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Intervention des Finanzministeriums

Das russische Finanzministerium verkauft zur Stützung des Rubels Devisenreserven. Russland sei bereit, Devisen im Wert von sieben Mrd. Dollar (5,58 Mrd. Euro) auf den Markt zu werfen. Der Verkauf könne schrittweise erfolgen. Zusammen mit dieser Ankündigung erklärte das Ministerium am Mittwoch, die Währung des Landes sei stark unterbewertet.

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Vizefinanzminister Alexej Moisejew wurde darin mit den Worten zitiert, die Regierung werde „so viele Devisen so lange wie nötig“ aus ihren Vorräten verkaufen. Damit unternimmt Russland kurz nach dem verpufften Stützungsversuch der Notenbank einen weiteren dramatischen Schritt, um den freien Fall der Währung aufzuhalten.

Nach einem Wertverlust von einem Fünftel am Vortag stabilisierte sich der Rubel am Donnerstagnachmittag und legte wieder leicht an Wert gegenüber Dollar und Euro zu. Ministerpräsident Dimitri Medwedew sagte vor Ministern und Industriellen: Russland „hat die Währungsreserven, um alle wirtschaftlichen und Produktionsziele zu erreichen“. Am 5. Dezember beliefen sich die Reserven bei der Zentralbank auf 415 Milliarden Dollar.

Moskaus Werkzeuge

Sollte der Devisenverkauf auch nicht wirken, hat die Regierung de facto nur noch zwei Möglichkeiten: Der Kapitalabfluss ins Ausland könnte per Beschluss gestoppt werden, das würde allerdings eine enorme Vertrauenskrise auslösen. Ohnehin sind aus der Vergangenheit die westlichen Investoren diesbezüglich vorsichtig. Der Vizeminister für Wirtschaftliche Entwicklung, Alexej Uljukajew, dementierte am Dienstag, dass Moskau die Verhängung von Kapitalverkehrskontrollen überlege. Auch Regierungschef Dimitri Medwedew schloss am Mittwoch Beschränkungen für Anleger auf dem russischen Devisenmarkt erneut aus. Ein anderer Schritt wäre die direkte Intervention auf dem Finanzmarkt, sprich Rubel im großen Stil aufzukaufen.

Der Preis für einen Euro hatte am Dienstag an der Moskauer Börse zeitweilig die psychologisch wichtige Marke von 100 Rubel überstiegen. Analysten sprachen von einem „schwarzen Dienstag“ für Russland und warnten vor einem „Währungskollaps“. Russische Wechselstuben orderten mittlerweile neue Anzeigentafeln, weil ihre vierstelligen Tafeln die neuen Kurse bald nicht mehr anzeigen können.

„Lage ist kritisch“

Die russische Währung, die Mitte Jänner noch bei etwa 45 Rubel je Euro lag, hat somit rund 60 Prozent ihres Wertes verloren - so etwas gab es in Russland seit den 1990er Jahren nicht mehr. „Die Lage ist kritisch“, sagte der Vizechef der Zentralbank, Sergej Schwezow. Die Rubel-Krise spreche für einen massiven Vertrauensverlust der Investoren in die Wirtschaftspolitik der Regierung, klagte der frühere Finanzminister Alexej Kudrin.

Zweimal hat die Zentralbank in Moskau binnen einer Woche die Leitzinsen dramatisch angehoben - nach einer überraschenden Sitzung in der Nacht auf Dienstag auf 17 Prozent. Es sollte ein neuer Versuch sein, die Rubel-Talfahrt zu stoppen. Zuvor hatte die Notenbank sechs Mrd. Dollar auf den Markt geworfen, um die russische Währung vor dem Verfall zu retten.

So schlecht wie ukrainische Währung

Der Rubel hat allein seit Wochenbeginn 15 Prozent seines Werts verloren. Neben der ukrainischen Währung ist der Rubel die Währung mit der schlechtesten Entwicklung - immerhin verlor sie heuer bereits mehr als 50 Prozent ihres Werts. „Das ist eine sehr gefährliche Situation, wir sind nur ein paar Schritte von einem echten Bankensturm entfernt“, kommentierte Russlands führende Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ die Entwicklung am Mittwoch.

In vielen Moskauer Geschäften etwa für Technik und Möbel gehen Händler wie in den 1990er Jahren dazu über, die Preise in „y.e.“ - einer an den Euro oder Dollar angelehnten Währungseinheit - anzugeben. Das ist per Gesetz eigentlich verboten. Es verhindert allerdings das ständig neue Auspreisen von Waren, die Händler für harte Währung im Ausland eingekauft haben. Die Preise steigen inzwischen täglich.

Sanktionen wirken

Viele Russen fühlten sich an das Chaos der 1990er Jahre erinnert, wie die Zeitung „Wedomosti“ schreibt. Vor allem Präsident Wladimir Putin verdankt seine Popularität der vergangenen Jahre einem wachsenden Wohlstand. Doch seit der Annexion der zur Ukraine gehörenden Schwarzmeer-Halbinsel Krim im März geht es bergab mit der Rohstoffmacht.

Erst drückten die Sanktionen des Westens auf die ohnehin in Teilen noch sowjetisch rückständige und von Korruption geprägte Wirtschaft. Die Strafmaßnahmen verhindern auch den Zufluss von frischem Kapital. Dann setzte der fallende Ölpreis der Energiegroßmacht zu, deren Haushalt sich traditionell zum Großteil aus den Petrodollars speist. Auch die Kapitalflucht aus dem Riesenreich erreicht Rekordwerte. Und nun kommen noch Währungsspekulanten ins Spiel.

Apple stoppt Onlineverkauf in Russland

Apple stoppte unterdessen in Russland den Onlineverkauf seiner iPhones und iPads. „Unser Onlineshop in Russland ist derzeit nicht verfügbar, und wir überarbeiten die Preise“, sagte Apple-Sprecher Alan Hely der Finanznachrichtenagentur Bloomberg. Der Rubel befindet sich auf einer rasanten Talfahrt. Zuvor hatte Apple bereits die Preise in Russland etwa für sein iPhone 6 um 25 Prozent angehoben.

Putin warnt vor Panik

Der Ex-Geheimdienstchef Putin, der vor Panik warnt und sich sonst auffallend zurückhält, hat ein hartes Vorgehen gegen die Spekulanten angedroht. Doch auch diese Drohungen helfen dem Rubel nicht. Putin wird seinem Sprecher Dimitri Peskow zufolge am Donnerstag während seiner alljährlichen großen Pressekonferenz wohl auch über die Wirtschaft des Landes sprechen. Eine außerordentliche Stellungnahme zuvor plane Putin nicht.

Die sonst eher zahme Opposition im russischen Parlament wird dagegen ungewöhnlich deutlich: Der Ultranationalist Wladimir Schirinowski von der Liberaldemokratischen Partei Russlands wetterte, Zentralbankchefin Elwira Nabiullina gehe den völlig falschen Weg mit ihrer Geldpolitik.

Run auf Devisen

Die Abgeordneten kritisieren, dass die Leute zu Panik getrieben würden, an den Wechselstuben ihr Geld gegen ausländische Währung zu tauschen. Wer gern ins Ausland reist, versucht, Angespartes noch in Devisen umzutauschen. Aber für russisches Geld gibt es täglich immer weniger Euro und Dollar. Angesichts der Krise werden Rufe nach einem Rücktritt von Medwedew lauter, der für die Wirtschaftspolitik und das Investitionsklima verantwortlich ist. Der politische Ziehsohn Putins gilt seit langem als ideenlos. Es gibt auch im Machtapparat viele, die auf dem Posten lieber den international geschätzten Ex-Finanzminister und Putin-Vertrauten Kudrin sehen würden.

Brüssel „besorgt“

Die EU-Kommission zeigte sich ihrerseits am Mittwoch besorgt über die wirtschaftliche Entwicklung in Russland. „Wir sehen alle mit großer Sorge, wie sich die russische Wirtschaft entwickelt,“ sagte ein Kommissionsvertreter am Mittwoch in Berlin. „Niemand hat ein Interesse daran, dass Russland in eine tiefe Depression stürzt“, betonte er.

Die Kommission setze sich deshalb dafür ein, dass alle Möglichkeiten genutzt würden, um in der Ukraine-Krise mit Russland ins Gespräch zu kommen. Russland müsse zu einer Konfliktlösung auf Grundlage des Minsker Abkommens zurückkehren. Bisher seien keine derartigen Schritte sichtbar.

Der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag wird sich auch mit der Frage der EU-Sanktionen gegen Russland wegen dessen Vorgehens in der Ukraine befassen. Im Gespräch ist derzeit aber nur eine Ausweitung der Sanktionen, die die von Russland annektierte Krim und prorussische Separatisten in der Ostukraine betreffen.

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