Umbildung wird immer wahrscheinlicher
Die EU-Kommission von Jean-Claude Juncker gerät in immer größere Schwierigkeiten. Der designierte Kulturkommissar Tibor Navracsics ist bei den EU-Abgeordneten durchgefallen. Der Kulturausschuss des Europäischen Parlaments habe den Ungarn für die geplante Funktion abgelehnt, teilten Abgeordnete am Montag in Brüssel mit.
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„Erste Niederlage für Juncker“, schrieb der Grünen-Abgeordnete Ernest Maragall aus Spanien über den Kurzmitteilungsdienst Twitter. Im Team des designierten Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker sollte Navracsics, bisher ungarischer Außenminister, für Bildung, Kultur und Jugend zuständig sein. 14 Mitglieder des Kulturausschusses hätten gegen Navracsics gestimmt, teilte Maragall mit, zwölf für ihn.

Reuters/Yves Herman
Navracsics fiel bei den Abgeordneten durch
Der Ausschuss bestätigte dem Ungarn jedoch mehrheitlich die Befähigung, einen Posten als EU-Kommissar zu übernehmen. Parlamentskreisen zufolge könnte Juncker Navracsics den Bereich Bürgerschaft entziehen, um eine Berufung des Ungarn zu ermöglichen. Ob Juncker dem Ungarn ein komplett neues Portfolio geben muss oder ob er ihm nur Teile seiner Zuständigkeit entziehen muss, war aber zunächst unklar.
Antworten reichten Abgeordneten nicht
Zuvor hatte sich der Politiker der ungarischen Regierungspartei FIDESZ in der schriftlichen Beantwortung zusätzlicher Fragen des EU-Parlaments von der ursprünglichen Version des umstrittenen ungarischen Mediengesetzes distanziert. Er versicherte zudem, sich als EU-Kommissar für die Achtung von EU-Recht, der Grundrechtecharta und der Menschenrechtsstandards einzusetzen.
„Ich bedaure, dass die ungarische Regierung, der ich nicht mehr angehöre, in der Vergangenheit diesem Umstand manchmal nicht die gebührende Beachtung geschenkt hat“, hieß es in dem Schreiben, das die ungarische Nachrichtenagentur MTI am Montag veröffentlichte. „Ich unterstütze fest die Idee von Pluralismus und Medienfreiheit“, erklärte Navracsics.
Breite Kritik an Bratusek
EU-Mandatare jedweder Couleur haben sich indes teils sehr kritisch über den Auftritt der designierten EU-Kommissarin für die Energieunion, der früheren slowenischen Premierministerin Alenka Bratusek, geäußert. Sie musste sich wegen ihrer umstrittenen Nominierung verteidigen. Die Kritik lautet, dass sie sich - damals noch geschäftsführend im Amt der slowenischen Regierungschefin - de facto selbst für das Brüsseler Amt nominiert habe. Bratusek erkannte dabei „kein Zeichen von Korruption“.
Auch ihre unklare Antwort auf die Frage nach der Genehmigung der Staatsbeihilfen für das geplante britische Atomkraftwerk Hinkley Point stieß auf erhebliche Kritik. Die ÖVP-Mandatarin Elisabeth Köstinger zeigte sich etwa via Twitter schockiert über Bratuseks ausweichende Replik zu dem Thema. „Bratusek kennt die Diskussion um die Genehmigung der staatlichen Beihilfen für’s britische Kernkraftwerk Hinkley nicht?!?!?“, so Köstinger via Twitter.
Hill gibt keine Auskunft über frühere Lobbytätigkeit
Unterdessen ließ der designierte EU-Kommissar für Finanzdienstleistungen, der Brite Jonathan Hill, Fragen des EU-Parlaments zu seiner früheren Lobbyistentätigkeit offen. Das EU-Parlament hatte Hill aufgefordert, eine Liste seiner ehemaligen Klienten zu übermitteln, doch Hill antwortete schriftlich, dass diese Liste „nicht in meinem Besitz“ sei. Wichtig sei, dass er keine Aufsichtsratsposten, keine Aktion und Anteile an irgendwelchen Finanzdienstleistern mehr habe.
Der Brite hatte vergangene Woche kein grünes Licht vom zuständigen Wirtschaftsausschuss des EU-Parlaments bekommen. Er muss sich deshalb Dienstagnachmittag noch einmal einem „Meinungsaustausch“ mit den Abgeordneten stellen. Weitere fachlich kritisierte Kandidaten sind der Franzose Pierre Moscovici (Wirtschaft und Finanzen) sowie die für das Justizressort vorgeschlagene Vera Jourova aus Tschechien. Der Spanier Miguel Arias Canete (Energie und Klima) steht wegen Verbindungen seiner Familie zur Ölindustrie in der Kritik.
Damit die neue EU-Kommission am 1. November planmäßig zu arbeiten beginnen kann, muss sie noch als Ganzes vom EU-Parlament gebilligt werden. Das Parlament soll am 22. Oktober über die Kommission abstimmen.
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