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Selbst für radikale Islamisten zu brutal

Abubakar Mohammed Shekau hat internationale Bekanntheit erlangt, als er in einem Video gedroht hat, mehr als 200 entführte Schulmädchen als „Sklavinnen“ zu verkaufen. In Nigeria selbst ist der Anführer der Islamistengruppe Boko Haram schon lange weithin bekannt.

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Seitdem Shekau im Jahr 2009 die Führung der Gruppe nach der Tötung ihres Gründers Mohammed Yusuf übernahm, hat er eine derartige Brutalität und Rücksichtslosigkeit an den Tag gelegt, dass sich selbst radikale Islamisten von ihm distanzierten.

Geboren im Nordosten Nigerias irgendwann zwischen 1965 und 1975, erhielt Shekau eine traditionelle islamische Ausbildung im Bundesstaat Borno, wo vor mehr als einem Jahrzehnt Boko Haram von dem Geistlichen Mohammed Yusuf gegründet wurde. Nach einem Treffen mit Yusuf schloss sich Shekau der sektenartigen Gruppe an, die sich vorwiegend aus jungen Muslimen zusammensetzt. Sie sehen in säkularer Bildung und westlichen Werten die Ursache für die Korruption und lähmende Armut in Nigeria.

„Rücksichtslos, gewalttätig und zerstörerisch“

Boko Haram lässt sich in etwa mit „westliche Bildung ist verboten“ übersetzen, doch lehnt die Gruppe selbst diesen Namen ab. Sie bezeichnet sich lieber als Jama’tu Ahlis Sunna Lidda’awati wal-Jihad (Vereinigung für die Verbreitung der Lehren des Propheten und den Heiligen Krieg). Ursprünglich zielte sie auf die Schaffung eines islamischen Staates im mehrheitlich muslimischen Norden Nigerias. Doch nach der Tötung ihres Gründers Yusuf durch die Polizei 2009 gab ihr sein Nachfolger Shekau eine radikale Richtung.

„Mit Shekau am Steuer ist Boko Haram rücksichtsloser, gewalttätiger und zerstörerischer geworden“, schrieb die International Crisis Group (ICG) im April. Die Radikalität Shekaus wird womöglich am besten dadurch illustriert, dass sich selbst die Islamistengruppe Ansaru, die wiederholt Videos mit der Hinrichtung entführter Ausländer veröffentlichte, von ihm distanzierte. Laut dem ICG-Bericht missbilligte die Boko-Haram-Abspaltung „die wahllosen Morde und Shekaus Mangel an Takt“.

Auch Angriffe auf Kirchen und Schulen

Während die von Yusuf geforderte Einführung des islamischen Rechts der Scharia in Teilen der zutiefst konservativen Bevölkerung im Nordosten geteilt wurde, stößt die wahllose Gewalt Shekaus viele ab. Seine Leute metzelten nicht nur die Einwohner ganzer Dörfer nieder, sondern töteten auch schutzlose Schüler im Schlaf und entführte Mädchen. Neben Polizei, Militär und Behörden griff die Gruppe auch Kirchen und Schulen an.

2012 verübte sie zudem einen blutigen Anschlag auf das UNO-Hauptquartier in der Hauptstadt Abuja. Im März 2013 erklärte die US-Regierung Boko Haram zur „globalen Terrorgruppe“ und setzte ein Kopfgeld von sieben Millionen Dollar (5,4 Mio. Euro) auf Shekau aus. Im August gab es Gerüchte, er könnte getötet worden sein, doch trat er später erneut in Videos auf.

„Ich genieße es, zu töten“

Viele seiner öffentlichen Äußerungen sind wirr - so drohte er kürzlich der verstorbenen britischen Premierministerin Margaret Thatcher und auch dem verstorbenen Papst Johannes Paul II. Seine Motive und Ziele geben oft Rätsel auf, doch Experten sagen, ein Zitat aus einem seiner ersten Videos 2012 öffne womöglich einen Einblick in seine Gedankenwelt. „Ich genieße es, jeden zu töten, den zu töten Gott mir den Auftrag gibt“, sagte Shekau darin, „so wie ich es genieße, Hühner und Hammel zu töten.“