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Hunderte Millionen überwachte User

Die Zensur in China setzt den kritischen Internetusern zu: Einerseits die „Große chinesische Firewall“ oder „Goldener Schild“, die ausländische Portale wie Facebook, Twitter oder YouTube bzw. mehrmals Wikipedia sperrt, andererseits das Durchforsten des Netzes nach unliebsamen Begriffen haben vielen den Gebrauch verleidet. Chinas Internetmedien wie Baidu oder Weibo unterliegen strenger Kontrolle.

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Eine westliche Internetplattform, die in einem Jahr rund 28 Millionen User verliert, hat wahrscheinlich blitzartig ein ökonomisches Problem oder zumindest einen gewaltigen Imageverlust. In China wird in anderen Dimensionen gedacht und gehandelt - der Verlust beim Micro-Blogging-Dienst Sina Weibo macht bei rund 500 Millionen Accounts - wovon rund die Hälfte aktiv sein dürften - rund ein Zehntel aus. Ausgelöst haben dürften den Exodus wohl neben der überbordenden Werbung das umfassende Zensursystem und Verhaftungen prominenter Blogger.

Kritik gern, aber nur in Richtung Ausland

Dabei hat Weibo - das chinesische Pendant zu Twitter, welches in der Volksrepublik gesperrt ist - auch prominente westliche Nutzer: Der britische Premierminister David Cameron versuchte sich 2013 vor einem Besuch in Peking als lockerer Botschafter: „Hello, dear friends in China“. Umfassend gut kam das nicht an. „Wann wird Großbritannien die illegal geplünderten Kunstgegenstände zurückgeben?“, fragte das Zentrum für Internationalen Wirtschaftlichen Austausch zurück.

Die Frage bezog sich auf während des Boxer-Aufstands 1901 geraubte Kulturgüter. Die Kritik, die an ausländischen Regierungschefs möglich ist, ist der chinesischen Führung offenbar aber nicht recht, wenn es um Ereignisse und Zustände im eigenen Land geht. Der international bekannte Künstler Ai Weiwei etwa verlor seinen Account bei der 2009 gegründeten Tochter der Aktiengesellschaft Sina Corporation.

Verborgenes Heer an Zensoren

Kritische Beiträge sind oft schon binnen Minuten gelöscht, was auf eine große Anzahl von Kontrolleuren hinweisen müsse, so zwei westliche Computerspezialisten gegenüber der BBC Asia. Dabei war Weibo zu Beginn als neue Ausdrucksform sehr populär. „Es ist nicht mehr sicher, es ist Zeit weiterzuziehen und Weibo Lebewohl zu sagen“, so ein Nutzer zur BBC. Es sei das Risiko nicht wert. Alternative Dienste gibt es mehrere, wie etwa die Kommunikations-App für Mobiltelefone Weixin (WeChat), die von den Abgängen profitiert haben dürfte.

Kritische chinesische Bürger und jene, die einfach ohne Überwachung kommunizieren wollen, müssen der Zensur und den technischen Überwachungsmaßnahmen immer einen Schritt voraus sein. Schwierig genug, aber der Gebrauch von virtuellen privaten Netzwerken (VPN) zur Schaffung einigermaßen abgesicherter Netze ist verbreitet. Wechselnde Accounts und deren rasches Bekanntwerden bei Meinungsbildern im Netz hilft ebenso: Wird ein Eintrag gelöscht, taucht er schnell wieder anders formuliert auf.

„Chinesisch Googeln“ will gelernt sein

Schwierig wird es auch beim chinesischen Googeln, dem Suchen beim Marktführer Baidu: Bereits Minuten nach dem Vorfall am 30. Oktober 2013 auf dem Tiananmen-Platz in Peking, als offenbar ein Anschlag mit einem mit Benzinkanistern beladenen Geländewagen verübt wurde, erbrachten Suchanfragen wie „Tiananmen“ und „Bombe“ laut Usern keine Resultate. Kritik wurde auf Weibo und in anderen Diensten auch an der Korruption lokaler Behörden und der Untätigkeit der Verwaltungskörper bei Umweltverschmutzung geäußert - und zensuriert.

Den Anbietern von Diensten in China ist die Zensur und die Ausforschung von Nutzern dabei oft selbst nicht so recht. Bei einem Mediendialog in Nanjing im Oktober 2013 zwischen europäischen und chinesischen Journalisten waren sich laut „Die Zeit“ Vertreter aller Seiten einig: Modernität und Meinungskontrolle würden sich nicht miteinander vertragen. Zumindest ein Problem teilen die Webplattformen aber hie wie dort: Viele chinesische Kids und Hipster empfinden Weibo mittlerweile als hoffnungslos altmodisch.

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