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7.000 Ballone und „Ode an die Freude“

Mehr als eine Million Menschen haben am Sonntag in Berlin den Mauerfall vor 25 Jahren gefeiert. Damals, am 9. November 1989, war die Grenze zwischen der BRD und der DDR geöffnet worden. Zum Gedenken an diesen historischen Moment fiel sie nun ein zweites Mal: Knapp 7.000 weiße Ballone, die seit Freitag den Verlauf der einstigen Mauer nachgezeichnet hatten, stiegen am Abend in den Himmel.

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Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor am Vormittag beim zentralen Gedenken am ehemaligen Todesstreifen bzw. an der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße von einer Botschaft für die Welt gesprochen: „Träume können wahr werden. Nichts muss so bleiben, wie es ist.“ Aber auch die Erinnerung an die Opfer der deutschen Teilung und Sorgen wegen der weltpolitischen Konflikte prägten den Festtag.

Gedenkfeiern zum Mauerfall in Berlin

Reuters/View

Die Lichtgrenze (im Bild vor dem Brandenburger Tor) löste sich am Abend auf

Insbesondere die Ukraine-Krise und die Spannungen mit Russland warfen einen Schatten auf die Feststimmung. Merkel betonte: „Wir können die Dinge zum Guten wenden.“ Diese Botschaft richte sich besonders an die Menschen in der Ukraine, in Syrien und im Irak und in vielen anderen Regionen, „in denen Freiheits- und Menschenrechte bedroht oder mit Füßen getreten werden“.

„Verneigen uns vor den Opfern der Mauer“

Der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit erinnerte an die Opfer des DDR-Regimes und der SED-Diktatur. „Wir verneigen uns vor den Opfern der Mauer und vor den vielen Menschen, die als Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft in der DDR und allen Ländern des Ostblocks unermessliches Leid erfahren mussten“, sagte er.

Gedenkfeiern zum Mauerfall in Berlin

Reuters/Michael Dalde

Knapp 7.000 Ballone zeichneten den seinerzeitigen Mauerverlauf nach

Zum Jubiläum des Mauerfalls waren Hunderttausende Menschen aus aller Welt nach Berlin gekommen, wo am Wochenende mit zahlreichen Veranstaltungen an die Ereignisse des 9. Novembers 1989 erinnert wurde. Hauptattraktion war allerdings die Lichtinstallation, die seit Freitag den Verlauf der Mauer nachgezeichnet hatte. Als die Ballone am Abend in den Himmel aufstiegen und sich so die Grenze erneut auflöste - diesmal symbolisch -, erklang Beethovens „Ode an die Freude“, gespielt von der Staatskapelle Berlin unter Leitung von Daniel Barenboim.

Bürgerfest wegen Überfüllung geschlossen

Wegen Überfüllung waren schon vorher die Zugänge zum Bürgerfest unter dem Motto „Mut zur Freiheit“ geschlossen worden. Am Nachmittag fand ein Festakt des Landes Berlin im Konzerthaus am Gendarmenmarkt statt. Zuvor hatte der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck, der auch zum Bürgerfest gekommen war, die Zeit vor 25 Jahren als die bewegendsten Tage seines Lebens bezeichnet. Er erinnerte aber auch an „den Schmerz und die Zerrissenheit“, die die Menschen damals erfüllt hätten. "Bevor wir auf den Straßen getanzt und „Wahnsinn" gebrüllt haben, waren wir eingehüllt in unsere Ängste“, sagte Gauck, seinerzeit Pastor in Rostock.

Wolf Biermann auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor

Reuters/Michael Dalde

Der DDR-Kritiker und Liedermacher Wolf Biermann beim Bürgerfest

Standing Ovations für „Gorbi“

Der ehemalige sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow und der frühere polnische Gewerkschaftsführer Lech Walesa wurden als Festgäste mit stürmischem Beifall empfangen. Mit Standing Ovations bedachte die Menge insbesondere den 83-jährigen Friedensnobelpreisträger Gorbatschow, der als einer der Väter der deutschen Einheit gilt. Später erinnerten am Brandenburger Tor „Gorbi, Gorbi“-Rufe an die Zeit des Mauerfalls.

Der ehemalige sowjetische Staats- und Regierungschef Michail Gorbatschow

AP/Michael Sohn

Der frühere sowjetische Staatschef Gorbatschow gilt als einer der Väter der deutschen Wiedervereinigung

Gorbatschow hatte zuvor allerdings nicht mit Kritik am Westen gespart. „Die Welt ist an der Schwelle zu einem neuen Kalten Krieg. Manche sagen, er hat schon begonnen“, hatte er am Samstag bei einer Diskussionsveranstaltung mit Blick auf den Ukraine-Konflikt gesagt. Der Friedensnobelpreisträger warf dem Westen und insbesondere den USA vor, ihre Versprechen nach der Wende 1989 nicht gehalten zu haben.

Merkel würdigte bei der zentralen Gedenkveranstaltung ausdrücklich die demokratischen Bewegungen in den östlichen Nachbarländern und die Politik von Gorbatschow als Voraussetzung für die Wende. Weitere Mauern könnten eingerissen werden, sagte Merkel - „Mauern der Diktatur, der Gewalt, der Ideologien, der Feindschaften“.

Zahlreiche Gedenkfeiern an der einstigen Grenze

Auch an zahlreichen anderen Orten entlang der einstigen innerdeutschen Grenze wurde an die historischen Ereignisse erinnert. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und ihr hessischer Amtskollege Volker Bouffier überquerten die „Brücke der Einheit“ über die Werra und legten am ehemaligen Grenzstreifen Kränze für die Maueropfer nieder.

In Helmstedt und am ehemaligen Grenzübergang Marienborn erinnerten die Regierungen von Sachsen-Anhalt und Niedersachsen an die Ereignisse vor 25 Jahren. Mehr als 100.000 DDR-Bürger hatten von 1961 bis 1989 die Flucht über die innerdeutsche Grenze versucht. Über 600 von ihnen kamen ums Leben, mindestens 136 starben allein an der Berliner Mauer. Sie teilte die Stadt 28 Jahre lang.

Das Haus im Osten, der Gehsteig davor im Westen

Insbesondere die Bernauer Straße, wo am Sonntag die offiziellen Gedenkfeiern begonnen hatten, galt seinerzeit als Symbol der deutschen Teilung. Nach dem Mauerbau 1961 gehörten die Häuser auf einer Straßenseite zum Osten, der Gehsteig davor zum Westen. Damals spielten sich dort dramatische Szenen ab: Auch Tage nach dem Mauerbau versuchten Menschen dort noch, aus den Fenstern ihrer Häuser in den Westen zu springen.

Papst Franziskus äußerte in Rom die Hoffnung, dass weitere Mauern zu Fall gebracht werden könnten. „Wir brauchen Brücken, keine Mauern“, rief er den Gläubigen auf dem Petersplatz zu. Der Fall der Mauer hatte auch auf die Kirchen massive Auswirkungen - mehr dazu in religion.ORF.at. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte, Europa „eine Herzensangelegenheit“ werden zu lassen. „Mehr denn je muss Europa seiner Verantwortung zur Wahrung von Frieden und Freiheit gerecht werden.“

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