Drittel des EU-Erdgases aus Russland
Die Ukraine hat nach Worten von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk Kenntnisse von Plänen Russlands, der EU im Winter den Gashahn zuzudrehen. Jazenjuk sagte am Mittwoch in Kiew, er „kenne Pläne Russlands, den Gastransit in die EU in diesem Winter zu blockieren“. Er erwarte sich praktische Hilfe und klare Entscheidungen vom NATO-Gipfel am 4. September.
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Russland bezifferte die ukrainischen Gasschulden inzwischen auf 5,3 Milliarden Dollar. Rund die Hälfte der russischen Gaslieferungen an die EU fließt durch die Ukraine. Insgesamt kommt ein Drittel des EU-weit verbrauchten Erdgases aus Russland. Österreich bezieht über 50 Prozent des jährlichen Gasverbrauchs von dem russischen Staatskonzern Gasprom.
Zwar haben die europäischen Energieversorger ihre Gaspeicher in den letzten Monaten möglichst aufgefüllt, bleiben Gaslieferungen aus, könnten aber vor allem südosteuropäische Länder von einer großen Knappheit betroffen sein. Momentan sind sechs EU-Länder (Schweden, Finnland, die drei baltischen Staaten und Bulgarien) zu 100 Prozent von russischem Gas abhängig.

APA/ORF.at
Rund 18 Prozent der weltweiten Erdgasvorkommen liegen in Russland
Seit Juni erhält die Ukraine von Russland kein Gas mehr. Der Streit dreht sich um die Höhe der Schulden Kiews für bereits erfolgte Lieferungen. Der Gasstopp wurde verhängt, weil die unter Vermittlung der EU geführten Verhandlungen über Nachzahlungen erfolglos geblieben waren. Die Ukraine wirft der Regierung in Moskau vor, aus politischen Gründen überhöhte Preise zu verlangen. Der Streit hatte 2006 und 2009 auch zu Engpässen bei Lieferungen in die EU geführt.
EU analysiert Worst-Case-Szenario
Erst am Dienstag trafen die Präsidenten Russlands und der Ukraine, Wladimir Putin und Petro Poroschenko, in Minsk zu einem Vieraugengespräch zusammen. Auch der Gasstreit war dabei Thema. Vereinbart wurde, dass die Energieminister beider Länder am 6. September mit EU-Energiekommissar Günther Oettinger über die Milliardenschulden der Ukraine bei Russland sprechen.
Zuvor wird Oettinger am Freitag in Moskau mit dem Leiter der russischen Energiebehörde, Alexander Nowak, verhandeln. Oettinger hatte zuletzt vorgeschlagen, dass notfalls Gas aus EU-Staaten in die Ukraine geleitet werden müsse. Derzeit würden die Folgen des schlimmsten Falles, der völligen Unterbrechung von Gaslieferungen aus Russland, im Vorfeld des EU-Gipfels im Oktober analysiert.
Russische Soldaten „zufällig“ in Ukraine
Entschärfung hat der Gipfel in dem seit Monaten andauernden Konflikt jedoch keine gebracht. Die Ergebnisse blieben dürftig, in erster Linie wurden neue Gespräche angekündigt. Einzig bei der humanitären Hilfe konnte laut Putin eine Einigung auf neue russische Hilfskonvois unter der Kontrolle des Roten Kreuzes erzielt werden.
In der wichtigsten Frage nach einem Friedensplan erklärte sich Putin schlicht für nicht zuständig. Nicht mit Russland, sondern mit den prorussischen Separatisten müsse über das Ende des Blutvergießens gesprochen werden, so Putin. Gleichzeitig musste der russische Präsident nach der Gefangennahme von russischen Fallschirmjägern nahe der Kampfzone in der Region Donezk erstmals einräumen, dass sich auch russische Soldaten in der Ostukraine aufhalten. Das wurde bisher stets bestritten. Laut Moskau ist die Patrouille jedoch rein „zufällig“ in die Ukraine gelangt. Der Grenzverlauf sei schlecht markiert gewesen.
Ukraine führt Festgenommene vor
Die Regierung in Kiew hat am Mittwoch die festgenommenen russischen Soldaten bei einer „Pressekonferenz“ vorgeführt. Sichtlich eingeschüchtert sagte einer der Gefangenen: „Wir sind uns bewusst, dass alles in Wirklichkeit nicht so ist, wie es das russische Fernsehen zeigt.“ Ihm sei nun erklärt worden, dass die Ukraine von russischem Boden aus beschossen werde.
„Wenn tatsächlich die russischen Streitkräfte schießen, dann kann ich nur um eines bitten: Jungs, das ist nicht nötig. Diesen Krieg brauchen wir nicht“, so der russische Soldat, wie das Internetportal Ukrainskaja Prawda am Mittwoch berichtete.
Kiew meldet Eindringen von russischem Militär
Poroschenko hatte bei dem Treffen mit Putin als eine der dringlichsten Forderungen den Stopp der Waffenlieferungen an die Separatisten formuliert. Er betrachte das als einzige Möglichkeit, das Blutvergießen im Osten seines Landes zu beenden, so Poroschenko. Am Tag danach meldete die ukrainische Armee jedoch erneut das Eindringen einer russischen Militärkolonne in die Südostukraine.
Es gebe Informationen über eine Kolonne aus hundert Fahrzeugen, darunter Panzer, Truppentransporter und Grad-Raketenwerfer, die sich auf dem Weg in die Ortschaft Telmanowe befinde, erklärte die ukrainische Armee am Mittwoch. Die Fahrzeuge seien mit einem Dreieck oder einem weißen Kreis markiert. Telmanowe liegt rund 80 Kilometer südlich der Separatistenhochburg Donezk und 20 Kilometer von der Grenze zu Russland entfernt.
Trotz Minsker Krisengipfels heftige Gefechte im Osten
Unterdessen lieferten einander Regierungseinheiten und Separatisten in der Ostukraine erneut heftige Gefechte. Bei Kämpfen um die Stadt Ilowaisk und die strategisch wichtige Anhöhe Saur-Mogila seien auf beiden Seiten zahlreiche Kämpfer getötet oder verletzt worden, berichteten Medien in der Ukraine am Mittwoch. Sowohl die Armee als auch die prorussischen Aufständischen sprachen von Gebietsgewinnen. Unabhängige Berichte gab es nicht
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