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Fußfessel nach sechs Monaten möglich

Der ehemalige ÖVP-Innenminister und EU-Abgeordnete Ernst Strasser ist am Montag im Berufungsverfahren wegen Bestechlichkeit erneut schuldig gesprochen worden. In der sogenannten Lobbyisten-Affäre bestätigte der Oberste Gerichtshof (OGH) das Urteil aus der ersten Instanz und verurteilte Strasser zu drei Jahren Haft.

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Die Strafe wurde damit ein weiteres Mal leicht abgeschwächt. In einem ersten Prozess wurde Strasser zu vier Jahren, bei der vom OGH angeordneten Wiederholung des Verfahrens zu dreieinhalb Jahren und nun zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt. „Besondere Gründe“, die einen bedingten oder teilbedingten Strafnachlass möglich gemacht hätten, habe man aus generalpräventiven Gründen nicht gefunden, hieß es am Montag in der Begründung des OGH. Mit der Entscheidung ist das Strafverfahren nun rechtskräftig beendet.

Ernst Strasser vor Gericht

APA/Robert Jäger

Medienrummel am Montag im Gerichtssaal

OGH-Präsident: Korrupte EU-Abgeordnete „ein Übel“

Es sei „demokratiepolitisch von unglaublicher Bedeutung“, gegen „Politik für die eigene Geldtasche“ vorzugehen, erläuterte OGH-Präsident Eckart Ratz in seiner Urteilsbegründung. Und weiter, mit Blickrichtung auf Ernst Strasser: „Ein EU-Abgeordneter, der korrupt ist, ist ein Übel, der das ganze Funktionieren der Europäischen Union in Unruhe bringt, infrage stellt.“

Trotzdem habe man die Strafe auf ein „noch maßvolleres Maß“ herabgesetzt. Man müsse nicht alles auf einen Sündenbock abladen „und diesen Bock hinausjagen“. Es liege „auf der Hand, dass der Angeklagte unglaubliche persönliche Nachteile erlitten hat“, kam Ratz auf die Folgen der Lobbying-Affäre für den einstmaligen ÖVP-Spitzenpolitiker zu sprechen. Wenn eine „public figure“ derart falle, „kann das einem auch leidtun“, so Ratz.

Genauer Haftantritt nicht bekannt

Anders als in der vorigen Instanz sahen die Höchstrichter keinen Grund, das Tragen einer Fußfessel auszuschließen. Nach sechs Monaten Haft werde die Leitung der betreffenden Justizanstalt (infrage kommt etwa Wien-Simmering, Anm.) über die Fußfessel für Strasser entscheiden. Wann genau Strasser seine Haftstrafe antreten wird, ist nicht bekannt. Zunächst muss das endgültige Urteil des OGH schriftlich ausgefertigt werden. Nach Zustellung dieses Schriftstücks obliegt es dem Wiener Straflandesgericht, Strasser die Aufforderung zum Strafantritt zukommen zu lassen. Ab diesem Zeitpunkt muss er sich binnen vier Wochen im Gefängnis einfinden.

Strasser selbst am Wort

Strasser wandte sich in einem Schlusswort an das Gericht und räumte Fehler im Umgang mit der Situation ein. „Ich habe die Rechnung dafür saftig bezahlt bekommen,“ so Strasser. Das, was ihm die Anklage vorwerfe, sei aber „nicht die Wahrheit. Das muss ich in aller Klarheit sagen“, beteuerte Strasser. Er habe keine Einflussnahme durch Lobbyisten geplant und auch nicht ausgeführt. „Daher ersuche ich Sie, mich freizusprechen“, so der ehemalige ÖVP-Innenminister. Nach seiner Verurteilung wollte Strasser nicht mit den wartenden Journalisten sprechen, er verließ ohne Kommentar eiligen Schrittes den Justizpalast.

Zuvor versuchte auch Verteidiger Thomas Kralik in einem Appell das Gericht zumindest zu Milde zu bewegen. Die vermeintlichen Lobbyisten hätten sich als Lockspitzel betätigt. „Wenn ihm die nicht die Karotte vor die Nase gehalten hätten, hätte er die Tat nicht begangen“, gab Kralik am Montag vor dem OGH zu bedenken. „Strasser ist politisch und gesellschaftlich tot“, so Kralik. „Er ist jetzt 58 Jahre alt. Wenn es jemanden gibt, der für die Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstellt, ist das der Doktor Strasser.“ Man müsse ihm daher zumindest die Fußfessel zugestehen, so Kralik weiter.

Video ging durch alle Medien

Strasser hat sich laut Staatsanwaltschaft gegenüber zwei als Lobbyisten getarnten britischen Journalisten bereit erklärt, für 100.000 Euro Jahreshonorar Einfluss auf die EU-Gesetzgebung zu nehmen. Das Video des mit den Briten in holprigem Englisch verhandelnden Strassers ging durch alle Medien.

In einem ersten Verfahren im Jänner 2013 war Strasser wegen Bestechlichkeit zu vier Jahren Haft verurteilt wurden, doch der OGH hob die Entscheidung wegen Verfahrensmängeln auf. Den Höchstrichtern war nicht klar genug herausgearbeitet worden, für die Beeinflussung welcher EU-Richtlinie konkret Strasser Geld verlangt habe.

Lob für konkretisiertes Urteil

Im nun vom OGH bestätigten zweiten Verfahren im März dieses Jahres wurden die betroffenen Richtlinien schließlich genau angeführt. Konkrete Beeinflussung ortete der Senat demnach bei einer Richtlinie zur Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektrogeräten, der Elektroschrottrichtlinie und einer Richtlinie zu genetisch verändertem Saatgut.

Der Schöffensenat unter Vorsitz von Richterin Helene Gnida legte im Urteil im März außerdem fest, dass die Fußfessel für Strasser für die Hälfte der verhängten Strafe ausgeschlossen ist. Der OGH hingegen sah am Montag keine Gründe, Strasser die Fußfessel zu verwehren. OGH-Präsident Ratz lobte am Montag die Arbeit seiner Kollegen. Das Gericht habe Tatsachen festgestellt und diese „einwandfrei“ beurteilt.

Richterin: Agentengeschichte „lebensfremd“

Strassers Behauptung, er habe gedacht, bei den „Lobbyisten“ handle es sich um Agenten, schenkte die Richterin im März keinen Glauben. Aufgrund der E-Mails, Zeugenaussagen und zum Teil auf Video aufgenommenen Gespräche müsse Strassers Verantwortung, er habe prüfen wollen, ob es sich bei den Lobbyisten um Agenten handle, „als Schutzbehauptung gewertet werden“, so Gnida.

Der Senat habe bis zuletzt nicht verstanden, was ein Geheimdienst von Strasser überhaupt gewollt hätte. „Als Geisel nehmen? Erpressen? Warum ist das keinem anderen Abgeordneten passiert? Und würde man nicht seine Kollegen und sein Büro warnen und Zeugen zu den Gesprächen mitnehmen?“, stellte die Richterin in den Raum. Gnida nannte Strassers Verantwortung „lebensfremd“ und ortete bei diesem einen „erfundenen Geschehensablauf“.

Strafdrohung betrug bis zu sieben Jahre

Die Strafdrohung betrug bis zu sieben Jahre - weil Strasser die Taten im Ausland begangen hatte, musste nämlich auf die belgische und britische Rechtsordnung Bedacht genommen werden. Als mildernd wertete das erstinstanzliche Gericht, dass Strasser bisher unbescholten war. Erschwerend war für den Senat „kein Umstand“, so Gnida im März in ihrer Urteilsbegründung.

Lunacek für verpflichtendes Lobbyisten-Register

Um in der Zukunft einen Fall Strasser verhindern zu können, tritt Ulrike Lunacek (Grüne), Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, für ein verpflichtendes Lobbyisten-Register für alle drei EU-Institutionen und die Einführung des sogenannten „legislativen Fußabdrucks“ ein. Das teilte Lunacek am Montagnachmittag per Presseaussendung mit.

„Die Einführung eines gemeinsamen Transparenzregisters für Parlament und Kommission nach Bekanntwerden des Falls Strasser 2011 war ein wichtiger Schritt, blieb aber lückenhaft. Es gibt zwar Verbesserungen, aber noch immer werden nicht alle Bereiche des europäischen Lobby-Dschungels ausgeleuchtet“, so Lunacek. Sie verlangt „ein verpflichtendes Register ohne Schlupflöcher, das endlich auch den Rat mit einbezieht und ihn so aus der Dunkelkammer fehlender Transparenz holt“.

Das endgültige Strasser-Urteil kommentierte Lunacek als „streng" und gerechtfertigt“. Strasser habe „das Vertrauen seiner Wählerinnen und Wähler missbraucht und damit der Politik im Allgemeinen und dem Europaparlament im Speziellen schweren Schaden zugefügt“. Die österreichische Justiz habe „ein richtiges wie wichtiges Zeichen für die Bedeutung von Glaubwürdigkeit und Rechtschaffenheit in der Politik gesetzt“.

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