Lyon sagt „Merci Marie“
Zauberhafte Lichtanimationen an den Fassaden, leuchtende, fantasievolle Installationen und nur ganz wenig glitzernder Weihnachtskitsch - alljährlich beeindruckt Lyon kurz vor Weihnachten mit einem Lichterfestival, das alle Dimensionen zu sprengen scheint. Rund 100 angestrahlte Häuser und Objekte, 75 Projekte von 175 Künstlern zogen an vier Abenden auch heuer mehrere Millionen Menschen an.
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Die Tradition, die vor allem in den Herbst- und Wintermonaten oft düster und neblig wirkende Hauptstadt des Departements Rhone zu erleuchten, geht bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück und ist religiösen Ursprungs: Auf dem Fourviere-Hügel errichtete man eine die Stadt überblickende Marienstatue, als Dank für Schutz und Schirm zündete man der Heiligen Jungfrau Lichter an. Daher ist Maria Empfängnis am 8. Dezember der Schlusstag der „Fete des Lumieres“. Auf der Basilika warf eine riesige Discokugel ihre Strahlen in die kalten Winternächte, und daneben war ein beleuchteter Schriftzug weithin sichtbar: „Merci Marie“.

Ville de Lyon - M. Chaulet
Vier Abende im Jahr lockt Lyon mit kunstvoller Beleuchtung die Massen an
Es scheint keine Königsidee zu sein, ein Open-Air-Festival im Winter abzuhalten. Andererseits wird es früher finster (für ein Lichtfestival wohl die entscheidende Voraussetzung), und an allen Ecken der Stadt wird wärmender Vin chaud angeboten. Die riesigen Menschenmengen, die sich am heurigen Eröffnungsabend durch die Straßen der 500.000-Einwohner-Stadt drängten, die mit 1,3 Mio. Umlandbevölkerung mit Marseille um Rang zwei hinter Paris wetteifert, verhielten sich jedenfalls friedlich und diszipliniert, der permanente Publikumswechsel vor den einzelnen Attraktionen war vorbildlich organisiert.
„Es wird jedes Jahr schwieriger“
„Das sind nicht einfach Light-and-Sound-Shows. Wir sind immer an neuen Ausdrucksformen und neuer Technologie interessiert. Wir wollen die Menschen jedes Jahr mit etwas Neuem begeistern. Und es wird jedes Jahr schwieriger“, sagte Jean-Francois Zurawick, der künstlerische Direktor des zur Gänze von der Stadtverwaltung organisierten Festivals, das auch zu einer Touristenattraktion geworden ist.
Das 2,6-Mio.-Euro-Budget wird zur Hälfte von der Stadt, zur anderen Hälfte von Sponsoren aufgebracht. Erstaunlich: Der Anteil der Stromkosten liegt nur bei ein paar tausend Euro. „Das verdanken wir der neuen LED-Technik“, sagte Georges Kepenekian, der für Kultur zuständige Vizebürgermeister. „Und natürlich werden in den Privathaushalten alle Lichter abgedreht, damit man das Spektakel draußen besser sehen kann.“
Innovative und interaktive Installationen
Lyon nimmt nicht in Anspruch, das allererste Lichtfestival Europas gewesen zu sein. Aber das größte, technisch innovativste und künstlerische kreativste sei man mit Sicherheit, geben sich die Verantwortlichen überzeugt. Poesie und Pop, Interaktion und Installationen liegen bei der „Fete des Lumieres“ eng beieinander.
Ob die Fassade der durch den spektakuläre neuen Dachaufsatz von Jean Nouvel zum Architekturwahrzeichen gewordene Oper von den Anookis, einer frechen und anarchistisch animierten Zeichentrick-Kindergang täuschend echt bespielt und dabei zerstört wurde, ob auf der Place Bellecour, dem größten verkehrsfreien Platz Europas, auf einem angestrahlten Riesenrad Leben und Werk des in Lyon geborenen Dichters Antoine de Saint-Exupery in leuchtenden Episoden erzählt wurde oder sich ein Brunnen an der Place des Jacobins in eine gigantische Laterna Magica verwandelte - keine Attraktion glich der anderen.
Know-how-Export in die ganze Welt
Stolz ist man in Lyon darauf, dass man auf die Ursprünge des Festivals nicht vergessen hat und jedes Jahr eine andere karitative Organisation von Spenden der Besuchermassen profitiert - heuer war es das Rote Kreuz. Stolz ist man auch darauf, dass man Idee und Know-how des Festivals bereits in die ganze Welt exportiert hat, von Dubai bis Moskau. Und stolz ist man auch auf eine neue Attraktion, die heuer erstmals beleuchtet wurde: das neue Musee des Confluences, das durch das österreichische Architekturbüro Coop Himmelb(l)au am Zusammenfluss von Rhone und Saone errichtet wurde.
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