

U-Ausschuss nach Anschlägen wahrscheinlich

Nach der Anschlagserie wird sich aller Voraussicht nach ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss damit befassen. „Ich denke, dass das Parlament einen Untersuchungsausschuss wollen wird über das, was passiert ist“, sagte Premierminister Valls am Montag den Sendern BFMTV und RMC. „Das ist legitim und naturgemäß.“

Der Fraktionschef der konservativen Oppositionspartei UMP, Christian Jacob, machte sich ebenfalls für einen solchen Ausschuss stark. Der Fraktionschef der regierenden Sozialisten, Bruno Le Roux, sagte, dass er das auch wolle, und fügte hinzu: „Das ganze Parlament muss einen Untersuchungsausschuss wollen.“

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