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US-Wirtschaft hat sich viel rascher erholt

Mit knapp über 1,30 Dollar ist der Euro am Dienstag auf ein Zwölfmonatstief gegenüber dem Dollar gerutscht. Von seinem Rekordkurs im Sommer 2008 ist er damit fast 30 US-Cent entfernt. Glaubt man aktuellen Prognosen, dürfte es längerfristig weiter bergab gehen - aus unterschiedlichen Gründen.

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Die pessimistische wirtschaftliche Stimmung in der Euro-Zone und vielleicht gewollte „Nebeneffekte“ sind das eine. „Alle reden den Euro runter“, befand am Dienstag das deutsche „Handelsblatt“. Das andere ist die Tatsache, dass die USA der europäischen Währungsunion wirtschaftlich davonziehen.

Mit der Annahme, dass die Euro-Krise überwunden sei, sei man wohl einer „Illusion“ aufgesessen, hatte es am Wochenende im britischen „Economist“ geheißen. Was 2009 als Banken- und Staatsschuldenkrise begonnen hatte, sei praktisch nahtlos in eine „Wachstumskrise“ übergegangen. Die habe derzeit vor allem die drei größten Volkswirtschaften innerhalb der Währungsunion - Deutschland, Frankreich und Italien - fest im Griff.

Euro-Konjunktur kommt nicht auf die Beine

Tatsächlich sieht es für die Währungsunion im Moment nicht rosig aus: In Frankreich stagnierte die Wirtschaft zwischen April und Juni das zweite Quartal in Folge, in Berlin warnte zuletzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor einer möglichen Rezession, in Italien ist diese bereits wieder Realität - seit letzter Woche Deflation inklusive.

In der Euro-Zone insgesamt wuchs die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal nicht, in der gesamten EU laut Berechnung des Statistikamts Eurostat gerade einmal um 0,2 Prozent. In den USA zog die Wirtschaftsleistung dagegen im selben Zeitraum auf das Jahr hochgerechnet um 4,2 Prozent an, wie das Handelsministerium in Washington letzte Woche mitteilte. Die britische Wirtschaft wuchs um 3,2 Prozent.

Untergangsszenarien: Ein Deja-vu

„Die Euro-Zone steht (oder taumelt) in einem völligen Kontrast zu Amerika und Großbritannien, wo die Wirtschaft nachhaltig wächst“, schrieb der „Economist“ und zeichnete bereits wieder Krisenszenarien, ähnlich wie sie im Sommer 2012 Hochkonjunktur hatten: „Europa ist kein einzelnes kohäsives Land. Wenn seine Währungsunion nichts anderes bringt als Stagnation, Arbeitslosigkeit und Deflation“, dann könnte die Währungsunion vor eine erneute Zerreißprobe gestellt werden. Wenn die drei Großen „Deutschland, Frankreich und Italien keinen Weg finden können, die europäische Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen, könnte der Euro bereits dem Untergang geweiht sein“ - wieder einmal.

Solchen Szenarien hatte vor zwei Jahren der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, mit dem x-fach zitierten Satz, die Notenbank würde „alles Erforderliche tun, um den Euro zu erhalten“, widersprochen. Seither sank der Leitzins in der Euro-Zone von 0,75 auf nunmehr 0,15 Prozent, die EZB kaufte Anleihen von Problemstaaten wie Griechenland, später auch Spanien und Italien auf. Der Euro erholte sich von knapp über 1,20 auf etwas unter 1,40 Dollar im Mai.

„Verlorene Jahre“?

Doch außer Ankündigungen sei zu wenig geschehen, befand der „Economist“, der drei Hauptursachen für die Misere sieht: Erstens gebe es in der Euro-Zone zu wenige politische Führungsfiguren, die Strukturreformen durchsetzen könnten, stattdessen seien „zwei Jahre Zeit verschwendet“ worden. Zweitens sehe die Öffentlichkeit die Dringlichkeit „tiefer und radikaler Veränderungen“ nicht ein. Drittens schließlich sei die Geld- und Fiskalpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu „starr“, sie „erdrosselt das Wachstum“.

Das „Wall Street Journal“ schlug am Dienstag in die gleiche Kerbe und schrieb von „zwei verlorenen Jahren“. In Wahrheit sei die Euro-Zone in keinem viel besseren Zustand, „um einen größeren Schock zu überwinden, als vor zwei Jahren“. Erschwerend sei nun auch noch die Ukraine-Krise hinzugekommen, die Sanktionen gegen Russland kosteten nochmals Geld.

Goldman Sachs: Gleichstand Ende 2017

Angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen schraubte die US-Investmentbank Goldman Sachs ihre Prognose für den Euro deutlich nach unten. Bis Ende 2017 würde der Dollar mit der europäischen Gemeinschaftswährung gleichziehen, heißt es in einer aktuellen Einschätzung. Zuletzt hatte der Euro 2003 1:1 mit dem Dollar notiert, nach seiner Einführung 1999 auch darunter, im Jahr 2000 bei knapp über 80 Cent.

Doch nicht allen ist ein schwacher Euro unrecht. Forderungen nach einer „aktiven Wechselkurspolitik“ - im Klartext: einer Schwächung des Euro - wurden schon mehrfach erhoben, allen voran aus Frankreich, wo man sich davon Konjunkturimpulse insbesondere über die Exportwirtschaft verspricht. Ein starker Euro werde als „Wachstumsbremse“ verstanden, schrieb das „Handelsblatt“. Allerdings müsste man bei einer weiteren Schwächung auch teurere Importe aus dem Dollarraum und eine sinkende Kaufkraft einkalkulieren. Dennoch hegt die deutsche Wirtschaftszeitung den Verdacht, dass ein schwacher Euro zumindest ein „Zwischenziel“ der EZB ist.

Wetten auf den schwachen Euro

Mittlerweile gehe man davon aus, dass die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) den Leitzins früher wird anheben können als die EZB, die wegen der schwachen Konjunktur in Europa weiter in der Tretmühle der lockeren Geldpolitik gefangen ist, hieß es im „Wall Street Journal“. Damit ist, etwa über Anleihen, mehr zu holen als mit dem Euro.

Investoren scheinen jedenfalls auch davon überzeugt, dass es mit dem Euro vorerst weiter bergab gehen wird. Das „Wall Street Journal“ verwies am Dienstag auf Zahlen der US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC), die zeigen, dass diese ihre Wetten gegen die europäische Gemeinschaftswährung so hochgefahren hätten wie zuletzt vor zwei Jahren.

Gestartet war der Euro im Jänner 1999 mit einem Wechselkurs von 1,179 Dollar. Danach ging es tendenziell vorerst nach unten, im Dezember 1999 sank er erstmals unter die Marke von einem Dollar. Erst seit 2004 notiert die europäische Gemeinschaftswährung durchgehend über Dollar-Parität. Seinen bisherigen Höchststand erreichte der Euro im Handel am 15. Juli 2008 mit 1,604, auf Referenzkursbasis der EZB mit 1,599 Dollar. Damals sahen aber auch noch die Leitzinssätze anders aus: Jener der EZB lag bei 4,25, jener der Fed bei 2,0 Prozent.

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