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Gutachten befeuert Pensionsdebatte

Fast 32 Milliarden Euro fehlen bis zum Jahr 2060 im heimischen Pensionssystem. Schon jetzt schießt der Bund acht Milliarden zu, der Anteil wird in den nächsten Jahren also deutlich erhöht werden müssen. Das ist das Ergebnis eines von der Pensionskommission am Dienstag vorgelegten Langzeitgutachtens. Rudolf Müller, der Vorsitzende der Kommission, versuchte zu beschwichtigen.

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So steige etwa die Zahl der über 65-Jährigen um 70 Prozent, die Ausgaben bis 2060 allerdings nur um 33 Prozent. Im Vergleich zum vorjährigen Gutachten sei auch eine Verbesserung eingetreten, damals sei man noch von einer Steigerung der Bundesmittel auf 5,5 Prozent bis 2060 ausgegangen, jetzt von 5,2 Prozent. Trotzdem könne man sich nicht zurücklehnen.

Im Interview mit der ZIB2 am Dienstagabend bezeichnete er die nötige Zusatzfinanzierung als „leistbar, sofern die Dinge so bleiben, wie sie sind“. Das bedeute: keine Wirtschaftskrisen oder „sonstige Katastrophen“. Aus den Daten ergebe sich kein Anlass für „Horror“. Müller ist damit optimistischer als andere Kollegen in der Kommission.

Unstimmigkeiten innerhalb der Kommission

Sie hatte das Dokument nur mit knapper Mehrheit zur Kenntnis genommen. Bei zwei Enthaltungen gab es 15 Pro- und zwölf Gegenstimmen. Müller sprach von einer „heftigen Diskussion“ und unterschiedlichen Meinungen über den Handlungsbedarf. Einstimmig angenommen wurde hingegen von der Kommission das Kurzfristgutachten. Dieses sieht eine Steigerung der Ausgaben in den nächsten fünf Jahren um 0,5 Prozent des BIP oder knapp 1,5 Milliarden Euro vor.

Er verwies darauf, dass man die Probleme seit über 20 Jahren kenne und schon verschiedene Reformschritte gesetzt habe, die „nicht ganz wirkungslos“ seien. Hauptdiskussionspunkt in der Kommission sei die unterschiedliche Bewertung der Unsicherheitsfaktoren, etwa der Wirtschaftsentwicklung, gewesen.

Nicht nur Alter hinaufsetzen

Entscheidend sei aber auch die Rolle der Unternehmen. Allein das Pensionsalter hinaufzusetzen bringe noch nichts, so Müller. Die Menschen müssten auch länger in Beschäftigung bleiben, um nicht auf Arbeitslosengeld angewiesen zu sein. Das habe sich in den letzten Jahren bereits etwas verbessert, so Müller. Außerdem müssten die Unternehmen die Gesundheit und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter fördern, um zu verhindern, dass die Zahl psychischer Erkrankungen und damit von Arbeitsunfähigkeit steigt.

Wenn es nicht gelinge, das hinzubekommen, dann „hat man gar nichts von einer Heraufsetzung des Pensionsalters, wenn man dann die Sozialleistungen auf der anderen Seite hat“. Auch sei ja das Pensionsalter nicht beliebig erhöhbar. Das Höchstalter, in dem Menschen noch arbeitsfähig sind, steige nicht in dem Maße wie die Lebenserwartung.

Müller: Reform zeigt noch nicht volle Wirkung

Der Kommissionsvorsitzende verwies darauf, dass die mit 1. Jänner 2014 in Kraft getretene Pensionsreform noch nicht ihre volle Wirkung erreicht habe. Er geht davon aus, dass das Pensionsantrittsalter weiter steigen wird. Die budgetären Auswirkungen werde man aber erst sehen, wenn auch Personen, die derzeit Rehabilitationsgeld beziehen, auf den Arbeitsmarkt zurückkehren.

Begrüßen würde es der Kommissionsvorsitzende, wenn auch die Beamtenpensionen und die Pensionskassen in dem Langfristgutachten berücksichtigt würden. Er verwies darauf, dass sich vor allem das Finanzministerium gegen eine solche Einbeziehung wende, da die Zahl der Beamten immer geringer werde und daher auch die Zahl der Beamtenpensionen sinke. Betrachte man die gesetzliche Pensionsversicherung gemeinsam mit den Beamtenpensionen, dann betrage der Mehraufwand insgesamt bis 2060 weniger als 1,5 Prozent des BIP. Deshalb kann man nach Ansicht Müllers im Prinzip nicht sagen, dass die Finanzierbarkeit gefährdet sei.

ÖVP blitzt mit Forderung nach Automatik ab

Uneinigkeit herrscht nicht nur in der Pensionskommission, sondern auch innerhalb der Regierungsparteien. Während Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Dienstag erneut betonte, für eine Pensionsautomatik einzutreten, lehnte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) das erneut ab: Kein „Automat“ solle entscheiden, sondern die Politik, sagte Faymann im Pressefoyer nach dem Ministerrat.

Schelling warnt vor „Budgetproblem“

Das Gutachten hatte schon im Vorfeld für gemischte Reaktionen gesorgt. Während Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) vor einem „Budgetproblem“ warnte, sah Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) die Sache gelassener: Die langfristige Prognose beunruhige ihn „überhaupt nicht“, sagte er vor dem Ministerrat am Dienstag.

Schelling meinte vor Beginn der Regierungssitzung, wenn die Zuschüsse zu den Pensionen das ausmachen, „was jetzt erwartet wird, bekommen wir ein echtes Budgetproblem“. Hundstorfer sagte zu dem Gutachten, dieses stelle ja eine Prognose bis ins Jahr 2060 dar und sei lediglich eine Hochrechnung. „Es ist nicht mehr und nicht weniger.“ Das Gutachten zeige einen Trend auf, so der Ressortchef - es seien aber noch wesentliche Dinge nicht darin berücksichtigt: So sei noch nicht das geplante Bonus/Malus-System, auch nicht das Pensionsmonitoring und auch nicht der Rückgang bei den Beamtenpensionen berücksichtigt.

Leitl will Anreizmodell für längeres Arbeiten

Als „nicht sehr erfreulich“ kommentierte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) das Gutachten der Pensionskommission am Rande einer Pressekonferenz am Mittwoch. Es drehe sich nun alles um die Frage: „Wie gehen wir damit um?“ Leitl forderte Anreize für Firmen und den jeweiligen Mitarbeiter. Derzeit gehe es den meisten Menschen darum, so rasch wie möglich in Pension zu gehen, „weil ein Anreiz zum längeren Arbeiten fehlt“.

Also solle „jemand, der Anspruch auf Pension hat, aber länger bleibt, ein Viertel des Pensionsanspruches erhalten. Ein weiteres Viertel soll der Arbeitgeber bekommen, und die übrigen 50 Prozent verbleiben im Pensionssystem“, so Leitls Vorschlag. „Das hieße beispielsweise: Ein Arbeitnehmer bekommt für das Jahr, das er länger bleibt, 3.000 Euro als Prämie, wie auch sein Dienstgeber. 6.000 Euro blieben im Pensionssystem“, so Leitl. Mit diesem Vorschlag sei „mehr zu erreichen als mit einem bürokratischen Bonus-Malus-System“, sagte der Wirtschaftskammer-Präsident.

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