Themenüberblick

„Ich bin ein Freund der Menschen“

Der weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannte Karikaturist Manfred Deix ist tot. Der Niederösterreicher starb am Samstag 67-jährig. Das bestätigte der Direktor des Karikaturmuseums Krems, Gottfried Gusenbauer, am Montag gegenüber der APA. Der Künstler erlag einer langen, schweren Krankheit: Das Karikaturmuseum berief sich auf Marietta Deix, die Witwe des Künstlers.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

In den vergangenen Jahren hatte es immer wieder beunruhigende Nachrichten über seinen Gesundheitszustand gegeben, 2014 musste eine Buchpräsentation nach einem Zusammenbruch kurzfristig verschoben werden. Über vier Jahrzehnte hinweg - und damit für viele ihr ganzes Leben lang - kommentierte Deix Zeitgeschehen, Gesellschaft und Politik mit seiner bitterbösen Satire.

Kirche und „Nackerpatzerl“, vom Start weg

Dass „Deixfigur“ zu einem Eintrag im Österreichischen Wörterbuch wurde, hatte sich der Grafiker hart erarbeitet: Angesichts des „Deix-Museums“ im niederösterreichischen Krems, zahlreicher Ehrungen und einer Vielzahl von Publikationen ist in den Hintergrund getreten, dass sich Deix wegen seiner schonungslosen Darstellungen der Verhältnisse in der eigenen Heimat unzählige Diffamierungen, Prozesse und Anfeindungen gefallen lassen musste, was ihm Belastung und Genuss gleichermaßen war.

Deix war nie etwas anderes als Karikaturist. Schon als Bub zeichnete er regelmäßig Comics, die - was angesichts seines späteren Werks nicht einer gewissen Ironie entbehrt - in der „Niederösterreichischen Kirchenzeitung“ veröffentlicht wurden. Dass er schon davor „Nackerpatzerl“-Zeichnungen für ein paar Groschen an Volksschulkollegen verhökert haben will, mag wahr sein oder Teil der zeitlebens gepflegten und ausgeschmückten Selbstinszenierung als Bürgerschreck und Enfant terrible.

Maler Gottfried Helnwein,  Kabarettist Lukas Resetarits und  Maler und Cartoonist Manfred Deix

APA/Herbert Pfarrhofer

Deix (r.) mit Maler Gottfried Helnwein (l.) und Kabarettist Lukas Resetarits bei der Feier zu seinem 65. Geburtstag am 22. Februar 2014

Undiszipliniert war Deix aber tatsächlich. Aus der Höheren Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt wurde er laut eigener Aussage wegen „Schulschwänzens“ geworfen, ihm blieben aber lebenslange Freundschaften mit seinen Schulkollegen, dem Maler Gottfried Helnwein und „Zirkus Roncalli“-Leiter Bernhard Paul. Ein anschließend begonnenes Studium an der Akademie der Bildenden Künste gab er schließlich 1975 auf. Zu diesem Zeitpunkt war er - beginnend mit Cartoons im „profil“ ab 1972 - aber ohnehin schon „der Deix“.

„Ich zeichne, rauche, saufe“

Deix’ Rücksichtslosigkeit sich selbst gegenüber bedeutete jahrzehntelangen Raubbau am eigenen Körper. Die Selbstbeschreibung „ich zeichne, rauche, saufe“ kam nicht von ungefähr. Seit den späten 80er Jahren hatte Deix mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, die er jedoch großteils mit Verachtung strafte.

Seine Pose als chaotischer Bürgerschreck, der alkoholgeschwängert in seinem von Dutzenden Katzen bevölkerten Haus im Westen Wiens „Beachboys“ hörend jeder Abgabefrist hinterherhechelt, kontrastierte jedoch mit seinem Werk, das bei genauerer Betrachtung das eines unbeirrbaren Humanisten und Moralisten war. Gerade die Umarmung durch die Massen ab den späten 80er Jahren kommentierte er oft mit einer gewissen Selbstverachtung („Ich bin von der Pubertät direkt in die Altenpartie hineingeraten und habe die Mittelstufe irgendwie übergangen“).

Lebenslang kampflustig

Schon der große Satiriker Helmut Qualtinger hatte die österreichische Eigenart beklagt, auch die bösartigsten Attacken durch Mitlachen in die harmlose Ecke abzuschieben. Deix erging es nicht anders - aber erst, als die Zielscheiben seiner Cartoons wegen seiner gestiegenen Popularität nicht mehr anders konnten. Davor war Deix einer der am meisten angefeindeten Proponenten der heimischen publizistischen Landschaft, wovon viele Prozesse zeugten, die etwa die FPÖ und die katholische Kirche gegen ihn anstrengten.

Maler und Cartoonist Manfred Deix und seine Frau Marietta

APA/Herbert Pfarrhofer

Deix und Ehefrau Marietta, Partnerin über Jahrzehnte hinweg

Deix malte dabei niemals gegen die Schwachen an, sondern gegen Rassismus, Sexismus, Bigotterie, Korruption und Spießbürgertum. Große Worte passten freilich nicht zu dem Bild, das Deix von sich selbst zeichnete. Da verschanzte er sich lieber in einer Persiflage auf sich selbst: „Ich bin harmlos (...) Ich bin ein alter Freund des Lebens, ich bin ein Freund der Menschen.“ Die Kampfeslust lebte er dafür in den Rechtsstreitigkeiten mit seinen Gegnern aus - etwa durch die Garantie an den damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider im Jahr 1989, dass ihm jede Beleidigung des als „Arsch“ titulierten Poltikers 50.000 Schilling wert sei.

Manfred Deix gestorben

Bekannt wurde Deix mit seinen bissigen Cartoons und seinem erbarmungslosen Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen.

Ein Blick hinter die Fassade

Ganz selten ließ Deix erkennen, dass er nicht beiläufig Provokationen unters Volk bringen wollte, sondern etwas aussagen - etwa, als er 1994 einmal mehr von der Kirche geklagt wurde. Stein des Anstoßes war damals eine Karikatur, in der spekulative Bücher über Jesus persifliert wurden. Deix malte, was seiner Ansicht nach noch kommen könnte: Jesus als Schürzenjäger, Jesus als Zornbinkel und Jesus als Jammerlappen. Konflikte scheute Deix nie - zornig machte es ihn aber, wenn seine Cartoons in ein falsches Licht gerückt wurden.

Programmhinweis

Der ORF ändert in memoriam Manfred Deix sein Programm - mehr dazu in kundendienst.ORF.at.

Ein sich als äußerst bibelfest erweisender Deix versuchte dem Richter und den Kirchenvertretern damals klarzumachen, dass der Cartoon „ein Sympathiebeweis für Jesus Christus“ sei. Wenn man die Arbeit als Satiriker ernst nehme, könne man eben „nicht Everybody’s Darling sein“ und müsse „gewisse Freiheiten“ haben. Als er erkennen musste, dass seine Argumente nicht verstanden wurden, wartete er die folgende Verurteilung nicht mehr ab und verließ das Gericht mit den Worten: „Ich verabschiede mich. Ich bin beleidigt worden. Tschüss, bye-bye!“

Lukas Zimmer, ORF.at

Links: