Filmdurchbruch als besoffener Antisemit
Dienstmann, weinseliger Wienerlied-Sänger, Nuschler vom Dienst: Solchermaßen festgefressen verblasst der Ruhm von Schauspieler Hans Moser 50 Jahre nach seinem Tod am 19. Juni 1964 langsam, wurde doch Menschen diesseits der 40 Lebensjahre nur selten „der Moser“ durch das Wochenend-TV-Programm an Omas Seite aufgenötigt. Genau diese „Moser-Filme“ sind jedoch ein denkbar falsches Echo.
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Die reichlich harmlosen bis seichten Filme haben das Bild von Moser als grantelndem Wiener mit am Ende doch recht goldenem Herzen zementiert. Auf den prototypischen Wiener legte sich Moser tatsächlich schon früh fest - bis hin zur Annahme des Künstlernamens Moser, da sein Taufname Johann Julier schlecht zum Volksschauspieler-Image passte. Denn Volksschauspieler war Moser in der Tat und mit Inbrunst. Gemütlich oder lieblich waren seine Darstellungen dann aber nie, eher das Gegenteil davon.
Wie sich Österreicher nicht gern sehen
Die Flut von weit über 100 Rollen in Kommerzfilmen hat den anderen Moser überdeckt. Als Beispiel für diesen anderen Moser können die Rolle des Zauberkönigs in Ödön von Horvaths „Geschichten aus dem Wiener Wald“ und erhaltene Theaterübertragungen von Franz Molnars „Liliom“ und Nestroy-Stücken aus Mosers letzten Jahren dienen. Aber auch die Anfänge sind dokumentiert. Nur wird etwa „Die Stadt ohne Juden“ (1924) gern vergessen. Offenbar wollen sich Österreicher bis heute nicht gerne so sehen.

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Moser als Zauberkönig an der Seite von Helmut Qualtinger und Johanna Matz
In „Die Stadt ohne Juden“ nach dem gleichnamigen Roman von Hugo Bettauer wird auf bitterböse Art mit dem österreichischen Antisemitismus abgerechnet. Moser gibt darin den typischen Wiener, bereits komplett mit fahrigen Bewegungen, zerzaustem Schnauzer und einer innigen Liebe zum Wein. Nur dass „Rat Bernhard“ in dem Film ein christlich-sozialer Nationalrat ist, der außer Alkoholismus und Antisemitismus keine wirklichen Lebensinhalte hat und gegen Ende des Films in der Irrenanstalt tief fliegende Davidsterne halluzinieren darf.
Karrierestart erst als 44-Jähriger
Als Moser mit Rat Bernhard seine erst zweite Filmrolle bekommen hatte, war er schon 44 Jahre alt, 13 Jahre lang mit der Jüdin Blanca verheiratet, hatte brotlose und frustrierende Jahre mit Tingeltangel in der Provinz verbracht - und damit wohl auch das Trauma ausgefasst, das ihn lebenslang zum legendären Geizhals machen sollte. Wie die Legende es will, schloss er während des Ersten Weltkriegs mit den Plänen für die Tragödienlaufbahn ab, da er sein komödiantisches Talent bei der Unterhaltung seiner Kameraden im Fronteinsatz erkannt haben soll.
Der späte Karrierestart verlief dafür umso fulminanter: Regielegende Max Reinhardt wurde auf Moser aufmerksam und erkor ihn zu seinem Lieblingsschauspieler. Bis zu Mosers Tod hatte Reinhardts Porträt einen Ehrenplatz in Mosers Villa. 1927 spielte Moser etwa unter Reinhardt in Shakespeares „Sommernachtstraum“ am Broadway in den USA. Neben der beginnenden Karriere mit leichten Filmen folgten weitere Triumphe an Bühnen, etwa 1931 die Uraufführung der „Geschichten aus dem Wiener Wald“ in Berlin, mit Kollegen wie Peter Lorre und Paul Hörbiger.
Flüchten oder sich anpassen
Parallel dazu wurde Moser Fixstern im Kleinkunstfach, etwa mit der Dienstmann-Rolle, einem ursprünglich geradezu dadaistischen Sketch mit schwerem Seekoffer, der dem Vernehmen nach sogar Charlie Chaplin Bewunderung abnötigte. Bald sollten derlei bloß unterhaltende Rollen die einzigen sein, die noch übrig blieben. Mit Adolf Hitlers Machtergreifung stand Moser vor der Wahl, die Flucht anzutreten oder sich anzupassen. Er entschied sich für Letzteres.
Moser spielte noch ernstzunehmende Rollen, bis sich das Zeitfenster dafür endgültig schloss. Fast vergessen ist etwa die Verfilmung von „Liliom“ unter der Regie des bereits nach Frankreich emigrierten Fritz Lang im Jahr 1934, für die Moser angeblich auf eigene Kosten mehrmals zwischen Wien und Paris tageweise hin- und herfuhr. Dann wurde auch Österreich Teil von Nazi-Deutschland und Moser, der auf seine Wichtigkeit für die Nazi-Filmmaschinerie bereits vertrauen konnte, schrieb einen Brief an Hitler persönlich.
Mit Goebbels auf dem Cobenzl
In dem Brief argumentierte Moser, nach Gagen zum inzwischen drittwichtigsten deutschen Schauspieler aufgestiegen, er könne ohne Rückhalt durch seine Frau nicht spielen. In anderen Worten: Er bot seine Mitwirkung an der Heile-Welt-Filmindustrie der Nazis im Tausch gegen Schutz für seine Frau. Die Nazis willigten ein, Blanca verbrachte die Kriegsjahre in einem Budapester Hotel und wurde von der Mordmaschinerie des NS-Regimes ausgespart. Besiegelt wurde der Pakt in einer surrealen Heurigenszene zwischen NS-Propagandaminister Joseph Goebbels und Moser.
Wie Saskia Schwaiger zu Mosers 40. Todestag für das jüdische Magazin „Nu" recherchierte, schrieb Goebbels am 13. Juni 1938 während seines Wien-Besuchs in sein Tagebuch: „Mittags hinauf zum Cobenzl. Unten liegt dieses herrliche Wien. Wir verbringen Mittag und Nachmittag in lustiger Künstlergesellschaft ... ich beruhige Hans Moser, den man hier viel gespielt hat. Er weint vor Freude ... und dann sitzen wir im Künstlerkreis in Grinzing in einem Garten, der Mond steht über mir, laue Sommerluft, die Geigen schluchzen. Hans Moser singt Heurigenlieder. Es ist eine unbeschreibliche Romantik.“
Österreichertum als Himmelfahrtskommando
„Letztlich war er ein Zerrissener“, kommentierte Mosers Nichte Lotte Michner im TV-Porträt „Der ewige Dienstmann“, das auch nun wieder ausgestrahlt wird (Donnerstag um 13.00 Uhr in 3sat, Sonntag um 9.50 Uhr in ORF2 und um 15.35 Uhr in ORFIII). Der heimische Schriftsteller Franzobel machte aus genau diesem Grund Moser selbst zur Theaterfigur. In „Moser oder Die Passion des Wochenend-Wohnzimmergottes“ (2010) ließ er den „typischen Österreicher“ im Himmel ankommen, wo er jedoch Hitler als Befehlshabenden vorfindet.

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Am Ende wieder alles auf Anfang: Moser mit Josef Meinrad in „Liliom“, 1963
Franzobels Stück sorgte damals für einige künstlich hochgekochte Empörung wegen der Angst, dass man „den Säulenheiligen Hans Moser vom Sockel stößt“, wie der Autor damals formulierte. Er selbst wollte jedoch nach eigener Aussage nur „diese Zerrissenheit zwischen Erfolg und Durchlavieren, zwischen Karriere und Lebensbedrohung, zwischen Macht und Ohnmacht“ thematisieren. Darin sei Moser „typisch menschlich“ gewesen. Oder wie seine Nichte Michner es formulierte: „Mutig war er nicht. Mutig war er nie.“
So politisch wie als Rat Bernhard in „Die Stadt ohne Juden“ wurde Moser nie wieder, auch als es wieder möglich gewesen wäre. Zumindest war es ihm in seinen letzten Jahren aber vergönnt, noch ein paarmal seine wirklichen Talente - abseits von Nuscheln und Weinseligkeit - ausspielen zu können, etwa einmal mehr als Zauberkönig in den „Geschichten aus dem Wiener Wald“, wo er kurz vor dem Abgang meinte: „Ich für meine Person bin ja konkurrenzlos, weil ich ein Spezialgeschäft bin. Trotzdem geh ich zugrund.“
Lukas Zimmer, ORF.at
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