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Kreml spricht von „gewöhnlicher Ente“

Der russische Präsident Wladimir Putin hat offenbar gegenüber dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko mit dem Einmarsch in Polen, Rumänien oder dem Baltikum gedroht. „Wenn ich wollte, könnten russische Truppen in zwei Tagen nicht nur in Kiew, sondern auch in Riga, Vilnius, Tallinn, Warschau oder Bukarest sein“, wurde Putin in der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“, Donnerstag-Augabe) zitiert.

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Die Zeitung berief sich in ihrem Exklusivbericht auf ein ihr vorliegendes Protokoll eines Gesprächs zwischen EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso und Poroschenko, das vom Auswärtigen Dienst der EU zusammengefasst worden sei. Außerdem soll Poroschenko von Drohungen Putins berichtet haben, er könne das Abstimmungsverhalten im EU-Rat mehr oder weniger nach Belieben beeinflussen. Barroso hatte Poroschenko am Wochenende in Kiew besucht.

Russisches Prahlen mit „Sperrminorität“ in EU?

Der „SZ“ zufolge warnte Putin in den Gesprächen Poroschenko offenbar davor, sich zu sehr auf die EU zu verlassen. Er könne durch bilaterale Kontakte Einfluss nehmen und eine „Sperrminorität“ im Europäischen Rat bewirken, die für Russland negative Entscheidungen verhindere, habe Putin gesagt. Mehrere Länder wie Ungarn, Bulgarien, Zypern und die Slowakei sehen die Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland kritisch und könnten sich künftig weiteren Strafmaßnahmen widersetzen.

Anfang September war bereits berichtet worden, Putin habe in einem Telefonat mit Barroso gesagt: „Wenn ich wollte, könnte ich Kiew binnen zwei Wochen einnehmen.“ Barroso hatte beim EU-Gipfel Ende August von dem Telefonat berichtet. Der Kreml hatte daraufhin kritisiert, dass Barroso den Inhalt eines privaten Telefonats publik gemacht habe. Der Inhalt war jedoch nie dementiert worden, im Gegenteil: Der Kreml erklärte, es handle sich um „aus dem Zusammenhang gerissene“ Zitate.

Kreml-Sprecher: „Gewöhnliche Ente“

Der Kreml hat die mutmaßliche Drohung Putins als „gewöhnliche Ente“ zurückgewiesen. „Wir halten es schon nicht mehr für möglich, auf solche Mitteilungen einzugehen“, sagte Putins Sprecher Dimitri Peskow am Donnerstag dem Radiosender „Echo Moskwy“. Der Radiosender nutzte den Bericht als Vorlage für eine Satire, wonach Putin schon ein „großer Zauberer“ sein müsse, mit Panzern innerhalb so kurzer Zeit nicht nur Kiew einzunehmen, sondern auch noch fünf weitere Hauptstädte.

Die EU-Kommission wollte den Bericht der „SZ“ über die angebliche Drohung des russischen Präsidenten nicht bestätigen oder kommentieren. „Wir werden keine Diplomatie über die Presse machen oder Auszüge aus vertraulichen Gesprächen diskutieren“, teilte eine Kommissionssprecherin am Donnerstag in Brüssel auf Anfrage der französischen Nachrichtenagentur AFP mit.

Beleg für „Emotionalität“ Putins

Die „SZ“ berichtete unter Berufung auf die Gesprächszusammenfassung weiter, Poroschenko habe die angebliche Äußerung Putins zitiert, um deutlich zu machen, wie emotional der russische Staatschef auf den Einfluss der EU auf Staaten in der russischen Nachbarschaft reagiere. Poroschenko hatte in den vergangenen Wochen mehrfach mit Putin telefoniert, um den mittlerweile geltenden Waffenstillstand im Osten der Ukraine auszuhandeln und die Zustimmung Putins zu einem Zwölfpunkteplan für die Beilegung des Konflikts zu erhalten.

Laut einem weiteren Zeitungsbericht vom Donnerstag soll Russland die Separatisten in der Ostukraine mit modernen Luftverteidigungssystemen beliefert haben. Wie die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf vertrauliche Angaben der deutschen Bundesregierung berichtete, handelte es sich um Waffen vom Typ SA-22. Diese seien Mitte sowie Ende August in der Ostukraine geortet worden. Das Waffensystem befinde sich „nicht im Bestand der ukrainischen Streitkräfte“. Ob die prorussischen Separatisten die Waffen bedienten, blieb unklar.

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