Themenüberblick

Ruf nach harten Sanktionen gegen Putin

Die Spitzenkandidaten der europäischen Parteien für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten sind im Rahmen einer europaweit übertragenen Livediskussion Rede und Antwort gestanden. Die Fragen reichten von der EU-Schuldenpolitik über das Thema der legalen Immigration bis hin zum drohenden Bürgerkrieg in der Ukraine. Große Klüfte zwischen den Kandidaten taten sich dabei jedoch nicht auf.

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Erstmals in der Geschichte des Europäischen Parlaments haben sich fünf Fraktionen auf Spitzenkandidaten geeinigt, die sich den Bürgern präsentieren. Im Rahmen der #tellEurope-Debatte, die in 30 Ländern live übertragen wurde, konnten sich die Bürger via Soziale Medien an der Diskussion beteiligen. Dabei kristallisierten sich Themenblöcke heraus, die von den Kandidaten in jeweils einer Minute zu beantworten waren.

Sparpolitik vs. neue Schulden

Angetreten waren Jean-Claude Juncker für die Europäische Volkspartei (EVP), Martin Schulz für die Sozialdemokraten (SPE), Guy Verhofstadt für die Liberalen, Franziska „Ska“ Keller von den Grünen und Alexis Tsipras, der Spitzenkandidat der linksradikalen griechischen SYRIZA.

Und schon zu Beginn zeigte sich, dass alle für ein starkes Europa eintreten, wo die Themen Arbeitslosigkeit und Schuldenpolitik ganz oben stehen. Doch bei den Lösungsansätzen schieden sich dann die Geister: Während sich etwa Juncker für eine Konsolidierung der EU-Finanzen starkmachte, appellierte Tsipras für ein Ende der Sparpolitik und für nachhaltige Schulden.

Die Diskussionsrunde

Die fünf Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl sind Jean-Claude Juncker (EVP), Martin Schulz (SPE), Guy Verhofstadt (Liberale), Ska Keller (Grüne) und Alexis Tsipras (Linke). Die beiden Rechtsfraktionen ECR und die europafeindliche EFD treten ohne eigenen Kandidaten an.

Konkreter wurde es bei der Frage, nach Lösungen gegen die hohe Arbeitslosigkeit. Schulz forderte ein Mikrokreditprogramm für Länder, in denen besonders viele junge Menschen ohne Job sind. Dadurch sollten Unternehmen leichter zu Geld kommen. Keller von den Grünen sieht den Schlüssel in der Schaffung hochqualifizierter Arbeitsplätze in der Bildung oder im Gesundheitssystem. „Wir müssen bei der Nachfrage ansetzen“, erklärte Tsipras und brachte den Vergleich mit Deutschland in der Nachkriegszeit. Verhofstadt sieht eine Chance nur in einer neuen Wachstumsstrategie, die auch neue Schulden beinhaltet.

Kandidaten

APA/AP/Yves Logghe

Alexis Tsipras, Ska Keller, Martin Schulz, Jean-Claude Juncker, Guy Verhofstadt (v. l. n. r.)

„Müssen Finanzmärkte besser regulieren“

Etwas emotionaler wurde es bei der Frage, ob die bisher gesetzten Maßnahmen gegen die Krise die Richtigen waren. Als positiven Weg lobte Verhofstadt die Bankenunion. Den Grünen geht diese Maßnahme jedoch nicht weit genug. „Wir müssen die Finanzmärkte besser regulieren“, forderte Keller und verwies auf die Milliarden Euro, die jedes Jahr durch Steuerhinterziehung verloren gehen. „Wir können den Leuten nicht sagen, dass wir ihre Löhne kürzen müssen, und gleichzeitig gehen Steuern verloren.“ „Jetzt müssen Banken gezwungen werden, Verantwortung für das Desaster, das sie angerichtet haben, zu übernehmen“, bestätigte auch Schulz.

Verhofstadt wollte die Banken jedoch nicht als alleinige Sündenböcke darstellen und wandte sich direkt an Tsipras: „Es war die schlechte Politik in Ihrem Land, wo die staatlichen Banken die politischen Parteien finanzieren.“ Tsipras konterte damit, dass die „Medizin“ der EU den Patienten nur kränker gemacht habe. Doch das wollte Juncker so nicht stehen lassen. „Ich habe Tag und Nacht gearbeitet, um zu vermeiden, dass Griechenland die Euro-Zone verlassen muss“, wurde er ungewöhnlich emotional in der sonst sehr kontrollierten Runde. „Ich liebe Griechenland, und wir haben alles getan, damit Griechenland Mitglied bleiben kann.“

Harter Kurs gegen Putin

Beim Thema Außenpolitik und die Krise in der Ukraine vertraten die Spitzenkandidaten mehrheitlich einen harten Kurs gegenüber Russlands Präsidenten Wladimir Putin. „Wir müssen sehr ernsthafte persönliche Sanktionen gegen die Leute um Putin verhängen“, betonte Verhofstadt. Die Notwendigkeit von Sanktionen unterstrichen auch Schulz und Juncker. Im Falle einer Verschärfung der Strafmaßnahmen sollten zunächst die Finanzströme zwischen Russland und europäischen Finanzzentren ins Visier genommen werden, so Juncker. Keller, forderte, Waffenausfuhren von Europa nach Russland zu stoppen: „Das muss dringend aufhören.“

Tsipras warnte hingegen vor einer Eskalation. „Europa nutzt wieder das Vokabular des Kalten Krieges (...), und das ist der falsche Weg.“ „Ich glaube, dass die Wunden, die Europa geteilt haben, nicht mit Sanktionen geheilt werden können.“ In der Ukraine dürften keine „Faschisten“ zum Zuge kommen, so der Grieche.

Debatte über legale Einwanderungspolitik

Neben der Ukraine-Krise war auch die Flüchtlingsproblematik eines der wichtigsten Themen des Abends. Alle Kandidaten waren sich einig, dass die EU eine gemeinsame und legale Einwanderungspolitik brauche und die Verantwortung nicht auf einzelne Mitgliedsländer abgeschoben werden könne. „Wir brauchen legale Wege, wie die Flüchtlinge nach Europa kommen können“, so Keller. Auch Schulz und Juncker sprachen sich für eine System der legalen Zuwanderung aus.

„Es kann nur einer von uns sein“

Auf die Frage, ob sich unter den Teilnehmern der Diskussionsrunde tatsächlich der nächste Kommissionspräsident befindet, oder ob die Staats- und Regierungschefs hinter verschlossenen Türen einen anderen Kandidaten bevorzugen, waren sich alle einig. „Es kann nur einer von uns sein“, versicherte Verhofstadt. „Es ist ein großer Sprung nach vorne, dass die Bürger nun einen Präsidenten wählen können“, so Keller, „es wäre ein schwerer Schlag, wenn jetzt ein anderer herausgegriffen würde.“

Für Tsipras wäre das Ignorieren der Spitzenkandidaten eine „katastrophale politische Entscheidung“, auch Juncker ist sich sicher, dass der Europäische Rat das Ergebnis der EU-Wahl akzeptieren wird. „Sonst wird 2019 niemand mehr zur Wahl gehen.“ „Die Staatschefs haben die Freiheit zu tun, was sie wollen“, so Schulz, aber wenn sie „den Mut haben, einen anderen zu bestimmen, wird er im Parlament keine Mehrheit haben“.

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