Spitzentreffen mit Putin und Poroschenko
Im Bemühen um Frieden in der Ukraine sind Freitagfrüh führende EU-Politiker am Rande des Europa-Asien-Gipfels (ASEM) in Mailand mit Russlands Staatschef Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zusammengekommen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel verhandelte im Vorfeld knapp zweieinhalb Stunden lang mit Putin.
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„Es bestehen weiterhin ernste Differenzen mit Blick auf den Ursprung des internen ukrainischen Konflikts ebenso wie zu den tiefen Ursachen dessen, was derzeit passiert“, sagte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow in der Nacht auf Freitag. Merkel und Putin hätten über die Kontrolle der Waffenruhe in der Ostukraine und die Gasversorgung gesprochen.
Ein deutscher Regierungssprecher sagte, man habe die verschiedenen Aspekte der bisher unzureichenden Umsetzung der Minsker Vereinbarungen thematisiert - zum Beispiel einen vollständigen Waffenstillstand, die Grenzkontrollen und die Organisation von Kommunalwahlen in Donezk und Lugansk nach ukrainischem Recht. Die Diskussionen darüber würden nun im größeren Kreis fortgesetzt.
„Schritt nach vorne gemacht“
Freitagvormittag fand auf Einladung von Italiens Regierungschef Matteo Renzi ein Frühstück statt, an dem neben Merkel, Putin und Poroschenko auch der französische Präsident Francois Hollande, der britische Premierminister David Cameron, EU-Kommissionschef Jose Manuel Durao Barroso und EU-Ratspräsident Herman van Rompuy teilnahmen. Die Spitzenpolitiker berieten eineinhalb Stunden über die Lage in der Ukraine. Nach Angaben des italenienischen Regierungschefs erzielten die Teilnehmer dabei erste Fortschritte. „Ich glaube, wir haben einen Schritt nach vorne gemacht“, sagte Renzi nach dem Treffen. Zugleich sprach er von konstruktiven Diskussionen.

APA/AP/Daniel Dal Zennaro
Der Freitag begann in Mailand mit einem Treffen zur Ukraine-Krise
Merkel kam zur Vorbereitung am Donnerstagabend in Mailand erst mit Poroschenko und anschließend mit Putin zusammen. Gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten forderte die deutsche Kanzlerin eine vollständige Umsetzung des Anfang September in der weißrussischen Hauptstadt Minsk vereinbarten Friedensplans, der insbesondere eine Waffenruhe vorsieht, die jedoch regelmäßig von beiden Seiten gebrochen wird.
Peskow sagte, Merkel und Putin hätten bei ihrem „detaillierten“ Gespräch eingehend die Umsetzung des Minsker Abkommens besprochen. Putin hatte am Wochenende den Abzug der mehr als 17.600 russischen Soldaten von der Grenze zur Ukraine angeordnet und damit einer zentralen Forderung der EU entsprochen. Auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wird am Freitag mit dem ukrainischen und dem russischen Präsidenten Gespräche führen.
Verschärfte Töne
Unmittelbar vor dem geplanten Spitzentreffen hatten Russland und Deutschland die Tonlage verschärft. Putin drohte Europa mit einer Drosselung der Gaslieferung, falls die derzeit von der Versorgung abgeschnittene Ukraine Transitpipelines anzapfen sollte. Merkel forderte ihrerseits von Russland, die Vereinbarungen eines Friedensplans für die Ostukraine umzusetzen.

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Merkel und Hollande könnten eine wichtige Vermittlerrolle einnehmen
Zudem sieht die NATO noch keine Anzeichen für den angekündigten Abzug russischer Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine. „Bisher haben wir keine größeren und bedeutenden Bewegungen gesehen“, sagte ein Offizier des westlichen Verteidigungsbündnisses am Donnerstagabend laut dpa. Putin hatte zuvor erklärt, rund 17.600 Soldaten aus der Grenzregion abziehen zu wollen, was von Beobachtern bereits als Zeichen der Entspannung gewertet wurde. Ungeachtet dessen bezeichnete auch Putin die in Mailand angesetzten Spitzentreffen als „echte Gelegenheit“, die sich nun aufgetan habe, „die militärischen Konfrontationen, im Grund einen Bürgerkrieg, zu stoppen“.
Putin droht USA
Doch das allein reicht dem Westen nicht aus, von den Sanktionen abzugehen. Es gebe noch „sehr, sehr große Defizite“ bei der Umsetzung des Friedensplans, kritisierte Merkel. Zum einen sind mit dem Rückzug der russischen Soldaten nicht alle Forderungen des Westens an Moskau wie „funktionsfähige“ Grenzkontrollen und ein Austausch von Gefangenen erfüllt. Zum anderen hatte Putin in den vergangenen Monaten vor internationalen Treffen und Sanktionsdrohungen immer wieder Schritte des Entgegenkommens gezeigt, diese aber später zurückgenommen.
Auch die Anfang September vereinbarte Waffenruhe zwischen ukrainischen Truppen und prorussischen Separatisten hält nicht. Bei fast täglichen Kämpfen starben seither mehr als 300 Menschen. Trotz beschwichtigender Signale verzichtete Putin auch im Vorfeld des ASEM-Gipfels nicht auf harsche Rhetorik. Er warf US-Präsident Barack Obama aufgrund der Wirtschaftssanktionen eine „feindselige“ Haltung gegenüber Russland und „Erpressung“ vor und drohte den USA indirekt. Jeder müsse verstehen, dass ein Zerwürfnis zwischen zwei großen Atommächten Folgen für die Stabilität habe: „Wir hoffen, unsere Partner begreifen die Rücksichtslosigkeit der Erpressungsversuche gegen Russland.“
Faymann: „Auf uns wird gehört“
Offen ist, was mit Diplomatie nun erreicht werden kann. Abseits der größeren Gesprächsrunden wird es am Rande des ASEM-Gipfels jedenfalls zahlreiche bilaterale Treffen zur Ukraine-Krise geben. Vieraugengespräche sind am Freitag auch zwischen Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Poroschenko und im Anschluss zwischen Faymann und Putin geplant. Faymann sieht gute Vermittlungsmöglichkeiten für Österreich: „Als neutrales Land sind wir anerkannt, auf uns wird gehört. Das müssen wir nützen, um für eine friedliche Lösung im Ukraine-Konflikt zu arbeiten.“ Entscheidend sei eine effektive Überwachung der Waffenruhe.
Auch der ehemalige Sowjetpräsident Michail Gorbatschow hofft auf Entspannung beim ASEM-Gipfel. Er forderte ein Ende der westlichen Sanktionspolitik: „Niemand darf sich auf einen neuen Kalten Krieg einlassen.“ Noch vor dem Gipfel hatte Merkel deutliche Worte Richtung Putin gefunden: „Den entscheidenden Beitrag zur Deeskalation muss Russland leisten. Wir werden auch weiterhin keinerlei Zweifel daran lassen, dass die Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine und der Bruch des Völkerrechts nicht folgenlos bleiben.“
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