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Ein „Haufen Arbeit“

Der italienische EU-Vorsitz während des letzten halben Jahres endet mit einer gemischten Bilanz. Viel ist liegengeblieben, umgekehrt muss Italien konzediert werden, dass im zweiten Halbjahr 2014 viele unvorhergesehene Extraaufgaben auftauchten - von der Eskalation der Ukraine-Krise bis zu den wachsenden Spannungen der Europäischen Union mit Großbritannien.

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Es kam offenbar von Herzen, als der italienische EU-Botschafter Stefano Sannino zum Endspurt des Ratsvorsitzes seines Landes resümierte, es sei „ein ungewöhnliches Semester“ gewesen. Der Konflikt um die Budgetnachzahlungen Großbritanniens - Premier David Cameron hatte die ausstehenden Zahlungen verweigert - sei etwa nicht absehbar gewesen. Tatsächlich verhandelte der italienische Ratsvorsitz hinter den Kulissen offenbar einen relativ tauglichen Kompromiss heraus, bei dem Cameron in der eigenen Heimat halbwegs das Gesicht behalten konnte.

Selbstkritische Töne

Cameron mag als Beispiel dafür dienen, wie schwer es zumindest im letzten Halbjahr war, die Regierungen der EU-Mitgliedsländer unter einen Hut zu bekommen. In Großbritannien macht Cameron der Erfolg der oppositionellen UKIP zu schaffen, aber auch in anderen Ländern konnten Parteien mit antieuropäisch-populistischen Positionen 2014 punkten. Italien selbst war - wie auch Österreich - zudem eines jener Euro-Länder, die sich angesichts anhaltender wirtschaftlicher Probleme merkbar schwer mit den EU-Budgetkriterien taten.

Bei der wirtschaftlichen Entwicklung und der Frage, was die EU für den Aufschwung tun könne, räumte Sannino ein, dass das Arbeitsprogramm unter den selbst gesteckten Zielen geblieben sei: „Es wäre wichtig, bis zum Jahresende eine Übersicht zu haben, wo die Union was zu tun hat.“ Auch für die Verbesserung der Kommunikation zwischen den Regierungen der EU-Mitgliedsländer und dem Europaparlament hätte er nach eigener Aussage gern mehr getan: „Die beiden Institutionen müssen einen besseren Weg finden, um miteinander zu arbeiten.“

Kompromiss bei Gentechnik erreicht

Quasi zur Entschuldigung verwies Sannino auf den Ukraine-Konflikt: Es habe der Präsidentschaft die volle Aufmerksamkeit abgefordert, die EU-Länder hier auf einheitlicher Linie zu halten: „Das war ein Haufen Arbeit.“ Mangelndes Engagement kann man Italien bei anderen Themen jedoch nicht vorwerfen. Im Bereich Soziales setzte sich der Ratsvorsitz zuletzt noch nach Kräften für die Themen Geschlechtergerechtigkeit in der Wirtschaft, Behindertenrechte und die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit ein.

Im Dezember glückte den Italienern ein Kompromiss für Regeln zum Anbau von Genpflanzen, der den tiefen Graben zwischen Befürwortern und Gegnern unter den EU-Mitgliedsstaaten zumindest nicht weiter aufreißen ließ. Die Kurzfassung: Die Staaten, die das wollen, dürfen gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen - müssen jedoch pauschal garantieren, etwaige Schäden vor allem jenen Staaten zu ersetzen, die den Anbau verweigern. Die Einigung muss allerdings noch vom EU-Parlament und den EU-Mitgliedsstaaten abgesegnet werden.

Desinteresse am Thema Roaming?

Zuletzt warf der österreichische Europaabgeordnete Paul Rübig (ÖVP) den Italienern außerdem vor, sich zu wenig um die Abschaffung der Roaminggebühren gekümmert zu haben. „Die haben uns grob abgewiesen und keinerlei Interesse“ gezeigt, zitierte die APA Rübig. Der Abgeordnete wünscht sich die ersatzlose Streichung jedweder Roaminggebühren. Er meint, die europäischen Telekomkonzerne müssten selbst zumindest an einer Reduktion der Gebühren Interesse haben, da sie durch einen Prozess vor dem EuGH noch mehr zu verlieren hätten.

Finanzverhandlungen mit Bumerangeffekt

Einmal mehr erfolglos verliefen im Dezember zudem die Verhandlungen der Gruppe jener elf Staaten innerhalb der EU, die sich grundsätzlich zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer bekannt haben. Auch Österreich ist unter diesen Staaten. Der französische Finanzminister Michel Sapin erklärte, es sei fast komplizierter, bei diesem Thema zu elft voranzukommen als mit allen 28 EU-Staaten. Italiens Finanzminister Pier Carlo Padoan forderte Lettland als neues EU-Vorsitzland auf, das Thema im ersten Halbjahr 2015 weiter zu verfolgen.

So schlecht kann der italienische Vorsitz seine Sache in der Person des Ressortzuständigen Padoan aber nicht gemacht haben: Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble schlug vor, Padoan trotz des auslaufenden italienischen EU-Vorsitzes weiter mit der Verhandlungskoordination zu betrauen. Dieser reagierte merkbar überrascht und antwortete auf Deutsch: „Vielen Dank“ und fügte hinzu, „dass Sie so nett an mich gedacht haben.“

Römische Bilanz mit innenpolitischer Schlagseite

Rom zog mit deutlicher innenpolitischer Schlagseite Bilanz über den EU-Vorsitz. Vor dem Hintergrund der italienischen Budgetprobleme erklärte Europastaatssekretär Sandro Gozi, Italien habe in der EU einen Wandel weg vom Sparkurs hin zur Wachstumspolitik eingeleitet: „Dank den Bemühungen Italiens haben wir Europa klargemacht, dass nicht alle Ausgaben negativ sind.“ Europa müsse seine gemeinsamen Ziele „den Bedürfnissen der einzelnen Länder besser anpassen“, betonte Gozi wohl im Hinblick auf Warnungen vor laxer Budgetdisziplin in der EU.

Europa müsse künftig weniger Dinge machen, die aber dafür besser, so Gozi weiter. Entbürokratisierung sei ein Schwerpunkt, den man nicht vermeiden könne. Neben Wachstumspolitik habe sich die italienische Regierung auch mit den Themen freier Energiemarkt, digitale Agenda, Klimaschutz und der Förderung einer gemeinsamen Migrationspolitik „erfolgreich auseinandergesetzt“. Als Versäumnis sah er lediglich, die EU-Annäherung von Serbien und Montenegro nicht im erwünschten Ausmaß gefördert zu haben.

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