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Für Bodo Ramelow wird es ernst

Nur nicht poltern, nur nicht stolpern: Bodo Ramelow, die Stimme der Thüringer Linken, hat sich wochenlang dezent zurückgehalten. Einen „goldenen Maulkorb“ habe er sich verpassen lassen, scherzt der 58-Jährige. Akribisch haben er und die neue, junge Parteispitze die Sondierungen mit der SPD und den Grünen vorbereitet. Die Mühe hat sich gelohnt.

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Am Mittwoch einigten sich Linke, SPD und Grüne auf ihr Regierungsprogramm für die kommenden fünf Jahre. Damit könnte Ramelow Geschichte schreiben: Als erster Ministerpräsident, den die Linke 25 Jahre nach dem Fall der Mauer ins Amt bringt. Vielleicht ist das auch nur mit ihm möglich. „Ich bin so etwas wie ein Mittler zwischen den Welten“, sagte der gebürtige Niedersachse und - in der Linken eher ungewöhnlich - evangelische Christ.

„Ich bin bereit“

In Niedersachsen und Hessen aufgewachsen und als Kaufmann ausgebildet, hat er inzwischen fast so viel Lebenszeit im Osten wie im Westen verbracht. In Thüringen wird Ramelow nach 24 Jahren Gewerkschaftsarbeit sowie Parteipolitik für die Linke von niemandem mehr vordergründig als „Wessi“ wahrgenommen. Nicht nur, weil kaum jemand mit so vielen Details über fast alles in dem kleinen Freistaat aufwarten kann wie der derzeitige Fraktionschef im Landtag.

Aus seinen Ambitionen, ja seiner Mission, Thüringen einmal zu regieren, hat er nie einen Hehl gemacht: „Ich bin bereit“, ließ er im Wahlkampf plakatieren. Nun ist er seinem Ziel, der Staatskanzlei, ein Stück näher gekommen. Jetzt spricht der spitzzüngige Linke auch wieder öffentlich und leistet sich sogar etwas Sentimentalität. „Ich bin persönlich gerührt, wie sehr sich dieses Vertrauen entwickelt hat“, kommentierte Ramelow das einstimmige SPD-Votum, Koalitionsverhandlungen mit der Linken und Grünen aufzunehmen.

Viel-Twitterer und Legastheniker

Auch im Internet lässt der Viel-Twitterer und Blogger viele an seinem Tun und Treiben teilhaben. Ramelow, der verheiratet ist und zwei Kinder aus erster Ehe hat, ist ein öffentlicher Mensch: Er bekennt sich zu seiner Legasthenie - unter der Rechtschreibschwäche habe er als Kind sehr gelitten.

Praxistest eines neuen Koalitionsmodells

Ein Ideologe als Ministerpräsident wolle er nicht werden, sagte Ramelow. Vielmehr will er den Praxistest eines für Deutschland neuen Koalitionsmodells Rot-Rot-Grün bestehen. „Wir wollen beweisen, dass wir bei Problemlösungen alltagstauglich sind.“ Und Furcht müsse niemand vor einem Ministerpräsidenten der Linken haben, findet er und verweist auf den einzigen Regierungschef der Grünen, Winfried Kretschmann: „Der hat Baden-Württemberg verändert, aber nicht in den Konkurs getrieben.“

1999 ging Ramelow für die Linke in den Thüringer Landtag. Von 2005 bis 2009 saß er im Bundestag. In dieser Zeit managte er den Zusammenschluss der damaligen Ost-PDS mit der West-WASG zur Linkspartei. Parteifreunde beschreiben ihn als „politisches Alphatier“. Er selbst liebt Tiere: Sein Terrier „Attila“ schafft es auf fast jedes Foto, das Ramelow als Privatmann zeigt.

Simone Rothe, dpa

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