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„Furchteinflößendes Zeug“

„Uns gefällt der Gedanke selbst nicht, aber wir sind überzeugter denn je, dass wir das erforschen müssen.“ So fasst Geophysiker Matt Watson gegenüber der BBC die neue Studie dreier renommierter britischer Universitäten (Leeds, Bristol, Oxford) zum Thema Geoengineering zusammen. Es ist die erste große Untersuchung über die Durchführbarkeit und mögliche Folgen von künstlicher Klimabeeinflussung.

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Geoengineering ist in den letzten Jahren immer mehr als Möglichkeit zur Einwirkung auf den Klimawandel ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Es geht um Maßnahmen, die aus heutiger Sicht noch nach Phantasterei klingen - etwa das „Aufsaugen“ und unterirdische Binden von CO2 aus der Atmosphäre, das Versprühen von Schwefel zur künstlichen Abkühlung der Luft, das Versetzen von Meerwasser mit Eisenpartikeln zur Anregung von Planktonwachstum oder gleich die Abschattung der gesamten Erdoberfläche.

In 20 Jahren an der Tagesordnung?

„In weniger als zwei Dekaden“ werde das heute noch utopisch scheinende „Klima-Tuning“ technisch machbar sein und auch genützt werden, ist Oxford-Professor Steve Rayner überzeugt. Ob man „in weniger als zwei Dekaden weiß, ob das so eine gute Idee ist, ist eine andere Frage“. Genau diese Frage will die Studie jedoch beantworten. Vorerst sei es wesentlich einfacher, die Techniken einzusetzen, als zu wissen, was man damit auslöst, warnte Rayner.

Flugzeug über Thailand besprüht Wolken

Reuters/Sukree Sukplang

Bereits seit Jahren ist das „Abernten“ von Regenwolken durch das Versprühen von Salzen als beschränkte Form des Geoengineerings gang und gäbe

Manche der technischen Möglichkeiten könnten bei der „Bewältigung des Klimawandels helfen“, andere wohl nicht, so Rayner. Noch habe man aber nur „ein paar Inseln von Erkenntnis mitten in einem Meer von Unwissenheit“. Einig sind sich die Wissenschaftler aber schon jetzt darüber, dass Geoengineering nur eine behelfsmäßige Linderung des Klimawandels bringen könne. Die Techniken würden oft als „Heftpflaster“ für das Weltklima abgetan, meinte der Wissenschaftler; manchmal sei aber ein Heftpflaster besser als gar nichts.

„Wirklich, wirklich kompliziert“

Die erste Erkenntnis der Wissenschaftler war laut Watson, dass die Mechanismen hinter Geoengineering „wirklich, wirklich kompliziert“ sind; die zweite Erkenntnis, dass das Schrauben am Weltklima Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen erst recht in die Klimakatastrophe führen würde. Das Blockieren der Sonneneinstrahlung wäre laut einem Computermodell etwa tatsächlich möglich und in Grenzen auch zur Kühlung der Erdoberfläche effektiv - es würde aber die Niederschlagsmuster rund um die Welt ändern.

Der indische Monsun würde durch die Blockade der Sonnenstrahlen etwa aus dem Rhythmus gebracht und möglicherweise ganz ausbleiben. Auch kann man laut dem Klimaforscher Piers Foster davon ausgehen, dass die „Sahel-Zone komplett austrocknet“. Zwischen 1,2 und 4,1 Milliarden Menschen wären von den Folgen des Geoengineerigs „negativ betroffen (...), egal bei welchem Berechnungsmodell“. Und auch unter diesen Umständen wären die zu erreichenden Effekte minimal.

Effekte oft viel geringer als gedacht

Keine der Geoengineering-Simulationen ergab, dass man die Erde auf das Temperaturniveau von vor zehn Jahren herunterkühlen könnte, geht aus der Studie hervor - mit Verweis etwa auf das deutsch-indische Lohafex-Experiment im Jahr 2009, bei dem sechs Tonnen Eisenlösung in den Südatlantik gekippt wurden. Damit hätte das Planktonwachstum angekurbelt werden sollen. Der Effekt war jedoch kaum merkbar, die langfristigen Auswirkungen waren gleich null.

Trotz der düsteren Prognosen glauben die Forscher, dass die Welt auf Geoengineering bauen muss. Watson etwa meinte gegenüber der BBC, er finde „das Zeug furchteinflößend“, aber es sei immer noch besser als absolute Untätigkeit angesichts des Klimawandels. Und Forster ergänzte: Man könne sich bald auch „in einer wirklich verzweifelten Lage“ befinden, dann wären auch Möglichkeiten, die Temperaturen auch nur für zehn bis 20 Jahre herunterzukühlen, ein willkommener Zeitgewinn bis zu wirklich effektiven Entschlüssen zum Klimaschutz.

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