„Vier intensive Stunden“
Der wegen Steuerbetrugs verurteilte frühere italienische Regierungschef Silvio Berlusconi, der am Freitagvormittag den Sozialdienst zur Ableistung seiner Haftstrafe angetreten hat, hat sich über seine Erfahrung im Seniorenheim bei Mailand zufrieden gezeigt.
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„Es waren vier intensive Stunden. Ich habe Witze erzählt und über Fußball gesprochen“, berichtete der Medienzar. Genau das hatte die Heimleitung im Vorfeld eigentlich ausgeschlossen. Viele Patienten der Einrichtung hätten ihm Fragen über sein Leben und über seinen Fußballclub AC Milan gestellt. „Das nächste Mal werde ich ihnen Uhren mit dem Milan-Logo mitbringen“, berichtete Berlusconi in einem Interview mit dem TV-Kanal Telelombardia.
Lob für Pflegerinnen
Die Hingabe des Personals des katholischen Sacra-Famiglia-Seniorenheims in Cesano Boscone bei Mailand, in dem er einmal wöchentlich zehn Monate lang Sozialdienst leisten wird, habe ihn beeindruckt. „Die Personen, die diese Patienten pflegen, sind von außerordentlicher Menschlichkeit. Eine Pflegerin, mit der ich einen Großteil des Vormittags verbracht habe, arbeitet seit 41 Jahren in der Einrichtung“, erklärte Berlusconi.

AP/Antonio Calanni
Berlusconi hat beim Verlassen des Altersheims auch für Journalisten noch einen Scherz übrig
Das Medieninteresse für seinen ersten Tag Sozialarbeit bezeichnete Berlusconi als „übertrieben“. So wie im Vorfeld beklagte sich der Ex-Premier, dass die Strafe, zu der er wegen Steuerbetrugs verurteilt wurde, zu streng sei. Belastend sei nicht so sehr die Sozialarbeit, sondern die Tatsache, dass er abends nach 23.00 Uhr zu Hause sein müsse, seine Heimatregion Lombardei nicht verlassen dürfe und dass ihm der Pass entzogen worden sei.
Journalisten belagerten Altersheim
Zuvor hatten rund 100 Journalisten vergeblich vor den Toren des Seniorenzentrums gewartet. Für Aufregung sorgte kurz ein als Clown verkleideter Gewerkschafter. Er gelangte trotz strikter Sicherheitsvorkehrungen in die Nähe des Fahrzeuges des Ex-Premiers und schrie: „Alle italienischen Arbeiter haben einen Traum: Berlusconi in San Vittori“ - einem Gefängnis in Mailand.
Ankunft wie bei Staatsbesuch
Wie bei früheren Staatsterminen fuhr der langjährige Regierungschef und Milliardär in dunkler Limousine vor dem katholischen Heim Sacra Famiglia vor. Gekleidet war er in einen dunkelblauen Anzug mit einem Anstecker seiner Partei Forza Italia am Revers - ganz so, als würde er an einer Kampagne für die anstehende Europawahl teilnehmen.

APA/EPA/Daniel Dal Zennaro
Das Heim wurde von Dutzenden Journalisten belagert
Laut der Leitung des Altenheims soll Berlusconi zunächst im Morgenprogramm aushelfen. Er werde schrittweise eingearbeitet, damit seine Patienten und er sich aneinander gewöhnen können, sagte Pflegedienstleiter Massimo Restelli der Zeitung „La Repubblica“. Zu Berlusconis Aufgaben könne gehören, den Patienten beim Essen zu helfen, sagte Restelli weiter: „Das ist ganz schön heikel, denn manchmal muss man sie daran erinnern, dass sie gerade essen.“
Nicht nur vor dem Gebäude, auch innerhalb des Heims sorgte der neue Mitarbeiter für Aufregung. Helfer berichten, dass sich außergewöhnlich viele Verwandte von Alzheimerpatienten ausgerechnet für Freitag zum Besuch angemeldet hatten. Zudem wollten sich ungewöhnlich viele Mitarbeiter aus anderen Abteilungen in den Alzheimertrakt versetzen lassen.
„Witze zu erzählen ist nicht gefragt“
Gleichzeitig machte die Heimleitung aber deutlich, dass sie keinen Medienzirkus dulden werde, ebenso wenig wie eine Sonderbehandlung des langjährigen Ministerpräsidenten. Fotos und Kameras im Inneren des Gebäudes mit den Alzheimerpatienten sind verboten, auch das Personal hat strikte Anweisungen. Berlusconi erhielt ebenfalls genaue Verhaltensregeln - politische Aktivitäten und Auftritte als Alleinunterhalter wurden ihm untersagt. „Witze zu erzählen ist dort nicht gefragt“, machte Direktor Paolo Pigni klar.
Im Übrigen habe sich Berlusconi mit den Absprachen zu dem Dienst voll einverstanden gezeigt, sagte Pigni. Dass sich Berlusconi die ungewohnte Aufgabe durchaus zutraut, hatte er zuvor in mehreren Interviews versichert. Mit seiner Mutter habe er öfters leidende Menschen in Krankenhäusern besucht. „Ich beginne mit dieser Erfahrung im Bewusstsein, dass ich denjenigen helfen werde können, die in Not sind“, sagte Berlusconi. Auch habe er sich in den letzten Wochen über neue Therapien für Alzheimerkranke kundig gemacht.
Leistung wird einmal im Monat überprüft
Ursprünglich war der Medienzar wegen Steuerbetrugs zu einer Haftstrafe verurteilt worden, die wegen einer Amnestieregelung automatisch auf ein Jahr verkürzt wurde. Mitte April hatten die Richter dann einem Antrag Berlusconis auf Ableistung eines Sozialdienstes statt des Hausarrests stattgegeben. Die Bewegungsfreiheit Berlusconis wird dadurch bis März 2015 eingeschränkt sein.
Für seine Sozialarbeit, die Berlusconi für mindestens zehneinhalb Monate einmal pro Woche vier Stunden lang ableisten muss, darf er jedoch sein Haus verlassen. Der nächste Termin der Krankenbetreuung wird eine Woche später sein. Monatlich wird Berlusconi eine Mitarbeiterin des Gerichts treffen müssen, welche die Leistungen des Ex-Regierungschefs bei der gemeinnützigen Arbeit im Altersheim überprüfen wird.

APA/AP/Luca Bruno
Das katholische Alzheimerzentrum Sacra Famiglia
Der Sozialdienst ist zwar eine Unannehmlichkeit, das Mailänder Gericht hat ihm dadurch jedoch jene Bewegungsfreiheit garantiert, die es ihm ermöglicht, für seine Forza Italia den EU-Wahlkampf zu führen. Zudem darf der Medienunternehmer drei Tage die Woche, von dienstags bis donnerstags, seiner politischen Tätigkeit in Rom nachgehen.
Berlusconi: „Lachhafte Sache“
Dennoch fällt es dem 77-Jährigen mitunter schwer, gute Miene dazu zu machen. „Es ist absurd, dass eine Person mit meiner Vergangenheit von Sozialarbeitern betreut werden muss. Für einen Menschen, der seit 20 Jahren einen Kampf für die Freiheit in seinem Land führt, ist das eine gravierende Strafe“, klagte Berlusconi. Sozialer Dienst für jemanden, der Italien als Regierungschef geführt und G-8-Gipfel geleitet habe, „das ist eine lachhafte Sache, nicht für mich, sondern für das Land“, so der Ex-Premier.
Prompt kam die Retourkutsche der Mailänder Justiz. Sie reagierte auf die „missachtenden“ Äußerungen, indem sie seinen Antrag auf mehr Bewegungsfreiheit vor der Europawahl ablehnte. Er muss sich auch während des Sozialdienstes so verhalten, dass dieser nicht rückgängig gemacht wird und er damit doch noch unter den strengeren Hausarrest käme.
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