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Kerry vermittelt

Die Vereinten Nationen haben laut eigenen Angaben deutliche Hinweise darauf, dass die israelische Armee bei ihrer derzeitigen Militäroperation im Gazastreifen Kriegsverbrechen verübt hat. Es gebe eine „große Möglichkeit“, dass die israelischen Häuserzerstörungen und die Tötung von Kindern völkerrechtswidrig seien, sagte UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay am Mittwoch in Genf.

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Pillay äußerte sich zu Beginn einer Sondersitzung des UNO-Menschenrechtsrates zum Gaza-Konflikts. Sie beklagte, dass bei den israelischen Angriffen nicht zwischen Hamas-Kämpfern und Zivilisten unterschieden werde. Zugleich verurteilte sie den Abschuss von Raketen und Granaten durch palästinensische Extremisten auf Israel.

Jeder einzelne Fall müsse genau und unabhängig geprüft werden, forderte Pillay. Sie äußerte Zweifel daran, ob Israel alles tue, um zivile Opfer zu vermeiden. Jede Warnung vor einem Angriff müsse den Menschen, darunter Alten und Kranken, auch die Zeit zur Flucht geben, sagte Pillay. Der Hamas wiederum warf Pillay „wahllose Angriffe“ auf Wohngebiete in Israel vor. „Einmal mehr werden die Prinzipien der Unterscheidung und der Vorsicht nicht deutlich beachtet“, sagte sie.

Untersuchung beschlossen

Der UNO-Menschenrechtsrat beschloss am Mittwoch eine Untersuchung der Militäroffensive. Nach einer siebenstündigen Debatte stimmten 29 Mitglieder für eine von den Palästinensern eingebrachte Resolution. Es gab 17 Enthaltungen und nur eine Gegenstimme, die von den USA kam. Das Untersuchungsteam soll noch festgelegt werden, der Menschenrechtsrat erwartet einen Bericht bis zum März 2015.

Für den Antrag stimmten arabische und andere muslimische Länder, China, Russland sowie Staaten aus Lateinamerika und Afrika. Die Enthaltungen kamen von europäischen Ländern. Israel, das sich vergeblich gegen eine Aufnahme Palästinas aussprach und dem UNO-Gremium Einseitigkeit vorwirft, boykottierte das Forum 20 Monate und nahm die Zusammenarbeit erst im Oktober letzten Jahres wieder auf. Auch Israels wichtigster Verbündeter, die USA, werfen dem Menschenrechtsrat vor, Israel unfair hervorzuheben.

Ban und Kerry für Feuerpause

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon, US-Außenminister John Kerry und die EU-Außenminister forderten am Dienstag im Konflikt erneut ein sofortiges Ende der Gewalt. Die Ursachen des Konflikts in der Region müssten an der Wurzel gepackt und aufgearbeitet werden, damit die Situation „in den kommenden sechs Monaten oder einem Jahr“ nicht noch dieselbe sei, sagte Ban bei einer Pressekonferenz in Tel Aviv.

Ban bat die UNO-Staaten um 115 Millionen Dollar für die Menschen im Gazastreifen. „Das ist nur für das Nötigste. Wir müssen alle alles tun, um das Leiden dieser Menschen zu lindern“, sagte er am Dienstag auf einer Sitzung des UNO-Sicherheitsrates in New York, zu der er per Videokonferenz aus Ramallah zugeschaltet war.

Gegenseitige Vorwürfe vor UNO

Rijad Mansu, der Vertreter der Palästinenser bei der UNO, warf Israel beispiellose Härte vor. „Ohne Rücksicht schlachtet Israel ganze Familien ab. Die meisten Opfer sind Frauen und Kinder.“ Er las eine Reihe von Namen vor, bei denen es sich um Opfer des Konflikts handeln soll. Das jüngste war fünf Monate alt. „Unsere Krankenhäuser versinken im Blut der Unschuldigen.“

Israels Vertreter David Roet zitierte im ersten Satz „den großen deutschen Dichter und Staatsmann Goethe“, nach dem die Dinge direkt vor Augen am schwersten zu erkennen seien. „Wenn wir uns auf der Welt umschauen, wird klar, dass der Islamismus die größte Gefahr ist.“ Islamischer Staat (IS), Al-Kaida, Boko Haram, Hamas und Hisbollah kämpften gegen Demokratie und alles Moderne und stünden für Extremismus und Intoleranz. Israel sei die einzige liberale Demokratie in der Region. „Wir stehen in vorderster Front. Den Kampf, den wir heute führen, könnte morgen schon der Rest der zivilisierten Welt führen müssen.“

Kerry macht sich für Feuerpause stark

Kerry, der am Mittwoch in Israel Gespräche führt, appellierte am Dienstag in Kairo insbesondere an die Hamas, einer Feuerpause mit Israel zuzustimmen. „Die Hamas muss eine grundlegende Entscheidung treffen, die eine erhebliche Auswirkung auf die Menschen in Gaza hat“, sagte Kerry nach einem Treffen mit seinem ägyptischen Kollegen Sami Schukri.

Nach zweiwöchigen Kämpfen zwischen Israel und den Machthabern im Gazastreifen hat - nach Ägypten - auch die Palästinenserführung nach eigenen Angaben einen Plan für eine Waffenruhe vorgelegt. Der an die als Vermittler tätige ägyptische Regierung unterbreitete Vorschlag sehe eine Waffenruhe und unmittelbar anschließend eine fünftägige Verhandlungsphase vor, erklärte ein Vertreter der Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas am Dienstag in Kairo.

Hamas: Bald Waffenstillstand?

Die Hamas hielt am Mittwochabend einen Waffenstillstand mit Israel in den kommenden Stunden für möglich. Dieser werde „auf der Grundlage der palästinensischen Forderungen“ vereinbart, sagte ein Hamas-Offizieller der Hamas-Website Falastin al-Youm. Ähnlich äußerte sich auch der Chefunterhändler der Palästinensischen Autonomiebehörde, Saeb Erekat, am Mittwochabend im Fernsehsender al-Arabija.

Israelische Regierungsvertreter waren für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar. Der Chef der Hamas, der in Katar ansässige Sheikh Khaled Mashaal, sagte allerdings in den Abendstunden, man werde nicht einem Waffenstillstand zustimmen und dann verhandeln: „Das lehnen wir ab.“ Jeder Waffenstillstand zu humanitären Zwecken hänge von einem Ende der israelischen Belagerung Gazas ab.

Israel greift leeres Spital an

Die israelische Luftwaffe bombardierte am Mittwoch zunächst das Al-Wafa-Krankenhaus im Osten der Stadt Gaza. Dann griffen Bodentruppen das Gebäude an, in dem sich Kämpfer der islamistischen Hamas-Milizen verschanzt hatten, wie ein israelischer Militärsprecher in Tel Aviv mitteilte.

Das Krankenhaus für schwerbehinderte Patienten war bereits vor vier Tagen geräumt worden, bestätigten offizielle Vertreter in Gaza. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hatte entsprechende Warnungen der israelischen Armee an die Krankenhausverwaltung übermittelt.

Nach Darstellung des israelischen Militärsprechers hätten Hamas-Kämpfer in dem Gebäude eine Kommandozentrale eingerichtet. „Unsere Truppen wurden aus dem Krankenhaus heraus beschossen, aus den Fenstern, vom Dach“, fügte er hinzu. Die israelische Armee habe das Gebäude schließlich unter ihre Kontrolle gebracht.

Heftige Kämpfe dauern an

Die Zahl der Toten in dem Palästinensergebiet stieg bis Mittwoch auf rund 650. Die heftigen Kämpfe in den Außenbezirken der Stadt Gaza dauerten an, wie der israelische Rundfunk berichtete. Für Berichte über eine mögliche neue humanitäre Waffenruhe gab es zunächst keine Bestätigung.

Bei den Angriffen Israels im Gazastreifen sind in den vergangenen zwei Wochen mehr als 3.640 Menschen verletzt worden. Auf der israelischen Seite kamen 29 Soldaten und zwei Zivilisten ums Leben. Erst am Dienstag starben zwei Soldaten bei Kämpfen im Gazastreifen, wie das israelische Militär Mittwochfrüh mitteilte. Mehr als 120 Soldaten wurden nach Medienberichten verletzt.

Israel: „Keine humanitäre Blockade“

Israel wies unterdessen Berichte über eine Blockade für Hilfslieferungen in den Gazastreifen zurück. „Es gibt keine humanitäre Blockade in Gaza“, teilte das israelische Außenministerium am Mittwoch mit. Trotz der Bodenoffensive blieben Grenzübergänge geöffnet, lebensnotwendige Güter für die Gaza-Bewohner würden bereitgestellt.

Gemeinsam mit der Hilfsorganisation Roter Halbmond richtete die israelische Armee am Grenzübergang Eres im Norden des Gazastreifens ein Feldlazarett ein, um verwundete Palästinenser zu behandeln. Seit Beginn der Offensive am 8. Juli gelangten laut Außenministerium zudem 778 mit Lebensmitteln, Medikamenten und medizinischer Ausrüstung beladene Lkws in den schmalen Küstenstreifen, der von der radikalislamischen Hamas beherrscht wird.

Nach gescheiterten Friedensinitiativen und andauerndem Beschuss aus dem Gazastreifen hatte Israel am 8. Juli mit Luftangriffen auf Ziele der Hamas begonnen. Am 17. Juli startete Israel seine Bodenoffensive, unterstützt von Luftwaffe und Marine. Ziel des Einsatzes sind die Zerstörung der Hamas-Tunnel sowie die Unterbindung der Raketenangriffe auf Israel.

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