Fahndung nach Freundin eines Attentäters
Nach den islamistischen Anschlägen im Großraum Paris geht in Frankreich und anderen Staaten die Angst vor weiteren Attacken um. Die Terrorgruppe Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) drohte am Freitag laut US-Angaben bereits mit neuen Attentaten. Über die Ereignisse der vergangenen Tage und die drei getöteten Verdächtigen, die sich laut Behörden kannten, wurden indes neue Details bekannt.
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„Ihr werdet nicht mit Sicherheit gesegnet sein, so lange ihr Allah, seinen Verkünder und die Gläubigen bekämpft“, sagte der ranghohe AQAP-Vertreter Harith bin Ghazi al-Nadhari in einem Video, das von dem auf die Beobachtung islamistischer Websites spezialisierten US-Unternehmen Site veröffentlicht wurde. Frankreich gehöre zu den führenden Kräften des Unglaubens. „Es beleidigt die Propheten, setzt die Religion herab und bekämpft die Gläubigen“, sagte Nadhari.
Indiz für enge Verbindung zu AQAP
Das gut fünf Minuten lange Video wurde laut Site am Freitag ins Internet gestellt - wenige Stunden nachdem die Brüder Cherif und Said Kouachi, die den Anschlag auf die französische Satirezeitung „Charlie Hebdo“ verübt haben sollen, von der Polizei getötet worden waren. Ihnen wird vorgeworfen, am Mittwoch ein Blutbad in der Redaktion der Pariser Satirezeitung „Charlie Hebdo“ angerichtet zu haben - insgesamt zwölf Menschen wurden dort und während der Flucht der Attentäter erschossen.

APA/AP/Michel Spingler
Polizisten unmittelbar vor dem Zugriff auf die Brüder Kouachi am Freitag
Die Brüder sollen Verbindungen zu AQAP gehabt haben und wollten sich offenbar für Karikaturen des muslimischen Propheten Mohammed in „Charlie Hebdo“ rächen. Cherif Kouachi sagte dem französischen Sender BFMTV, er sei von AQAP beauftragt und finanziert worden. Nach einer Geiselnahme Freitagfrüh in einer Druckerei in der Gemeinde Dammartin-en-Goele nahe dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle wurden die 32 und 34 Jahre alten Brüder am frühen Abend von Elitepolizisten erschossen.
Polizei: Geiseln vor Beginn von Einsatz schon tot
Ein islamistischer Gesinnungsgenosse der beiden getöteten Brüder, laut Behörden der 32-jährige Amedy Coulibaly, tötete am Donnerstag am südlichen Rand von Paris eine Polizistin. Er nahm am Freitag in einem jüdischen Supermarkt im Osten von Paris mehrere Menschen als Geiseln. Bei der Erstürmung erschoss die Polizei den Mann. Vier Geiseln kamen ums Leben. Die Polizei bekräftigte in der Nacht auf Samstag, dass Coulibaly seine Geiseln schon Freitagmittag und damit vor Beginn der Erstürmung erschossen hatte.

APA/AP
Der Beginn des Polizeieinsatzes in Paris am Freitagnachmittag
Dem französischen Nachrichtensender BFM-TV war es während der Geiselnahme gelungen, mit den Attentätern in Kontakt zu treten und sie zu interviewen. Bis zum Ende des Polizeieinsatzes wurden diese Interviews allerdings nicht veröffentlicht, um niemanden zu gefährden. Auch aus den Gesprächen der Terroristen mit den Journalisten geht hervor, dass sie sich abgesprochen hatten und die Attentate gemeinsam geplant wurden - mehr dazu in oe1.ORF.at
Valls übt harsche Kritik an eigenen Behörden
Frankreichs Premierminister Manuel Valls übte noch am Freitag Kritik an der Arbeit der Sicherheitsbehörden. Der Tod von 17 unschuldigen Menschen zeige, dass offensichtlich Fehler begangen worden seien, sagte er. Marvin Hier, Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums, das sich für den Kampf gegen Antisemitismus in der Welt einsetzt, kritisierte, die Vorgänge der vergangenen Tage seien ein „Desaster“ für die französischen Geheimdienste.
Die Brüder Kouachi waren den Sicherheitsbehörden schon seit langem bekannt. Cherif war wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Dschihadistennetzwerk zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Nach Angaben eines US-Vertreters standen die Brüder zudem seit Jahren auf einer Terrorliste der USA und durften nicht in das Land einreisen. Said ließ sich den Informationen zufolge im Jahr 2011 vom Terrornetzwerk Al-Kaida im Jemen ausbilden. Coulibalys Freundin konnte entkommen, nach ihr wird weiter gefahndet.
Gedenkstunden rund um die Welt am Sonntag
Frankreichs Präsident Francois Hollande warnte am Freitagabend in einer Fernsehansprache, auch nach der Tötung der drei Täter bestehe die islamistische Bedrohung für das Land fort. Er rief alle Franzosen auf, sich einem für Sonntag angesetzten Trauermarsch anzuschließen. Zahlreiche europäische Spitzenpolitiker werden ebenfalls zu der Kundgebung erwartet. Österreich wird durch Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), Außenminister Sebastian Kurz und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) vertreten sein.
Die Regierung in Washington warnte US-Bürger in aller Welt vor anhaltenden Bedrohungen. Es sei weiterhin „ein hohes Maß an Wachsamkeit“ nötig, erklärte das Außenministerium. Viele Staats- und Regierungschefs, darunter US-Präsident Barack Obama und der australische Premierminister Tony Abbott, sicherten Frankreich Beistand zu. Am Sonntag soll es in Städten rund um die Welt Solidaritätskundgebungen geben. Auch auf dem Wiener Ballhausplatz wird um 16.00 Uhr eine Gedenkstunde stattfinden.
Spontane Mahnwachen in ganz Frankreich
Schon am Samstag kam es in ganz Frankreich zu spontanen Trauerkundgebungen. In Nizza, Pau, Orleans und anderen Städten gingen Zehntausende Menschen auf die Straße, um den Angehörigen und Freunden der Getöteten ihre Solidarität zu bekunden. Allein in der 80.000-Einwohner-Stadt Pau im Südwesten versammelten sich etwa 30.000 bis 40.000 Menschen. „Das ist eine großartige Volksbewegung“, sagte Bürgermeister Francois Bayrou. Der Marsch formierte sich hinter einem Transparent mit der Aufschrift „Wir sind alle Charlie“.
Unter demselben Motto versammelten sich im südfranzösischen Nizza zwischen 23.000 und 30.000 Menschen, die schweigend die Strandpromenade entlangzogen, bevor sie am Denkmal für die Kriegstoten Blumen niederlegten. Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi betonte, die Kundgebung sei von den Bürgern selbst und nicht von Politikern organisiert worden. In Caen in der Normandie sangen etwa 6.000 Menschen vor dem Friedensdenkmal gemeinsam das Lied „Ma Liberte“ (Meine Freiheit).
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