Deutliche Kürzung nicht zu erwarten
Das weltweite Überangebot bei gleichzeitig schwächelnder Nachfrage setzt dem Ölpreis immer stärker zu. Seit Juni verbilligte sich Öl um rund 60 Prozent. Ein Ende dieser Talfahrt ist nicht in Sicht.
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Die Internationale Energieagentur (IEA) geht davon aus, dass sich das Überangebot in der ersten Jahreshälfte 2015 auf zwei Millionen Barrel täglich vergrößern wird. Gleichzeitig senkten die Experten ihre Prognose für das Nachfragewachstum um 230.000 auf 900.000 Barrel pro Tag. Wegen des Ölpreisverfalls schraubten die Förderfirmen zwar ihre Investitionen bereits zurück, fügt die IEA hinzu. Eine baldige deutliche Kürzung der Fördermengen sei dennoch nicht zu erwarten.
Förderländer unter Druck
Zu den Leidtragenden des fallenden Ölpreises zählen die Förderländer, deren Haupteinnahmequelle der Export dieses Rohstoffs ist. Besonders hart trifft es Russland, dessen Wirtschaft zusätzlich unter den westlichen Sanktionen wegen dessen Rolle in der Ukraine-Krise leidet. Der Moskauer Aktienindex RTS brach aus diesem Grund binnen weniger Monate um rund ein Drittel ein. Gleichzeitig taumelt der Rubel zum Dollar und Euro von Rekordtief zu Rekordtief. Gleiches gilt für die nigerianische Währung Naira, obwohl die Notenbank des Landes binnen Jahresfrist etwa 20 Prozent ihre Devisenreserven für Stützungskäufe aufgewendet hat.
Venezuelas Devisenquelle versiegt
Finanzielle Schlagseite hat auch Venezuela, dessen Deviseneinnahmen zu 96 Prozent aus dem Ölexport stammen. Daher werfen Anleger die Staatsanleihen des südamerikanischen Landes in hohem Bogen aus ihren Depots. Das treibt die Rendite der Papiere mit einer Laufzeit bis 2027 auf 23,4 Prozent - im Sommer lag sie nur halb so hoch. Gleichzeitig stürzt die venezolanische Währung ab.
Die Aktienbörsen der OPEC-Staaten Saudi-Arabien und Kuwait stehen zwar ebenfalls unter Druck. Da diese beiden Staaten Rohöl aber relativ günstig fördern und immer noch Gewinn machen, halten sich die Kursverluste hier in Grenzen. Außerdem können die Regierungen in Riad und Kuwait City Einnahmeausfälle mit ihren dicken Finanzpolstern abfedern.
Aktien der Ölmultis auf Talfahrt
Auf Unternehmensseite macht die Talfahrt des Ölpreises vor allem Förderfirmen wie Exxon, BP und Co. zu schaffen. Die im europäischen Branchenindex gelisteten Firmen haben seit Jahresmitte zusammengerechnet etwa 300 Milliarden Dollar an Börsenwert eingebüßt. Das entspricht in etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung Dänemarks. Außerdem müsse für 2015 mit deutlichen Gewinneinbußen gerechnet werden. Auch die Anleihen dieser Unternehmen verlieren rapide an Wert. So hat sich die Rendite der 2017 auslaufenden Schuldverschreibungen des venezolanischen staatlichen Ölförderers PDVSA seit Juli auf derzeit mehr als 50 Prozent mehr als vervierfacht.
Energieimporteure profitieren
Profiteure der aktuellen Entwicklung sind diejenigen Staaten, die auf Energieimporte angewiesen sind. Für sie ist der Ölpreisrückgang ein Konjunkturprogramm. Zu dieser Gruppe zählen etwa die Türkei und Japan. Deren Aktienmärkte haben in den vergangenen drei Monaten prozentual zweistellige Kursgewinne verbucht.
Verbraucher stecken gespartes Geld in Konsum
Nutznießer des Ölpreisrückgangs sind unter anderem die Fluggesellschaften, für die Treibstoff ein großer Kostenfaktor ist. Die Aktien der Lufthansa, Air France und der British-Airways-Mutter IAG haben daher binnen drei Monaten zwischen 22 und 34 Prozent zugelegt. Aber auch die Konsumwerte sind im Aufwind, weil die Verbraucher immer weniger für Benzin und Heizöl ausgeben müssen. Den US-Einzelhändlern verhalf dieser Effekt bereits zu einem starken Start ins Weihnachtsgeschäft. Lebensmittelhersteller wie Nestle und Danone profitieren zudem von niedrigeren Produktionskosten.
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