Hoffen auf Kompromisse
Nach der verheerenden Niederlage seiner Demokraten bei den Kongresswahlen setzt Präsident Barack Obama auf Zweckoptimismus. Er will mit den Republikanern zusammenarbeiten, um seine verbleibende Amtszeit sinnvoll zu nutzen. Das Vorhaben kann in manchen Bereichen leicht gelingen - in anderen aber zu einer Herkulesaufgabe werden.
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„Lasst uns bei den Dingen anfangen, bei denen wir einer Meinung sind“, sagte Obama am Mittwoch bei seiner ersten Pressekonferenz nach den Kongresswahlen. Er wolle jeden Moment der nächsten zwei Jahre nutzen, „um den bestmöglichen Job zu machen“, so der Präsident, der sich sichtlich pragmatisch gab. Er wolle bei Vorhaben aus dem Kongress nicht darauf achten, von welcher Partei sie kämen, sondern ob sie den Amerikanern nutzen, so das Versprechen. „Ich bin begierig darauf, mit dem neuen Kongress zu arbeiten, um die kommenden zwei Jahre so produktiv wie möglich zu machen.“
Beschwören der „gleichen Ziele“
Tatsächlich hat Obama kaum eine andere Wahl. Mit ihrer Mehrheit in beiden Kammern können die Republikaner die Agenda im Kongress nun gestalten, wenn nicht gar diktieren. Obama bemühte sich so am Mittwoch auch gleich, Beispiele für mögliche Kompromissthemen zu nennen: Bei der Schaffung gut bezahlter Jobs, Infrastrukturmaßnahmen oder dem Ausbau der US-Exporte, haben er und die Republikaner die gleichen Ziele, so der Präsident.
Weiterhin soll die Autorisierung des Einsatzes gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) im Kongress erneuert werden. Noch in der Wahlnacht hatte Obama die Anführer beider Parteien und Kongresskammern für Freitag zu einem Treffen eingeladen.
Teils versöhnliche Töne schlugen im Laufe des Mittwochs auch die Wahlgewinner an. Der zukünftige republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, deutete eine Kompromissbereitschaft seiner Partei an. „Nur weil wir ein Zweiparteiensystem haben, bedeutet das nicht, dass wir in ewigem Konflikt leben müssen“, sagte der 72-Jährige. „Wir haben eine Verpflichtung, bei Themen zusammenzuarbeiten.“ Auch der republikanische Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, gab sich pragmatisch. „Die Leute wollen, dass Dinge erledigt werden“, so Christie, der als Präsidentschaftskandidat für die Wahl 2016 gehandelt wird.
Noch harte Kämpfe auszufechten
Während in der Haushaltspolitik, in der Energiepolitik und in Steuerfragen ein Übereinkommen von Präsident und Republikanern durchaus möglich ist, muss sich Obama in anderen Bereichen freilich auf gehörigen Gegenwind einstellen. So wird erwartet, dass sich die Republikaner etwa gegen den Präsidenten für eine Pipeline von Kanada bis zum Golf von Mexiko und die Rücknahme von CO2-Auflagen einsetzen werden.
Darüber hinaus wittern die Abgeordneten der Grand Old Party nach ihrem Wahlsieg die Chance, Obamas Gesundheitsreform zumindest in Teilen rückgängig zu machen. Bereits am Mittwoch signalisierte McConnell, gegen das republikanische Hassobjekt schlechthin vorzugehen. „Ich glaube, wir werden dieses Thema auf verschiedene Weise angehen“, sagte er am Mittwoch. „Wenn ich könnte, würde ich es abschaffen.“
„Notfalls mit präsidialen Verordnungen“
Ein weiterer Konfliktherd dürfte sich bei der von Obama anvisierten Einwanderungsreform auftun. Das weiß der Präsident auch selbst. So fand Obama neben aller signalisierter Kompromissbereitschaft am Mittwochabend auch schärfere Worte: Er werde notfalls mit präsidialen Verordnungen am Kongress vorbeiregieren, falls es bis Jahresende keine Einigung bei einer Einwanderungsreform geben sollte, so der US-Präsident. Warten werde er nicht. „Ich habe genug Geduld gezeigt.“
Präsidiale Verordnungen sind in der US-Politik so etwas wie das Mittel letzter Wahl. Sie ermöglichen es dem Präsidenten, zumindest ein wenig am Kongress vorbei zu regieren. Auf Dauer ist das allerdings mühsam und nur in kleinen Schritten möglich. Große Würfe sind damit so gut wie ausgeschlossen.
Keine Narrenfreiheit für Republikaner
Freilich müssen auch die Republikaner aufpassen, sich nicht zu sehr auf eine Verweigerungspolitik einzulassen. Denn die könnte ihnen bei der Präsidentschaftswahl in zwei Jahren auf die Füße fallen. Können in diesem Fall doch die Demokraten in ihrem Wahlkampf die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Kongress ganz einfach den Republikanern umhängen. Vielen Politbeobachtern gilt bei US-Präsidentenwahlen eine Mehrheit im Senat grundsätzlich als Hemmschuh.
Darüber hinaus sind die Republikaner bei vielen Gesetzen auf die Zustimmung der Demokraten angewiesen. Denn die haben im Senat immer noch mehr als 40 der 100 Sitze - und damit eine Sperrminorität. Gesetze können wegen der Geschäftsordnung nur mit Zustimmung von 60 Senatoren verabschiedet werden. Und am Ende kann Obama gegen jeden Vorstoß aus dem Kongress ein Veto einlegen. Dann ist es aber freilich der Präsident, der sich in seine letzten zwei Jahre im Amt den Vorwurf des Blockierers gefallen lassen muss.
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