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„Größeres Problem als Klimawandel“

Die Wasserknappheit sei ein drängenderes Problem als der Klimawandel: Mit diesen Worten hat Nestle-Chef Peter Brabeck-Letmathe vor kurzem aufhorchen lassen. Die internationale Politik müsse den tatsächlichen und drohenden Wassermangel zu einer größeren Priorität machen als die Klimaveränderung. Ersteres sei ein viel größeres Problem, schlug der Präsident eines der weltweit größten Lebensmittelkonzerne Alarm.

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„Heute ist eine politische Diskussion ohne das Thema Klimawandel gar nicht mehr möglich“, so Brabeck-Letmathe im Juli in einem Interview mit der „Financial Times“. Aber „niemand redet auf diese Weise über die Wassersituation. Und dieses Wasserproblem ist viel drängender.“ Brabeck-Letmathe hat bei seinen Aussagen allerdings wohl weniger die Not von Hunderten Millionen Menschen, die täglich um das lebensnotwendige Nass kämpfen müssen, im Sinn, als vielmehr die Geschäftsinteressen des eigenen Konzerns - davon sind auf jeden Fall die Kritiker überzeugt. Immerhin ist das Unternehmen nach eigenen Angaben Weltmarktführer im Bereich „in Flaschen abgefülltes Wasser“.

Für zahlreiche Umwelt- und Hilfsorganisationen sind Nestle und andere Getränkekonzerne wegen des äußerst lukrativen Geschäfts mit abgefülltem Wasser eine Bedrohung für das Recht auf Trinkwasser. Kritiker werfen Nestle vor, in mehreren Ländern umfangreiche Wasserrechte gekauft zu haben. In Pakistan, so der Vorwurf laut „Handelsblatt“ bereits vom Vorjahr, beute der Schweizer Konzern die Grundwasservorkommen so stark aus, dass der Grundwasserspiegel sinke und die Bevölkerung keinen Zugang mehr zu frischem Wasser habe. In den USA hätten Anrainer gegen Abfüllwerke von Nestle geklagt, weil der Grundwasserspiegel gesunken sei, berichtete das „Handelsblatt“.

„Wasser geht uns aus“

„Ich sage nicht, dass Klimawandel nicht wichtig ist. Was ich aber sage, ist, dass uns selbst ohne Klimawandel das Wasser ausgeht, und ich denke, das muss die oberste Priorität werden.“ Brabeck-Letmathe zufolge werde dem Klimawandel mehr Aufmerksamkeit gewidmet, weil er mit Nobelpreisträgern und Hollywood-Stars die „besseren Botschafter“ habe.

Der Hintergrund ist, dass Nestle und die gesamte Lebensmittelindustrie - aber auch andere wasserintensive Branchen wie etwa der Bergbau - sich an die steigenden Kosten für Wasser und die zunehmende Konkurrenz um die oft schlecht gemanagten Wasserressourcen anpassen müssen. Wasser war bis vor wenigen Jahren eine Ressource, deren Vorhandensein als selbstverständlich galt.

„Bisher wie Gratisrohstoff“

In den vergangenen drei Jahren investierten Unternehmen laut „Financial Times “ und Global Water Intelligence mehr als 84 Milliarden Dollar (63 Mrd. Euro) in die verbesserte Konservierung, Verwaltung und Erschließung von Wasserressourcen. „Bisher konnten Unternehmen Wasser wie einen kostenlosen Rohstoff behandeln“, so Christopher Gasson von Global Water Intelligence. „Jetzt steigen aber die Kosten für Wasser weltweit, da Regierungen dessen Verwendung gesetzlich regeln und Unternehmen merken, dass sie in Ausrüstung investieren müssen, um alles von der Marke bis zum Rating der Firma zu schützen.“

So hätten sich 2013 zwei der weltweit größten Bergbaukonzerne, BHP Billiton and Rio Tinto, auf den Bau einer drei Mrd. Dollar teuren Entsalzungsanlage für eine Kupfermine in Chile geeinigt, um die Verschwendung der dortigen Wasserreserven zu verringern.

Folgen für Firmenrating

Nestle gab rund 32 Mio. Euro für Maßnahmen aus, um in seinen Produktionsstätten den Wasserverbrauch zu senken. Coca-Cola und seine Abfüller gaben laut eigenen Angaben seit 2003 fast zwei Mrd. Dollar für Nutzwasseraufbereitung und ähnliche Maßnahmen aus. „Wasserknappheit wirkt sich jetzt erstmals finanziell aus“, zeigte sich der Analyst Andrew Metcalf gegenüber der „FT“ überzeugt. Bei Bergbaukonzernen habe sie bereits Einfluss auf das Rating des Unternehmens.

Trinkwasser als Recht und Geschäft

Nestle-Chef Brabeck-Letmathe ist überzeugt, dass die Wasserknappheit keine Folge des Klimawandels ist: „Wir habe eine Wasserkrise, weil wir falsche Entscheidungen im Umgang mit der Ressource Wasser treffen.“ Der Wert von Wasser werde so gering bewertet, dass es verschwendet werde. Damit argumentiert Brabeck-Letmathe nach Ansicht von NGOs gegen das bedingungslose Recht auf Wasser, das Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen genau durch Nestle & Co. in Gefahr sehen.

Das Unternehmen ist, wie das deutsche „Handelsblatt“ bereits im Februar 2013 berichtete, dafür, „dass - bei über den persönlichen Grundbedarf hinausgehenden Mengen - Anreize bestehen sollten, sorgsam mit der Ressource Wasser umzugehen“. Angemessene Preise, die die Knappheit und den Wert von Wasser widerspiegeln, könnten hierzu beitragen, zitierte das „Handelsblatt“ ein Statement des Unternehmens. „Wenn etwas kein Wert gegeben wird, tendieren die Menschen dazu, es zu verschwenden“, so bereits damals Nestle-Vorstandschef Paul Bulcke.

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