„Sehr besorgt“ über brüchige Waffenruhe
Die USA und die Europäische Union sind von Berichten über neue Truppenbewegungen und Kämpfe in der Ostukraine beunruhigt. Die US-Regierung äußerte sich „sehr besorgt“ über die jüngsten schweren Gefechte und Berichte über Truppenbewegungen in den ostukrainischen Separatistengebieten. Zugleich rief sie alle Seiten auf, sich strikt an die Waffenstillstandsvereinbarung von Minsk zu halten.
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„Jeder Versuch von Separatistenkräften, zusätzliches Territorium in der Ostukraine zu besetzen, wäre ein heftiger Verstoß (...) gegen das Minsker Abkommen“, sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Bernadette Meehan, am Sonntag. Sie bekräftigte auch die Aufforderung an Russland, Zusagen von Minsk zu erfüllen, die militärische Versorgung der Rebellen einzustellen und alle Truppen aus der Ukraine abzuziehen.
EU appelliert an Putin
Die neue EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nannte die jüngsten Truppenbewegungen in den ukrainischen Separatistengebieten eine „sehr besorgniserregende Entwicklung“. Neben Soldaten würden nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auch in erheblichem Umfang schwere Waffen und Panzer in Richtung Westen verlagert, teilte die Italienerin am Sonntagabend mit. Es sei unbedingt notwendig, jede neue Eskalation zu vermeiden.
Von dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verlangte Mogherini erneut, Verantwortung bei der Lösung des Konflikts zu übernehmen. Russland müsse verhindern, dass weitere Waffen und Kämpfer in die Ostukraine gelangten. Bereits dort operierende Truppen unter russischer Kontrolle müssten zurückgezogen werden.
Steinmeier: Lage sehr ernst
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte ebenfalls vor einer neuen Zuspitzung des Konflikts im Osten der Ukraine. „Wir müssen jetzt sehr achtgeben, dass wir nicht zurückgeraten in einen Zustand auch militärischer Auseinandersetzungen, den wir schon überwunden zu haben glaubten“, sagte Steinmeier am Montag bei einem Besuch in Kasachstan. Die Konfliktparteien müssten sich auf den „Boden“ der Waffenstillstandsvereinbarungen von Minsk zurückbewegen. Steinmeier sagte in Kasachstans Hauptstadt Astana, die Lage sei leider wieder „sehr ernst“ geworden. Auch der kasachische Außenminister Jerlan Idrissow äußerte sich in dieselbe Richtung.
Die Befürchtung in der OSZE über eine Ausweitung des Konflikts ist ebenfalls groß. Er sei sehr besorgt wegen des Wiederanstiegs der Gewalt in der Ostukraine und „Aktivitäten, die zu mehr Zerbrechlichkeit führen statt einer weiteren Stabilisierung der Lage“, sagte der OSZE-Vorsitzende, der Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter, am Sonntag.
Kämpfe wieder aufgeflammt
In der Nacht auf Sonntag kam es in der Rebellenhochburg Donezk zu den heftigsten Gefechten seit der Einigung auf eine Waffenruhe Anfang September. In unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum war Artilleriefeuer zu hören. Die Kämpfe begannen gegen 2.00 Uhr (Ortszeit) und dauerten zunächst unvermindert an. Sonntagfrüh waren die Gefechte weniger intensiv. Prorussische Separatisten warfen den Regierungstruppen die gezielte Zerstörung von Wohnvierteln mit Brandbomben vor.
Bei neuen Gefechten zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten seien mindestens zwei Soldaten getötet worden. Fünf seien innerhalb von 24 Stunden verletzt worden, teilte Sicherheitsratssprecher Andrej Lyssenko am Montag in Kiew mit. Kämpfe gab es demnach auf dem Flughafen der Separatistenhochburg Donezk sowie bei den Städten Debalzewe und Slawjanoserbsk. Insgesamt starben in dem Konflikt im Osten der Ukraine bereits etwa 4.000 Menschen.
Militärisches Gerät Richtung Donezk unterwegs
Eine Kolonne mit schwerem militärischem Gerät bewegte sich am Montag auf die ostukrainische Rebellenhochburg Donezk zu. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten unter anderem von mehr als einem Dutzend Lastwagen, mindestens sechs Panzern sowie Haubitzen. Die Lastwagen waren ohne Kennzeichen unterwegs. Bereits in den vergangenen Tagen hatte es Berichte über massive Truppenverstärkungen in den Rebellengebieten in der Ostukraine gegeben.
„Die vergangene Woche war geprägt von einer Zunahme des Beschusses und dem Heranschaffen zusätzlicher Truppen, Munition, Ausrüstung und Personal an terroristische Gruppen“, sagte Andrej Lyssenko, Sprecher der ukrainischen Armee. Die OSZE berichtete konkret von einem Konvoi aus 40 Fahrzeugen, darunter 19 schwere Lkws, die Geschütze mit 122-Millimeter-Kalibern zogen. Die Insassen hätten dunkelgrüne Uniformen ohne Abzeichen getragen.
Aufständische weisen Berichte zurück
Die Herkunft der Fahrzeuge sei nicht auszumachen gewesen. Eine französische Nachrichtenagentur berichtete von Lkw-Kolonnen mit Geschützen nahe der Stadt Makijiwka. In Kiew zeigte man sich abermals sicher, dass sie aus Russland kämen, sagte Lyssenko - ein Vorwurf, den auch westliche Länder wiederholt an die Adresse Moskaus richteten.
Der Vizekommandant der Aufständischen, Eduard Bassurin, hatte bereits am Sonntag die Berichte zurückgewiesen. Bei dem von der OSZE beobachteten Konvoi handle es sich um eine notwendige Rotation der Aufständischen, sagte er in der Separatistenhochburg Donezk.
Charkiw: Anschlag auf Soldatenbar
Bei einer Explosion in einer von ukrainischen Soldaten frequentierten Bar in Charkiw im Osten des Landes wurden elf Menschen verletzt. Es seien Ermittlungen wegen „Terrorismus“ aufgenommen worden, teilten die Behörden am Montag mit. Diese würden vom nationalen Sicherheitsdienst SBU geleitet.
Durch die Detonation in der Bar Stena (Mauer) im Stadtzentrum wurden nach amtlichen Angaben am Sonntagabend elf Menschen verletzt, zwei von ihnen schwer. Barbesitzer Michail Oserow sprach gegenüber den Medien unmittelbar nach der Explosion von einem „Terrorakt“. Dieser hänge wahrscheinlich damit zusammen, dass die Bar Spenden für den Kampf ukrainischer Soldaten gegen von Kiew abtrünnige Rebellen in den benachbarten Industriegebieten von Donezk und Lugansk sammle.
Charkiw ist die zweitgrößte Stadt der Ukraine nach Kiew. Von den Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Aufständischen blieb sie bisher verschont. Das Zusammenleben von Anhängern und Gegnern der Kiewer Regierung in der ehemaligen ukrainischen Hauptstadt nahe der Grenze zu Russland ist aber zunehmend angespannt.
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