Kurden sollen Hügel zurückerobert haben
Zur Unterstützung der kurdischen Kämpfer in der nordsyrischen Grenzstadt Kobane (arabisch: Ain al-Arab) hat die internationale Koalition neue Luftangriffe gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geflogen. Wie die syrischen Menschenrechtsbeobachter am Dienstag mitteilten, wurden mindestens drei Stellungen der Dschihadisten im Osten der Stadt getroffen.
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Die Gefechte zwischen kurdischen Kämpfern und den sunnitischen IS-Extremisten gingen den Angaben zufolge mit unverminderter Heftigkeit weiter. Idris Nassan, Vizesprecher für auswärtige Angelegenheiten in Kobane, sagte der Nachrichtenagentur dpa, dass kurdische Kämpfer dank der Luftschläge einen strategisch wichtigen Hügel sieben Kilometer von der Grenzstadt entfernt zurückerobern konnten.
In anderen Teilen Syriens flogen derweil auch Kampfflugzeuge der Regierung von Präsident Baschar al-Assad massive Angriffe auf oppositionelle Kämpfer. Innerhalb von 24 Stunden zählten die Menschenrechtsbeobachter landesweit rund 100 solcher Luftschläge.
IS im Zentrum Kobanes
Nach Angaben von Aktivisten am Vortag war es der IS-Miliz erstmals gelungen, ins Zentrum von Kobane vorzurücken. Die IS-Kämpfer hätten das Kulturzentrum von Kobane erobert und sich in der Stadtmitte festgesetzt, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Montagabend mit. Die IS-Milizionäre seien vom Osten aus in der Stadt vorgerückt und kontrollierten nun die Hälfte der einstigen Kurdenhochburg, erklärte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman.
Die Stadt an der Grenze zur Türkei wurde am Montag von drei schweren Explosionen erschüttert. Der Beobachtungsstelle zufolge handelte es sich um Autobomben, am Steuer der Autos seien Selbstmordattentäter des IS gesessen. Die Beobachtungsstelle stützt sich auf ein Netzwerk von Informanten in Syrien, deren Angaben sich oft nicht unmittelbar bestätigen lassen. Einem AFP-Reporter zufolge detonierten zwei der Autobomben im Norden der Stadt. Offenbar versuche der IS, den letzten Fluchtweg aus Kobane zum türkischen Grenzübergang Mursitpinar zu erobern. Die Stadt wäre dann vollständig eingekesselt.
Kobane wird seit fast einem Monat von den IS-Extremisten belagert. Seit einer Woche liefern sich Dschihadisten und kurdische Einheiten erbitterte Straßenkämpfe. Nach UNO-Schätzungen befinden sich noch immer etwa 12.000 Zivilisten in und um Kobane. UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon und der UNO-Syrien-Sondergesandte Staffan de Mistura warnten vor einem Massaker, sollte Kobane den Dschihadisten in die Hände fallen.
IS-Gebietsgewinne im Irak
Die IS-Miliz eroberte unterdessen im Irak weitere Gebiete. In der westirakischen Provinz Anbar nahm IS nach der Stadt Hit nun auch das Militärlager von Hit ein. Im nordirakischen Sindschar-Gebirge schnitten IS-Kämpfer rund 10.000 Jesiden von etwaigen Fluchtwegen ab. Mit dem Militärlager von Hit nahm die IS-Miliz eine strategisch wichtige Militärbasis ein, wie die unabhängige irakische Nachrichtenseite al-Sumaria News unter Berufung auf Militärquellen berichtete.
Die irakischen Regierungstruppen hätten einen „strategischen Rückzug“ angetreten, hieß es. Nach Angaben der Nachrichtenseite al-Mada hatten sich Armee und Angreifer „mehrere Stunden lang“ Gefechte geliefert. Zuvor waren IS-Kämpfer bereits in Hit selbst einmarschiert - bis zu 180.000 Menschen sind nach Angaben der UNO seitdem auf der Flucht.
Hit hat strategisch große Bedeutung, da sich der Haditha-Damm in der Nähe befindet. Mit diesem lässt sich der Fluss Euphrat kontrollieren. Zudem liegt die Stadt knapp 150 Kilometer nordwestlich der irakischen Hauptstadt Bagdad und beherbergt einen der letzten Armeestützpunkte in der vom IS kontrollierten westirakischen Provinz Anbar.
Tausende Jesiden eingekreist
Auch im Nordirak konnte der IS weitere Gebiete erobern. IS-Kämpfer hätten erneut Tausende Jesiden im Sindschar-Gebirge eingekreist, zitierte die kurdische Nachrichtenseite Rudaw einen Kommandeur der kurdischen Peschmerga-Miliz am Montag. Betroffen seien rund 10.000 Mitglieder der religiösen Minderheit, die ihre Farmen in dem Gebirge nicht aufgeben wollten.
Die Extremisten kontrollieren damit nun alle Zugänge zu dem Plateau an der Grenze zu Syrien. Zuvor hatten die Dschihadisten die Zugänge zum Gebirge bereits von irakischer Seite abgeriegelt. In der vergangenen Woche eroberten Kämpfer des IS drei syrisch-kurdische Dörfer und schnitten damit die letzten Fluchtwege von dem Plateau nach Syrien ab.
Hunderte Jesiden in der Gewalt von IS
Anfang August waren in dem kargen Gebirge rund 80.000 vornehmlich jesidische Flüchtlinge aus dem Nordirak eingeschlossen, nachdem IS das Umland unter seine Kontrolle gebracht hatte. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) schätzt, dass die Miliz über 1.000 Jesiden in ihrer Gewalt hält. Die Extremisten hätten „systematisch junge Frauen und Mädchen von ihren Familien getrennt, um sie mit Kämpfern zwangsweise zu verheiraten“, heißt es in einem am Sonntag veröffentlichten HRW-Bericht.
In einem seit Sonntag im Internet kursierenden Propagandamagazin, das dem IS zugeschrieben wird, rechtfertigen die Extremisten die Gefangennahme und den Verkauf von „Abtrünnigen“ mit dem islamischen Recht. Ketten müsse jeder um den Hals tragen, „bis er zum Islam finde“, heißt es in einem vierseitigen Aufsatz in dem IS-Magazin „Dabik“. Gefangene jesidische Frauen und Kinder seien deshalb den IS-Kämpfern zugeteilt worden.
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