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„Versuchen europäischer zu sein“

Google hat Ende Mai sein Verfahren für Löschanträge vorgestellt. Der Konzern schaltete ein Formular frei, mit dem die Entfernung von Suchergebnissen beantragt werden kann. Der Konzern sieht sich dazu durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Mitte Mai gezwungen, das das „Recht auf Vergessenwerden“ im Internet stärkte.

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Die Antragsteller müssen die Forderung zu jedem Link begründen und die Kopie eines Ausweises hochladen, um einen Missbrauch der Funktion zu vermeiden. Google werde jede Anfrage individuell prüfen und zwischen den Datenschutzrechten des Einzelnen und dem Recht der Öffentlichkeit auf Auskunft und Informationsweitergabe abwägen, hieß es. Bereits am ersten Tag gab es laut Google rund 12.000 Anträge.

Recht auf Löschung bei Verletzung von Privatsphäre

Der EuGH hatte entschieden, dass Europas Bürger Google dazu verpflichten können, Links zu unangenehmen Dingen aus ihrer Vergangenheit aus dem Netz verschwinden zu lassen. Google müsse die Verweise aus seiner Ergebnisliste entfernen, wenn dort enthaltene Informationen das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz einer Person verletzen. Die Informationen sind damit zwar nicht aus dem Netz verschwunden, aber ohne Listung bei Google sehr viel schwerer auffindbar.

Bisher hatten Privatpersonen keine Handhabe, unerwünschte Suchergebnisse bei Google entfernen zu lassen. Entsprechende Bitten um Löschung wurden von Google bisher „nicht einmal ignoriert“, berichtete Hans Zeger von den ARGE Daten. Google macht keine Angaben dazu, wie lange die Bearbeitung solcher Anträge dauern könnte. Gelöscht werden nur Links in Google-Diensten in der EU sowie in Island, Norwegen, Liechtenstein und der Schweiz - nicht aber etwa in der Domain Google.com.

Google-Chef warnt vor Folgen

Google-Chef Larry Page warnte vor negativen Folgen des EuGH-Urteils. Unter anderem könne es der nächsten Generation von Internetstartups schaden, sagte er der „Financial Times“ („FT“). „Wir sind ein großes Unternehmen, und wir können auf solche Sorgen antworten und Geld dafür ausgeben, es ist kein Problem für uns.“ Ein Google, das noch aus drei Leuten in einer Garage bestand, hätte es aber härter getroffen. Er befürchte auch, dass dies ein ermutigendes Signal für Regierungen sein könnte, die Onlinezensur betreiben.

Google bildet auch einen Beirat, der den Konzern beim Umgang mit dem Problem beraten soll. Diesem gehört unter anderen der Gründer des Onlinelexikons Wikipedia, Jimmy Wales, an, der die EuGH-Entscheidung scharf als Schritt in Richtung Zensur kritisiert hatte. Auch Experten der Universitäten von Oxford und Leuven (Belgien), Spaniens ehemaliger oberster Datenschützer Jose Luis Pinar sowie der UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, Frank La Rue, sollen dem Ausschuss angehören.

Konzern erwartet Gerichtsprozesse

Vieles sei für die Umsetzung des Urteils noch unklar - zum Beispiel, nach welcher Frist die Links zu den Informationen gelöscht werden sollten, sagte ein Sprecher. Google rechnet damit, dass strittige Fälle vor Gericht kommen werden.

„Wir versuchen europäischer zu sein“, sagte Google-Chef Page der „Financial Times“. Der Konzern wolle die Datenschutzproblematik stärker aus dem europäischen Blickwinkel betrachten. Zugleich betont Google, dass man bei der Prüfung der Anträge untersuchen werde, ob ein öffentliches Interesse an den Informationen bestehe - zum Beispiel, ob es um finanzielle Betrugsfälle, Berufsvergehen oder Amtsmissbrauch, strafrechtliche Verurteilungen oder das öffentliche Verhalten von Regierungsbeamten geht.

Bis zu 100.000 Österreicher betroffen

Allein in Österreich könnten nach Schätzungen von Zeger 10.000 bis 100.000 Österreicher von dem Urteil betroffen sein. Experten gehen davon aus, dass die Nutzer Google nun mit einer Flut an Löschanfragen überschwemmen werden.

„Das Urteil des Gerichtshofs ist richtungsweisend, das ist ein wichtiges Urteil für den Datenschutz in Europa. Es ist wahrscheinlich, dass Betreiber von Suchmaschinen wie zum Beispiel Google oder Yahoo mit vielen Anfragen konfrontiert sein werden“, so der Datenschutz- und IT-Rechtsexperte Hermann Hansmann von PHH Rechtsanwälte.

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