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Second Screen und „Sexposition“

TV-Serien wie „Game of Thrones“, „Mad Men“ und „Homeland“ laufen Kinoproduktionen immer öfter den Rang ab. Nicht nur, weil die Sender immer aufwendiger produzieren, sondern auch, weil sich die Sehgewohnheiten des Publikums geändert haben. Das Onlinemagazin Wired macht gleich mehrere Faktoren, sowohl inhaltliche als auch formale, für die Serienhochblüte verantwortlich.

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Vor allem die Einschaltquoten der Erstausstrahlung, bisher eines der wichtigsten Kriterien, die über die Fortsetzung oder Einstellung einer Serie entschieden, spielen längst eine ganz andere Rolle als noch vor wenigen Jahren. Schuld daran ist das geänderte Fernsehverhalten, so Wired.

Serienhits wie „Breaking Bad“, „Girls“ und „Mad Men“ waren nicht schwach, aber auch keine großen Quotenhits - daraus wäre zu schließen, so Wired, dass „all diese Serien abgesetzt werden müssen“ oder möglicherweise die klassische Quotenmessung, die zur Bewertung herangezogen werde, überholt sei.

Soziale Vernetzung während des Fernsehens

Die Sehgewohnheiten seien in Zeiten von Onlinestreamingdiensten (legal und illegal), immer früherer DVD-Veröffentlichung und Bezahlsendern andere geworden. „Das TV-Erlebnis endet nicht, wenn die Episode vorbei ist.“

Per Twitter, Facebook und Serienfanseiten vernetzen sich Fans nicht nur mit Second Screen parallel, sondern auch nach der Show, tauschen Entrüstung, Begeisterung und Überraschung aus. „Wir beschäftigen uns mit der Sendung, auch wenn wir sie nicht gerade sehen, doch nichts davon schlägt sich in der Quote nieder.“

Quotenmessung muss sich neu erfinden

Die Firma Nielsen Media Research, die seit den 1960er Jahren für die Ermittlung der US-Fernsehquoten zuständig ist, versucht diesen Zeitgeist in ihre Berechnungen einzubeziehen, und kaufte die Firma Social Guide, die den Einfluss sozialer Medien auf „lineares Fernsehen“ analysiert.

Einen Monat später verkündete Nielsen eine Zusammenarbeit mit Twitter, im Bestreben, ein neues Social-TV-Rating zu implementieren, kolportierter Starttermin soll im Herbst sein.

Doch die großen amerikanischen Sender, die auch als Produzenten der Serien auftreten, müssen sich nicht nur mit veränderter Quotenrelevanz und -ermittlung herumplagen. Seit 2011 produziert der Onlinestreamingdienst Netflix eigene Serien und landete mit David Finchers „House of Cards“ 2013 einen durchschlagenden Erfolg. Amazon, Betreiber von Streamingplattformen in den USA und Großbritannien zieht nach und produziert nun eigenen Content.

Die Verschmelzung von Sex und Plot

Auch inhaltlich entwickeln sich die Serien weiter. Ein Schlagwort, über das man beim Durchforsten der aktuellen amerikanischen Seriensekundärliteratur notgedrungen stolpert, ist „Sexposition“ (eine Wortschöpfung aus „Sex“ und „Exposition“). Sex sells, das ist längst bekannt, doch bisher waren der Geschlechtsakt und die Handlung einer Serie zwei Paar Schuhe. Nun, so Wired am Beispiel von „Game of Thrones“, verschmelzen Sex und Plot.

Statt belanglosem Bettgeflüster wird bei der „Sexposition“ über Dinge von Bedeutung für die Handlung gesprochen, Ausgangssituationen und Vorgeschichte werden erklärt und Konflikte verhandelt. So gelingt es, seitenlang Hintergrundinformationen zu vermitteln, ohne dass dem Publikum langweilig wird.

Wired hat sich die Mühe gemacht, mehrere Serien auf ihren „Sexposition“-Faktor zu überprüfen. Ganz klar in Führung liegt dabei „Game of Thrones“, wo während 65 Prozent der Sexszenen gleichzeitig handlungsrelevante Inhalte transportiert werden. In der Vampirserie „True Blood“ ist es nur ein Anteil von 35 Prozent, in „Girls“ sei „der Sex zwar ,experimentell‘, aber ohne ,Exposition‘“, so das Onlinemagazin.

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