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Gezielte Tötungen durch Separatisten

Die Vereinten Nationen haben eine „alarmierende Verschlechterung“ der Menschenrechtslage in der Ostukraine kritisiert und dafür vor allem prorussische Separatisten verantwortlich gemacht. Ein am Freitag veröffentlichter Bericht spricht von „gezielten Tötungen, Folter, Schlägen, Entführungen, Einschüchterung und in einigen Fällen sexueller Belästigung“.

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Diese Verbrechen seien „zum Großteil“ durch „gut organisierte und gut bewaffnete“ Regierungsgegner verübt worden. UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay rief diejenigen, die Einfluss auf die bewaffneten Gruppen im Osten der Ukraine hätten, auf, „ihr Äußerstes zu geben, um diese Leute in die Schranken zu weisen, die das Land offenbar spalten wollen“. Russland beim Namen nannte Pillay dabei nicht. Sie zeigte sich aber auch besorgt über „ernsthafte Probleme“ auf der ukrainischen Halbinsel Krim, wo die Minderheit der Tataren seit der Annexion durch Russland belästigt und eingeschüchtert werde.

Russland: Völlig einseitig

Russland reagierte empört auf den Bericht und kritisierte ihn als einseitig und politisch motiviert. „Das vollkommene Fehlen von Objektivität, offenkundige Widersprüche und Doppelmoral lassen keinen Zweifel daran, dass die Autoren einen politisch abgekarteten Auftrag erledigt haben, um den Namen der selbst ernannten Regierung in Kiew reinzuwaschen“, erklärte das Außenministerium in Moskau.

Putin warnt Krim-Tataren

Der russische Präsident Wladimir Putin warnte vor einer Instrumentalisierung der Tataren-Problematik. Die Krim-Tataren dürften nicht zu einer politischen Währung in Konflikten werden, erklärte er bei einem Treffen mit Tatarenvertretern in Sotschi. „Die Interessen der Krim-Tataren liegen heute in Russland.“

Die Krim-Tataren hatten die Volksabstimmung über den Beitritt zur Russischen Föderation im März mehrheitlich boykottiert. Am Sonntag begeht die Volksgruppe den 70. Jahrestag ihrer Deportation unter Josef Stalin.

Seit Wochen Kämpfe im Osten

Die Übergangsregierung in Kiew ist seit dem Sturz des prorussischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch Ende Februar im Amt. Schon kurz darauf spaltete sich die Schwarzmeerhalbinsel Krim nach einem international umstrittenen Referendum von der Ukraine ab und trat der Russischen Föderation bei. Auch in den ostukrainischen Regionen Donezk und Lugansk hielten die Kiew-Gegner mittlerweile umstrittene Referenden ab, bei denen die Bevölkerung laut den Organisatoren mit überwältigender Mehrheit für eine Unabhängigkeit stimmte. Die Separatisten streben nun gleichfalls einen Beitritt zu Russland an.

Die Übergangsregierung in Kiew geht vor diesem Hintergrund seit Wochen mit einer Militäroffensive gegen die Separatisten im Osten des Landes vor. Dutzende Menschen wurden seit dem Beginn der von Kiew als „Anti-Terror-Einsatz“ bezeichneten Offensive getötet.

Polen appelliert an Moskau

Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski forderte Russland am Freitag bei einem Besuch in Kiew auf, dafür zu sorgen, dass die für den 25. Mai geplante Präsidentschaftswahl in der Ukraine „so legitim wie möglich ablaufen“ könne.

Der konservative Spitzenkandidat für die Europawahl, Jean-Claude Juncker, sprach sich für weitere Sanktionen gegen Russland aus. Wenn Moskau nichts ändert, braucht es weitere Sanktionen", sagte Juncker in einer Debatte im Europaparlament. Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Martin Schulz warnte vor einer Eskalation der Krise in der Ukraine. „Wir stehen dort vor der realen Gefahr eines Bürgerkriegs.“

Experte: EU „völlig handlungsunfähig“

Der Ukraine-Experte Alexei Melnik, er steht dem prowestlich orientierten Lager nahe, betonte unterdessen am Freitag im Rahmen einer Veranstaltung des Austria Institute für Europa und Sicherheitspolitik (AIES) in der Diplomatischen Akademie, dass Kiew mit seinen Problemen fast alleine dastehe. Die EU sei „völlig unfähig“ zu handeln und die Ukraine im Kampf gegen die russische „Aggression“ zu unterstützen.

Das sei kein Krieg zwischen der Ukraine und Russland, betonte Melnik. Im Gegenteil sei der russische Präsident Wladimir Putin mit seiner vollkommen neuen, „unkonventionellen Kriegsführung“ dem Westen voraus und gerade dabei, gegen NATO, EU und die USA vorzugehen. Putin nütze schlichtweg seine Möglichkeit in einer Zeit, in der sich die Ukraine im schlechtesten Zustand überhaupt befinde und der Westen geteilt bzw. weder fähig noch gewillt sei zu handeln. Glücklicherweise sei die Ukraine bereit, gegen die „Terroristen“ anzukämpfen und dadurch ein wirkungsvolleres Signal nach Moskau zu schicken als der Westen mit wirtschaftlichen Sanktionen.

Glaube an faire Wahlen

Auf die Frage, ob faire Wahlen möglich seien, zeigte sich der Vizechef des Razumkov Centre für Außen- und Sicherheitspolitik optimistisch. Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, die bisher demokratischsten Wahlen des Landes zu erleben. Garantie dafür sei die große Aufmerksamkeit internationaler sowie örtlicher Medien und auch die Präsenz verschiedenster Beobachtergruppen. Die Parlamentswahlen am 25. Mai seien der erste wichtige Grundstein zur Stabilisation der Lage und eine Möglichkeit zur Legitimierung der derzeitigen Regierung.

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