Kunden hoben 400 Mio. Euro ab
Bulgarien bekommt vor der Neuwahl am 5. Oktober eine Übergangsregierung. Die jetzige Regierung der Sozialisten mit der Türkenpartei soll bis 25. Juli zurücktreten. „In diesem Parlament kann keine weitere Regierung mehr gebildet werden“, sagte Staatschef Rossen Plewneliew am Sonntag nach Treffen mit den Parteispitzen.
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Bulgariens Politiker stehen nach einer Cyberattacke auf mehrere Banken unter Druck, das Finanzsystem so rasch wie möglich zu stabilisieren. Bürger müssten nicht um ihre Ersparnisse fürchten, versicherte Plewneliew. „Die Banken werden ihren Betrieb normal weiterführen.“ Bis zum Neuwahltermin wollen die Parlamentarier nun wichtige Gesetze zur „Unterstützung des Bankensystems“ verabschieden.

Reuters/Stoyan Nenov
Präsident Plewneliew kämpft an mehreren Fronten um das Vertrauen der Bürger
„Es gibt keine Bankenkrise“
„Das Bankensystem in Bulgarien ist stabil und gut kapitalisiert“, versicherte Plewneliew. „Es gibt keine Bankenkrise, sondern eine Vertrauenskrise und eine kriminelle Attacke.“ Der Präsident versicherte zudem, dass der jetzt zum Euro fixierte Wechselkurs der heimischen Währung Lew bis zum Beitritt Bulgariens zur Euro-Zone unverändert bleiben werde. „Das Geld von Bürgern und Firmen in den Banken in Bulgarien ist sicher und garantiert“, betonte Plewneliew.
Die Behörden ermitteln derzeit wegen eines Angriffes auf die Bankenbranche auf Hochtouren. Kriminelle haben demnach auf Internetplattformen wie Facebook und YouTube Zweifel an der Zahlungsfähigkeit verschiedener Geldinstitute gesät, um Bürger dazu zu bewegen, ihr Geld abzuheben. Am Freitag kam es bei der First Investment Bank zu einem Kundenansturm.
Zentralbank musste einspringen
Innerhalb weniger Stunden wurden 400 Millionen Euro abgehoben. Filialen schlossen daraufhin, Bankomaten funktionierten jedoch noch. Der Aktienkurs der Bank brach ein. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich eine Woche zuvor bei der Corporate Commercial Bank, dem viertgrößten Kreditgeber Bulgariens. Nach Angaben des Innenministeriums forderten auch hier Kriminelle über Soziale Netzwerke Bürger dazu auf, ihre Guthaben abzuheben. Zudem waren Berichte im Internet und in Medien über fragwürdige Geschäfte der Bank aufgetaucht. Schließlich musste die Zentralbank das Institut unter ihre Kontrolle nehmen.
EU bewilligt Milliardennotkredit
Die EU unterstützt das bulgarische Bankensystem mit einem milliardenschweren Notkredit. Die Europäische Kommission teilte am Montag mit, man werde der Bitte Bulgariens nach Verlängerung einer Kreditlinie über umgerechnet rund 1,7 Milliarden Euro nachkommen. Diese Maßnahme sei „angemessen“ und notwendig, um in der derzeitigen Lage das Bankensystem mit genügend Liquidität zu versorgen. Das Geld fließe vorsorglich, um das Finanzsystem zu stabilisieren. An sich seien Bulgariens Banken gut mit Kapital ausgestattet verglichen mit anderen Ländern in der EU.
Zwei Festnahmen
Am Samstag wurden zwei Männer wegen des Verdachts der Falschinformation festgenommen. Die Männer seien in Sofia und in der Stadt Russe gefasst worden, teilten die Behörden mit. Bei dem in Russe gefassten Mann handle es sich um einen 45-Jährigen, der Bankkunden auf Facebook und YouTube zum Abheben ihres Guthabens aufgefordert habe, teilte die nationale Sicherheitsbehörde mit. Der zweite Verdächtige habe Falschinformationen verbreitet, um sich zu bereichern. Einzelheiten wurden nicht genannt.
Sozialisten stürzten bei EU-Wahl ab
Die Vorgänge um das Bankensystem trifft die bulgarische Regierung in einer labilen Lage: Die Bürger verloren bereits kurz nach Antritt der Regierung der Sozialisten mit der Türkenpartei DPS Ende Mai 2013 das Vertrauen. Nach umstrittenen Personalentscheidungen warfen Demonstranten der Regierung über Monate hinweg vor, sich von reichen Oligarchen leiten zu lassen. Zudem leidet das Land unter einer schwachen Konjunktur und einem Rückgang der Investitionen aus dem Ausland. Wegen der anhaltenden politischen Probleme stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s die Bonitätsnote des Landes unlängst herab.
Borissow vor Rückkehr?
Die Krise spitzte sich nach der schweren Niederlage der regierenden Sozialisten bei der Europawahl am 25. Mai weiter zu. Die Sozialisten (BSP) schnitten als zweitstärkste Partei ab, mit großem Abstand hinter den oppositionellen Konservativen (GERB). Der kleinere Koalitionspartner, die Türkenpartei, erzielte dagegen ein hervorragendes Ergebnis nd forderte Neuwahlen. Bei der vorgezogenen Parlamentswahl wird nun eine Rückkehr der konservativen GERB-Partei unter Ex-Regierungschef Bojko Borissow an die Macht erwartet. Borissow selbst war nach Großdemonstrationen gegen Armut und Gewalt erst im Februar vergangenen Jahres zurückgetreten.
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