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Konzern sieht keinen Regierungsdruck

Der Chefredakteur der türkischen Zeitung „Hürriyet“, Enis Berberoglu, ist vor der Präsidentschaftswahl am Sonntag zurückgetreten. Vorausgegangen war scharfe Kritik von Ministerpräsident und jetzigem Wahlsieger Recep Tayyip Erdogan am Dogan-Verlag, dem das Blatt gehört.

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Die Zeitung wies Spekulationen zurück, Berberoglu habe wegen des Drucks der Regierung am Freitag seinen Posten geräumt. Vielmehr habe er sich aus eigenem Antrieb dazu entschieden und den Schritt noch vor der Abstimmung angekündigt, „damit dem keine politische Bedeutung beigemessen wird“. Eine Stellungnahme von Berberoglu selbst gab es zunächst nicht.

Islamfeindlichkeit vorgeworfen

Erdogan, der für seine islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) antrat, hat den Dogan-Verlag wiederholt angegriffen. Bei einer Wahlveranstaltung am Donnerstag warf er der Mediengruppe vor, über einen ihrer Fernsehsender islamfeindliche Kommentare verbreitet zu haben. Zudem ergreife sie in ihrer Berichterstattung über den Konflikt im Gazastreifen Partei für Israel. Kritiker werfen Erdogan vor, als Regierungschef die Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt zu haben. Er weist dies zurück.

Erdogan nennt Journalistin „schamlose Frau“

Erdogan sorgte auch mit persönlichen Angriffen auf eine Journalistin für Aufsehen. Er attackierte am Donnerstag bei einer Wahlkampfveranstaltung in Malatya im Osten der Türkei die Journalistin Amberin Zaman, nachdem diese in einer Fernsehsendung kritische Fragen gestellt hatte. Erdogan nannte sie „eine Militante in Gestalt einer Journalistin“ und „eine schamlose Frau“ und fügte an: „Erkenne deinen Platz“. Zamans Namen nannte er allerdings nicht.

Erdogan warf Zaman vor, die „zu 99 Prozent muslimische“ Gesellschaft der Türkei beleidigt zu haben. Zuvor hatte die Journalistin, die für die Zeitungen „Economist“ und „Tafar“ arbeitet, den Erdogan-Konkurrenten Kemal Kilicdaroglu in einer TV-Debatte gefragt, ob muslimische Gesellschaften überhaupt in der Lage seien, ihre Autoritäten infrage zu stellen.

Schmierkampagne in regierungstreuen Medien

Zaman antwortete Erdogan am Freitag in einer ihrer Kolumnen für „Tafar“ mit der Überschrift „Sei immer zuerst Mensch!“. Darin warf sie Erdogan vor, eine muslimische Frau zu „lynchen“, nur weil sie dessen Handlungen beschreibe. Regierungstreue Medien hätten eine Schmierkampagne gegen sie gestartet, schreibt Zaman. Sie sei als „Judenschlampe“ beschimpft worden, die den Dschihadisten im Irak am besten als „Konkubine“ diene.

Der „Economist“ solidarisierte sich in einer Stellungnahme mit seiner „weithin respektierten“ Journalistin. „Unter Herrn Erdogan ist die Türkei zu einem immer schwierigeren Ort für unabhängigen Journalismus geworden“, erklärte die „Economist“-Redaktion. Erst im Frühjahr hatte Erdogan die Sozialen Medien Facebook und Twitter in der Türkei sperren lassen wollen. Sie hatten seinen Kritikern als Plattformen für Enthüllungen im lange Zeit schwelenden Bestechungsskandal rund um Erdogan gedient.

Erdogan-Vize will Frauenlachen verbieten

Erst in der vergangenen Woche hatte ein anderes Führungsmitglied der AKP mit frauenfeindlichen Bemerkungen für Irritationen gesorgt: Vizeregierungschef Bulent Arinc hatte lautes Frauenlachen in der Öffentlichkeit als unschicklich bezeichnet und damit vor allem den Protest junger Türkinnen provoziert.

Arinc verteidigte seine Forderung kurz darauf. „Ich glaube daran, dass meine Bemerkungen wahr waren und sie eine breite Zustimmung in der Gesellschaft finden“, sagte Arinc laut Medien von Anfang August. Er habe sich aber auf Bescheidenheit im Allgemeinen bezogen und nicht auf ein Geschlecht, so Arinc.

Frauen wehren sich

Der AKP-Politiker hatte laut türkischen Medien in einer Rede gefordert, sowohl Frauen als auch Männer sollten sich mehr in Zurückhaltung üben. Er beklagte auch den angeblichen moralischen Verfall in der Türkei.

Arincs Bemerkungen lösten Hohn und Spott in den Sozialen Medien aus. Auf Onlineplattformen wie Twitter und Instagram posteten Tausende Türkinnen Fotos, die sie oder ihre Freundinnen lachend zeigten. Auch viele Männer äußerten sich ablehnend gegenüber den Aussagen Arincs.

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