Wie umgehen mit dem Faktor Assad?
Dass der Kampf gegen die im Irak und Syrien operierende Terrormiliz Islamischer Staat (IS) lang und mühselig wird, hat US-Präsident Barack Obama bereits mehrfach betont. Damit verbunden ist die Frage, wie man wirksam gegen IS vorgehen kann. Im Irak führen die USA Luftschläge durch, in Syrien könnten sie bevorstehen. Denn es wird, so heißt es aus Washington, an einer Allianz mit westlichen und arabischen Staaten geschmiedet.
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Als mögliche Kandidaten wurden vom US-Außenamt Großbritannien und Australien genannt. Zu der Koalition könnten auch Jordanien, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gehören, berichtete überdies die überregionale arabische Tageszeitung „Al-Sharq al-Awsat“ am Donnerstag. Auch die Hilfe der Türkei sei erwünscht, da ihre Militärstützpunkte für Einsätze in Syrien genutzt werden könnten.
Einsatz wird „geprüft“
„Wir prüfen zusammen mit unseren Partnern, auf welche Weise sie Teil eines Einsatzes sein könnten“, erklärte Außenamtssprecherin Jen Psaki am Mittwoch (Ortszeit). Möglichkeiten, bei einer Offensive gegen IS mitzumachen, gebe es laut Psaki einige: Militärisch, in Form von humanitärer oder diplomatischer Unterstützung oder durch die Einbindung der jeweiligen Geheimdienste. Das schließt explizit auch ein militärisches Eingreifen in Syrien ein - der bedeutende Zankapfel bei der Frage nach einer Teilnahme an einer Allianz.
Obama selbst erklärte am Donnerstag, man entwickle eine „regionale Strategie“ für den Kampf gegen IS. Er habe US-Außenminister John Kerry gebeten, in die Region zu reisen, um eine Koalition mit internationalen Partnern aufzubauen. Seinen Verteidigungsminister Chuck Hagel habe er gebeten, „eine Reihe von Optionen“ für militärische Maßnahmen vorzulegen. Er werde Beratungen mit seinem Nationalen Sicherheitsrat fortsetzen und weitere Schritte auch mit dem Kongress beraten, kündigte Obama an.
Argumente dafür - Argumente dagegen
Erst zuletzt hatte die syrische Führung unter Machthaber Baschar al-Assad den USA ihre Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der IS angeboten und verlangt, über jegliche Aktivitäten Washingtons auf syrischem Staatsgebiet und im syrischen Luftraum informiert zu werden. Aus den USA war umgehend eine Absage gekommen - es gebe „keine Pläne zur Koordination“ mit der Regierung. Mit diesem Umstand sind also Schwierigkeiten verbunden, will die USA möglicherweise doch - in welcher Form bzw. zusammen mit wem auch immer - in Syrien eingreifen.
Ein hochrangiger US-Diplomat, ehemals in Bagdad und Damaskus als Botschafter im Einsatz, nannte die Assad-Option zuletzt die „am wenigsten schlechte“. Und Richard Haass, Chef des Council on Foreign Relations (CFR), ein einflussreicher Think Tank in New York und Washington, schrieb in einem Artikel der „Financial Times“ („FT“), dass die Bildung einer solchen Allianz die „einzige Möglichkeit“ sei, IS wirksam und nachhaltig zu bekämpfen.
„Assad kann kein Partner sein“
Doch mögliche Alliierte sehen das anders: Nach Auffassung von Frankreichs Staatschef Francois Hollande könne Assad kein „Partner“ des Westens im Kampf gegen IS sein. Assad sei vielmehr faktisch ein „Verbündeter der Dschihadisten“, sagte Hollande am Donnerstag bei einer außenpolitischen Grundsatzrede in Paris. Im Kampf gegen IS sei eine „große Allianz“ notwendig. „Aber damit eines klar ist: Baschar al-Assad kann im Kampf gegen den Terror kein Partner sein“, unterstrich der französische Staatspräsident.
Doch ein Denkexperiment führt zurück zur Argumentation der US-Experten: Die laufenden Luftschläge gegen Stellungen der IS im Irak können die Dschihadistenmiliz nur punktuell schwächen, die IS-Infrastrukturen in Syrien blieben davon unberührt. Die einzige Einheit, die derzeit in Syrien gegen die IS vorgeht, sind die Assad-Truppen. Entsprechend steht als einzige Möglichkeit eine Zusammenarbeit mit der syrischen Regierung im Raum. Doch es gibt genügend Argumente gegen eine - wie auch immer gestaltete - Zusammenarbeit mit dem syrischen Machthaber.
Potenzielle Gefahren
Westliche Unterstützung eines schiitischen Diktators würde der IS und ihrer Propaganda wohl in die Hände spielen. Bereits im Irak hatten die USA die Macht in die Hände der Schiiten gelegt und damit indirekt die Teilnahme der Sunniten im politischen Leben gekappt. Geht Obama nun - in welcher Weise auch immer - auf Assad zu, würde das das Narrativ der Positionierung der USA (mitsamt allen potenziellen Alliierten) zugunsten der Schiiten weiter verstärken. IS könnte sich diesen Umstand zunutze machen und noch einfacher Anhänger für die Terrormiliz gewinnen.
Zusätzlich würde das - bei entsprechender Darstellung durch die IS - die sunnitischen Staaten wie etwa Saudi-Arabien, Türkei, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate verärgern. Für viele dieser Staaten ist die IS eine Gefahr, der Großteil sieht in Assad jedoch eine noch größere Bedrohung. Eine Allianz mit diesen Staaten könnte also für die USA durchaus Sinn haben, wenngleich sich möglicherweise dadurch ergebende Probleme nicht vorauszusehen sind. Im Übrigen würde unter Umständen auch die Terrororganisation Hisbollah gestärkt, auch sie bekämpfte in der Vergangenheit die IS in Syrien.
UNO: IS und Assad-Regime begehen Verbrechen
Der aktuelle UNO-Bericht zur Lage in Syrien weist jedenfalls sowohl grausame Verbrechen seitens der IS-Milizen als auch des syrischen Regimes aus. So würden IS-Milizen regelmäßig Hinrichtungen veranstalten und selbst Kinder zum Zuschauen zwingen, heißt es in einem am Mittwoch von der Syrien-Untersuchungskommission veröffentlichten Bericht.
Auch Regierungstruppen sowie andere bewaffnete Gruppen begehen demnach weiterhin Verbrechen an der Zivilbevölkerung. Das Assad-Regime wird beschuldigt, erneut C-Waffen eingesetzt zu haben. Das soll im Laufe des Aprils insgesamt achtmal im Osten des Landes geschehen sein, bei dem eingesetzten Kampfstoff handle es sich „wahrscheinlich um Chlor“. Das Kampfgas soll mittels Fassbomben aus Hubschraubern abgeworfen worden sein.
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