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„Nicht mehr in staatlicher Kontrolle“

Bewaffnete Aufständische haben nach Angaben der Regierung am Dienstag die nördliche Provinz Ninive mit der zweitgrößten irakischen Stadt Mossul unter ihre Kontrolle gebracht. Die Stadt sei „nicht mehr unter staatlicher Kontrolle und in den Händen der Aufständischen“, sagte ein Vertreter des Innenministeriums der Nachrichtenagentur AFP.

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Der Sprecher der Provinz Ninive bestätigte am Dienstag, dass Angreifer, bewaffnet mit Maschinenpistolen und Granatwerfern das Regierungsgebäude gestürmt und schwarze Fahnen gehisst hätten. Sie hätten die Sicherheitskräfte in einem kurzen Kampf überwältigt. Gouverneur Atil al-Nudschaifi sagte am Dienstag bei einer Pressekonferenz, die gesamte nördliche Provinz, deren Hauptstadt Mossul ist, sei „in die Hände der Aufständischen gefallen“. Nudschaifi befand sich beim Sturm auf das Regierungsgebäude in einem Gästehaus auf dem Gelände, konnte jedoch unverletzt fliehen.

Nudschaifi sagte, er stehe in Kontakt mit mehreren Vertretern von Regierung und Armee, mit Ministerpräsident Nuri al-Maliki habe er aber noch nicht gesprochen. Gleichwohl müssten „alle Kräfte im Irak mobilisiert und internationale Anführer gewarnt“ werden, um dieser „Terroroffensive die Stirn zu bieten“. Andernfalls werde sich diese auf den gesamten Irak ausweiten.

Häftlinge freigelassen

Nach Angaben von Augenzeugen war vor allem der Osten der Stadt betroffen, wo Stützpunkte der Sicherheitskräfte und die regionale Verwaltung angesiedelt sind. Mehrere Polizeistationen gingen in Flammen auf, Tausende Bewohner seien bereits geflohen. Wie das Nachrichtenportal des TV-Senders al-Sumaria am Dienstag berichtete, stürmten die Extremisten auch einige Gefängnisse und ließen mehr als 1.400 Häftlinge frei.

Aus der Türkei kommen unterdessen Berichte, wonach 28 Lastwagenfahrer, die Diesel in die Stadt transportieren sollten, von Extremisten entführt wurden. Sie würden als Geiseln gehalten, nachdem sie auf ihrer Fahrt zu einem Kraftwerk in Mossul gestoppt wurden.

ISIS-Kämpfer kontrollieren Region

Beobachter gehen davon aus, dass mehr als 3.000 Kämpfer der terroristischen Gruppierung Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) in der Region Mossul aktiv sind. Die Gruppe gehört zu den radikalsten Sunnitengruppen, die im arabischen Raum für einen Gottesstaat kämpfen und zuletzt vor allem in Syrien aktiv waren. Seit Jänner kontrollieren die Milizionäre bereits Gebiete der westlichen Provinz al-Anbar und liefern sich dort heftige Kämpfe mit Regierungstruppen. Aus der Provinz sind laut UNO-Angaben inzwischen mehr als 400.000 Menschen geflohen.

Landkarte des Irak

APA/ORF.at

Konflikt brachte ISIS neuen Zulauf

Im Irak eskaliert derzeit der langjährige Machtkampf zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen. Die Sunniten, die im Irak zu Zeiten des Diktators Saddam Hussein gute Aussichten auf Karrieren in Staat und Armee hatten, fühlen sich von der schiitisch dominierten Regierung diskriminiert.

Organisationen wie ISIS gewannen durch den Konflikt großen Einfluss. Die Terrororganisation entstand 2003, als die USA mit einer multinationalen Truppe in das Land einmarschierten, um das Regime von Saddam Hussein zu stürzen. Der erste bekannte Anführer war der für seine Grausamkeit berüchtigte Jordanier Abu Mussab al-Sarkawi. Nach dessen Tod verlor die Terrorgruppe an Macht und Einfluss. Das änderte sich 2013. Als der Streit zwischen der von Schiiten dominierten Regierung und den sunnitischen Parteien eskalierte, erhielt sie wieder mehr Zulauf.

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